Freispruch für Angeklagten im Prozess um Fischsterben in der Jagst
Die Folgen des Feuers auf einem ehemaligen Mühlengelände an der Jagst waren dramatisch: Löschwasser vergiftete den Fluss, Zehntausende Fische verendeten. Am Donnerstag fällte das Gericht sein Urteil.
Im Prozess um fahrlässige Brandstiftung an einer Mühle nahe Kirchberg ist ein 25 Jahre alter Angeklagter am Donnerstag freigesprochen worden. Die zuständige Richterin sah keinen sicher nachweisbaren kausalen Zusammenhang zwischen dem Feuer und dem Ausbruch des Hallenbrandes, so dass eine andere Brandursache nicht ausgeschlossen werden konnte.
Das Feuer in der Lagerhalle auf dem Gelände einer früheren Mühle an der Jagst im August 2015 hatte dramatische Folgen: Löschwasser vergiftete in Verbindung mit Ammonium den Fluss, was wiederum zu einem massiven Fischsterben führte.
Dem damals 20-Jährigen wurde zur Last gelegt, durch das Verbrennen von Papier, Kartonagen und weiteren Materialien auf dem Mühlengelände den Brand der Lagerhalle fahrlässig verursacht zu haben.
Fischbestand hat sich bislang nicht erholt
Bis ins kleinste Detail haben die Behörden die Katastrophe aufgearbeitet. Ein umfangreiches Aktionsprogramm wurde aufgesetzt und bislang rund 3,5 Millionen investiert, um die ökologischen Schäden zu beheben. Insgesamt sind sogar 14 Millionen Euro veranschlagt. Aus Sicht des Umweltministeriums mit Erfolg: „Mittlerweile ist eine Vielzahl der Jagst-typischen Fischarten wieder zu finden“, teilte die Behörde zum Langenburger Prozessauftakt im Januar mit. Im Vergleich zum Zustand vor dem Unglück habe sich der Fischbestand aber noch nicht ausreichend erholt.
Rückblick: Jagstunglück schweißt den Hohenlohekreis zusammen
Im Sommer 2015 hält das Jagstunglück den Hohenlohekreis in Atem. Als in der Nacht auf den 23. August in einer Mühle in Kirchberg-Lobenhausen im Landkreis Schwäbisch Hall ein Großbrand ausbricht, ahnt niemand, dass der Feuerwehreinsatz zu einer der größten Flusskatastrophen in Deutschland führt.
Doch in der Mühle ist Industriedünger gelagert und mit dem Löschwasser strömt durch ein Leck im Rückhaltebecken mit Ammoniumnitrat verseuchtes Wasser in die Jagst. Die Konzentration von rund 200 Milliliter auf den Liter Wasser am Unglücksort ist für Fische absolut tödlich. Schon bei 0,5 Millilitern des chemischen Stoffes sind Fische und Kleinlebewesen gefährdet.
Im August 2015 brannte es in einem ehemaligen Mühlenbetrieb im hohenlohischen Kirchberg. Giftiges Löschwasser ist bei Löscharbeiten in die Jagst gelangt. Dieses Video zeigte erste Eindrücke vom Unglücksort.
Im Landkreis Schwäbisch Hall erkennt man den Ernst der Lage spät. Zudem ist der Fall einzigartig, es gibt es keine Pläne für eine derartige Katastrophe. Rund um die Lobenhauser Mühle sterben tonnenweise Fische. Erst am 25. August führen Feuerwehr und Technisches Hilfswerk (THW) in Langenburg-Bächlingen Sauerstoff und Frischwasser zu. Jagstwasser wird auf die Felder gepumpt. Erste tote Tiere tauchen am Wehr der Mosesmühle auf.
Inzwischen bereitet sich der Hohenlohekreis auf die Ammoniumwelle vor. In Mulfingen reichern Großpumpen der Feuerwehren und THW das Wasser mit Sauerstoff an. Die Fischereivereine fischen die Jagst ab, um Tiere vor der Giftfahne in Sicherheit zu bringen. Parallel dazu werden die Wehre, Flussarme und Biotope abgedichtet, um die wertvollen Lebensräume komplett zu retten.
Am 26. August gegen 9 Uhr erreicht die Giftfahne Mulfingen-Eberbach. Die Ammonium-Konzentration liegt immer noch bei rund 50 Milligramm pro Liter. Stunden später tauchen erste tote Fische auf, doch es sind deutlich weniger, als befürchtet. Entlang der Jagst sind die Gemeinden auf ihren Einsatz vorbereitet. Feuerwehren und THW-Helfer rücken mit schwerem Gerät an, Sandsäcke werden gestapelt und Fische gerettet. Längst ist ein Krisenstab eingerichtet, der die einzelnen Maßnahmen koordiniert.
Täglich sind rund 150 bis 250 Experten rund um die Uhr im Einsatz. Es gelingt, die Ammonium-Konzentration Schritt für Schritt zu senken. Mit der Öffnung des Mulfinger Stausees und des Rückhaltebeckens in Zaisenhausen sorgen 50.000 Kubikmeter Frischwasser für eine deutliche Verbesserung der Lage. Die Hoffnung wächst, dass die große Katastrophe ausbleibt, zumal die Fische gegenüber dem Ammonium deutlich resistenter reagieren, als erwartet.
Am 31. August gründet sich der Arbeitskreis Zukunft der Jagst im Hohenlohekreis, der die schnelle Renaturierung des Flusses im Blick hat. Das Land sichert zu, die Kosten für die Einsätze zu übernehmen.
In der Bevölkerung entsteht eine Welle der Hilfsbereitschaft. Der Optimismus wächst mit den sinkenden Ammoniumwerten. In Dörzbach werden nur noch rund 15 Milligramm gemessen, in Schöntal gelingt es, den Wert erstmals unter die 10 Milligramm-Grenze zu drücken. Als die Ammoniumfahne Anfang September den Hohenlohekreis bei Berlichingen verlässt, sind es weniger als acht Milligramm. Das befürchtete Fischsterben ist weitgehend ausgeblieben, die Jagst erholt sich schneller als erwartet.
Der Hohenlohekreis hat in den dramatischen Tagen im August gezeigt, was mit vereinten Kräften möglich ist.
Stimme.de