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Fischsterben in Hohenlohe
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Folgen des Jagstunglücks sind auch acht Jahre später noch zu spüren

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Der Brand einer Mühle in Kirchberg-Lobenhausen in Hohenlohe wirkt bis heute nach. Am 23. August 2015 führten Löscharbeiten zu einem massiven Fischsterben in der Jagst. Wie ist die Lage acht Jahre nach dem Jagstunglück?

Diese Fischtreppe bei Bächlingen wurde nach dem Brand gebaut. Die Tiere können am Wehr vorbeischwimmen, dadurch kann die Jagst wieder besiedelt werden.
Diese Fischtreppe bei Bächlingen wurde nach dem Brand gebaut. Die Tiere können am Wehr vorbeischwimmen, dadurch kann die Jagst wieder besiedelt werden.  Foto: Götz Greiner

"Es war eine der schlimmsten Katastrophen, die es in baden-württembergischen Gewässern je gegeben hat": So bewertet Jan Baer, Leiter der Fischforschungsstelle des Landes in Langenargen, das Jagstunglück vom 23. August 2015. Heute vor acht Jahren ist beim Löschen eines Brandes in der Mühle in Kirchberg-Lobenhausen Ammoniumnitrat in den Fluss gespült worden. Die Chemikalie hat dem Wasser den Sauerstoff entzogen, viele Fische verendeten.

"Der Hohenlohekreis ist bei dem Unglück mit einem blauen Auge davon gekommen", sagt Markus Hannemann, Vorsitzender der Fischhegegemeinschaft Jagst, zu der 23 Vereine gehören. 22 Tonnen tote Fische seien damals aus der Jagst gezogen worden, davon stammte nur eine Tonne aus dem hiesigen Kreis. Hannemann war dabei, als die Retter vor Ort im Einsatz waren. "Der Zusammenhalt der Bevölkerung hat mich tief beeindruckt." Ein Kanu-Betreiber habe seine Boote angeboten, Inhaber von Kraftwerken hätten die Abschnitte hinter den Wehren geschützt, indem sie ihre Mühlkanäle geöffnet hätten. Bei der Anreicherung der Jagst mit Sauerstoff seien die Feuerwehren eine große Hilfe gewesen.

Jagstunglück schädigte die Fischfauna massiv 

"Nachdem die Schadstoffwelle durchgezogen ist, hatte die Jagst bald wieder dieselbe Wasserqualität wie vor dem Unglück", erklärt Mareike Schiffko, Sprecherin des Umweltministeriums. Deshalb seien diverse Kleintiere und Wasserpflanzen nicht dauerhaft beeinträchtigt worden. Die Fische aber schon: "Die Fischfauna wurde auf etwa 50 Kilometern Fließlänge massiv geschädigt, auf 20 Kilometern Fließlänge wurden die Bestände nahezu ausgelöscht", so Schiffko. Nach den Daten der Fischforschungsstelle habe sich die Zahl der Arten in der Jagst nach drei Jahren erholt, sagt Jan Baer. "Aber die absolute Zahl der Fische liegt noch weit entfernt von dem Zustand vor dem Brand. Nach etwa 35 Monaten hat die Zahl stagniert."


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Nur etwa 30 bis 50 Prozent der vorherigen Menge sei erreicht - und die seien anders verteilt als früher, berichtet das Umweltministerium. Einige wenige Arten dominieren mengenmäßig, während andere unterrepräsentiert seien: "Es ist daher davon auszugehen, dass die Auswirkungen des Unglücks das ökologische Gleichgewicht noch weiter beeinträchtigen werden", berichtet Schiffko.

Weitere Gründe sorgen für geringeres Wachstum in der Jagst

Jan Baer betont, dass auch andere Faktoren wie die zunehmende Trockenheit und das immer wärmer werdende Wasser das Wachstum behindern. Aber "es liegt auch an der geringen Durchgängigkeit der Jagst": An vielen Wehren hätten die Fische keine Möglichkeit, den Fluss hinauf zu schwimmen. Markus Hannemann berichtet von "Strukturmaßnahmen" aus dem Aktionsprogramm, die für die Jagst geplant seien, aber nur langsam realisiert würden: "Da mangelt es am Personal". Fischtreppen würden gebaut und Stellen geschaffen, an denen Fische laichen könnten.

Seit dem Brand seien zudem bei mehreren Aktionen Fische umgesetzt worden. Zum einen aus der Jagst im Kreis Heilbronn. Auch aus dem Kocher seien Nasen umgesetzt worden. "Da hatte die Fischforschungsstelle erstmal ein Veto eingelegt." Man habe nach dem Vorsorgeprinzip gehandelt, erklärt Bear. "Vergleichbare Daten aus anderen Ländern haben nahe gelegt, dass die Nasen aus der Jagst genetisch anders sind als die im Kocher, gerade wegen der geringen Durchgängigkeit." Eine Sequenzierung der Gene der Fische habe aber gezeigt: Sie unterscheiden sich nur sehr gering. Deswegen konnten Nasen aus dem Kocher in die Jagst gesetzt werden.

Brandursache bis heute unklar, Verdächtiger wurde freigesprochen

Eine Brandursache konnte bis heute nicht zweifelsfrei bestimmt werden. In einem Gerichtsprozess wurde ein Mann freigesprochen, der als Verursacher in Frage gekommen war. Doch am Ende plädierte selbst die Staatsanwaltschaft für einen Freispruch.

Etwa vier Millionen Euro haben die Maßnahmen für das Aktionsprogramm gekostet, sagt Schiffko, "diese wurden zum Großteil vom Land Baden-Württemberg bezahlt". Die Angler an der Jagst haben sich vor dem Landgericht Ellwangen mit dem Mühlenbesitzer und der Stadt Kirchberg als Vertreter der Feuerwehr auf einen Vergleich geeinigt. Sie hätten insgesamt etwas mehr als 200.000 Euro bekommen, so Hannemann. Das Land habe von der Versicherung des Mühlenbetreibers knapp eine Million Euro erhalten, erklärt Schiffko - und die Kreise Schwäbisch Hall, Hohenlohe und Heilbronn vom Land wiederum zusammen etwa zwei Millionen Euro.

Das geschah vor acht Jahren an der Jagst

In der Nacht vom 22. auf 23. August 2015 ging die Mühle in Lobenhausen, einem Ortsteil von Kirchberg im Kreis Schwäbisch Hall, lichterloh in Flammen auf. Das Löschwasser floss in die Jagst. In der Mühle war Ammoniumnitrat gelagert, das in den Fluss gespült wurde. Der Stoff reagierte in dem im Wasser gelösten Sauerstoff und entzog den Tieren die Lebensgrundlage. In den Tagen danach mussten tote Fische tonnenweise geborgen werden. Außerdem wurde das Wasser abgepumpt und zum Teil fontänenartig in die Jagst gespritzt, um es wieder mit Sauerstoff anzureichern. Der größte Schaden war im flussabwärts liegenden Hohenlohekreis so bereits abgewendet.

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