Hohenloher Nahverkehr rutscht tief ins Minus
Der Kreis muss ein historisches Defizit begleichen und kann das Busangebot aus eigener Kraft kaum erweitern. Die Lage bleibt brisant und zeigt beispielhaft, wie hochtrabende Pläne immer wieder scheitern, weil sie die kommunale Basis finanziell überfordern.

Viel ist in diesen Tagen die Rede davon, das Angebot im ÖPNV spürbar zu verbessern. Um im Zuge der Klimakrise die Verkehrswende einzuläuten. Dabei haben die hiesige Nahverkehrsgesellschaft NVH und der Hohenlohekreis gerade genug zu tun, um das bestehende System einigermaßen am Laufen zu halten.
Finanziell geht der NVH am Krückstock
Klar ist: Große Sprünge sind in den kommenden Jahren kaum drin, wenn nicht der Bund und das Land ihren Teil dazu beitragen. Denn finanziell geht der NVH am Krückstock, wie der Wirtschaftsplan für 2023 zeigt. Das prognostizierte Defizit fällt mit rund 8,3 Millionen Euro so hoch aus wie noch nie. Und der Kreis muss aus dem normalen Haushalt satte 6,6 Millionen Euro zuschießen: doppelt so viel wie 2022. Der Rest wird aus Rücklagen beglichen, die aber auch bald aufgebraucht sind. Bis 2026 sieht es nicht besser aus: Der Fehlbetrag des NVH wird bis dahin jeweils deutlich über acht Millionen Euro liegen.
Kommunale Ebene bleibt auf gestiegenen Kosten sitzen
In diesem Jahr hat der Bund noch einmal den Corona-Rettungsschirm aufgespannt. 2023 ist dies nicht mehr der Fall. Das heißt: NVH und Kreis bleiben auf den enorm gestiegenen Dieselkosten und geplanten Tariferhöhungen beim Personal erstmal sitzen. Und bekommen in Zukunft rund zwei Millionen Euro weniger von den Fahrgeldeinnahmen aus dem regionalen Tarifverbund HNV. Die Anteile werden jetzt nach der tatsächlichen Nachfrage abgerechnet und nicht mehr nach einem fixen Schlüssel, der seit dem Beitritt des NVH zum HNV im Jahr 2005 galt und die damaligen Erlöse sichern sollte.
Zwar hat der Kreis 2019 eine Million Euro gut gemacht, weil er die lokalen Busverkehre für die nächste Dekade recht gewinnbringend vergeben hat. Und er bekommt seit 2021 grundsätzlich mehr Geld vom Land für den ÖPNV. Diese zusätzlichen Mittel wiegen die exorbitanten Ausgabensteigerungen aber in keinem Fall auf.
Normaler Kreishaushalt wird durch NVH-Misere enorm belastet
Der Hohenlohekreis ist als sogenannter "Aufgabenträger" verpflichtet, den Öffentlichen Personennahverkehr zu sichern. Und dem Leistungserbringer NVH, der ein Eigenbetrieb auf GmbH-Basis ist, die Betriebsdefizite auszugleichen. Das wird den normalen Kreishaushalt noch mehr belasten, der 2023 seinerseits im Ergebnis ein Rekorddefizit von 11,5 Millionen Euro einfährt und dessen Investitionsvolumen auf fünf Prozent geschrumpft ist. Immer mehr Pflichtaufgaben drohen den Kreis zu erdrücken: der Nahverkehr ist eine davon.
Das kann der NVH verbessern
Dabei ist der NVH keinesfalls untätig. 2022 hat er begonnen, Haltestellen und Busse mit neuen Bildschirmen und Bordrechnern umzurüsten. Das wird nun fortgeführt und kostet 1,7 Millionen Euro, die Hälfte bezahlt das Land, eine weitere Förderung über 500.000 Euro könnte folgen. Dazu startet am 1. Januar 2023 das Rufbus-System im Raum Bretzfeld und Öhringen, das zunächst testweise läuft und jährlich 200.000 Euro kostet. Würde es flächendeckend im gesamten Kreis eingeführt, wären zwischen 895.000 und 1,3 Millionen Euro fällig.
Damit ist der NVH überfordert
Dann wird die Luft immer dünner. Bereits zweimal im Kreistag gescheitert ist die Aufhebung der Betriebsruhe zwischen 8.30 und 11.30 Uhr. Das würde jährlich 500.000 Euro mehr kosten. Während dieser Zeit stehen die Busse still, es ist ein Relikt des Sparprogramms von 2010. "Die Betriebsruhe muss weg, wenn wir ein Mobilitätsanbieter sein wollen und nicht nur ein Schüler-Carrier", fordert Landrat Matthias Neth.
Rund 80 Prozent der Busverbindungen sind Schülertransporte. Doch der NVH ist gewillt, das Angebot vormittags auszuweiten, damit mehr Bürger per Bus zum Einkaufen oder Arzt fahren können. Auf den meisten Nebenstrecken ist die Taktung schlecht. Fern der wenigen Hauptlinien, die unter der Woche fast durchgängig einen Stundentakt haben, gibt es also noch viel zu tun.
Warum die Mobilitätsgarantie mit Busverkehren illusorisch ist
Bis 2026 will das Land die Mobilitätsgarantie auf den Weg gebracht haben. Alle Orte sollen zwischen 5 und 24 Uhr im Halbstundentakt angefahren werden. Neth sagt: Die Idee sei gut, aber nicht finanzierbar. Zumindest nicht von kommunaler Seite. Dies würde den Kreis pro Jahr vier bis fünf Millionen Euro zusätzlich kosten. Und den Haushalt damit vollends zerreißen. "Es ist illusorisch, wenn wir glauben, dass es mit Bussen laufen kann."
Realistischere Konzepte seien gefragt, um die Einwohner kleinerer Orte zu zentralen Knotenpunkten zu bringen, an denen Busse verlässlich halten. "Das kann auch ein Ruftaxi oder ein E-Bike sein." Oder eben doch das eigene Auto, das dort geparkt werden kann. Offenbar hat auch die Landesregierung begriffen, dass die im Koalitionsvertrag fixierte Mobilitätsgarantie viel zu hoch gegriffen war. 2023 und 2024 gibt es dafür kein Geld im Etat, weil auch das 49-Euro-Ticket mitfinanzieren werden muss.
Mobilitätspass ist für den Hohenlohekreis ganz weit weg
Und der Mobilitätspass, mit dem Kreise Autofahrer zur Kasse bitten können, um Verbesserungen im ÖPNV zu bezahlen? "Der ist für uns ganz weit weg", sagt Neth. Er sei nur das "Sahnehäubchen", wenn es vielleicht irgendwann gelungen ist, all die anderen Angebote zu etablieren - und auch nicht dazu da, die Mobilitätsgarantie zu finanzieren.
Das 49-Euro-Ticket ist für den Landrat eine Milchmädchenrechnung
Erst das Angebot verbessern, dann die Fahrpreise senken: Das ist die Haltung von Landrat Matthias Neth zum 49-Euro-Ticket: "Das kann man als One-Hit-Wonder tun und sagen, das wird ein cooler Sommer." Bislang haben Bund und Land das Paket nur für 2023 geschnürt. Langfristig sei es nicht finanzierbar, wenn sie das Einnahmedelta der kommunalen Verkehrsverbünde nicht dauerhaft ausgleichen. "Eigentlich hätten wir unsere Tarife um 10 bis 13 Prozent erhöhen müssen, jetzt gehen wir deutlich darunter." Das kostet die Kreise zusätzlich.
Und: Mit dem 49-Euro-Ticket wird das Tarifsystem des Heilbronner-Hohenloher-Haller-Verbunds ausgehebelt, weil der Fixpreis weit unter den gängigen HNV-Abonnements liegt und der Betrieb damit unterfinanziert ist. Bund und Land müssen einspringen, damit die Strukturen gehalten und die steigenden Kosten bezahlt werden können. Ob es reicht, wird sich zeigen. Um das Angebot zu erweitern, seien noch mehr Mittel nötig. "Sonst müssten wir es ausdünnen und Strecken abbestellen", so Neth. "Dann müssen wir den Bürgern erklären, warum es ein billiges Ticket, aber weniger Buslinien gibt."