Bauernproteste: Gefrustete Landwirte legen in Hohenlohe den Verkehr lahm
Mit Kundgebungen und einer Rundfahrt tragen die Landwirte am Montagmorgen ihren Protest auf die Straße. Zahlreiche Traktoren sorgen für erhebliche Verkehrsbehinderungen.

Der Parkplatz beim Elektromarkt Euronics in Öhringen verwandelt sich am Montagmorgen um 5.45 Uhr in ein orangefarbenes Lichtermeer. Dutzende Landwirte haben sich dort versammelt und lassen die Warnblinker ihrer Traktoren aufleuchten. Auch sie wollen sich an den bundesweiten Aktionen beteiligen. Mit ihrem Protestzug, der nicht nur in Öhringen zu massiven Verkehrsbehinderungen führen wird, wollen die Bauern ihren Ärger über die Sparpläne der Bundesregierung auf die Straße bringen.
"Vermeintliche Hauptaufgabe eines landwirtschaftlichen Betriebsleiters scheint mittlerweile, auf dem aktuellen Stand des Gesetzes zu sein. Danach kommt die Arbeit", klagt beispielsweise der Kupferzeller Landwirt Joachim Deitigsmann. "Die Anzahl bäuerlicher Familienbetriebe hat sich seit 1990 um über 60 Prozent reduziert und die Abwärtsspirale sich dynamisiert", sagt Deitigsmann. "Anstatt Perspektiven aufzuzeigen, werden beinahe täglich neue Ideen präsentiert." Der Landwirt weiter: "Die Erzeugerpreise bleiben niedrig, die Herstellungskosten explodieren. Und die Subventionen? Die werden Zug um Zug gekürzt oder gestrichen."
Auch Trittbrettfahrer beteiligen sich am Protest
Diese und ähnliche Sorgen treiben gestern zahlreiche Landwirte auf die Straßen: Um Punkt 6 Uhr rollt in Öhringen der Tross aus rund 50 Traktoren los. Im Lauf des Vormittags fahren sie hupend die Westallee entlang und manövrieren dort ihre tonnenschweren Fahrzeuge über die Straßen. Vor allem im morgendlichen Berufsverkehr erzeugen sie so erhebliche Verzögerungen und Staus in vielen Teilen des Stadtgebiets. An manchen Ecken kommt der Verkehr gänzlich zum Erliegen. Auch, weil sich mancherorts Protest-Trittbrettfahrer - Speditionen und andere Firmen - den Bauern angeschlossen und ihre Lastwagen positioniert haben.

Nicht nur in Öhringen: Die Landwirte sind auf vielen größeren Straßen im Hohenlohekreis unterwegs. Die Abfahrten von der A6 bei Neuenstein können am Morgen in beiden Fahrtrichtungen nicht genutzt werden. "Die Anschlussstelle ist gesperrt, damit es keine Rückstaus auf die Autobahn gibt", so Daniel Fessler, Sprecher des Polizeipräsidiums. Der Verkehr auf der L1051, auf welche die A6-Ausfahrten münden, wird durch die Landwirte bis auf Schneckentempo heruntergebremst.
Ein weiterer Protestzug startet kurz hinter der Kreisgrenze: im Untermünkheimer Teilort Übrigshausen bei der Geschäftsstelle des Bauernverbands Schwäbisch Hall-Hohenlohe-Rems. Gut 50 Menschen versammeln sich hier um 7.30 Uhr für die kurze Kundgebung zum Auftakt der Demonstration. Die meisten tragen Jacken in leuchtenden Signalfarben. Ein Mann vom Maschinenring verteilt unterdessen Proviant für die demonstrierenden Bäuerinnen und Bauern.
Bauernverband: "Werden überproportional beansprucht"
Unter ihnen ist auch Jens Reger: Er besitze zwei Betriebe, einen in Übrigshausen, einen in Kupferzell, mit insgesamt 120 Hektar Land, erzählt er. Knapp 10 000 Euro müsse er mehr bezahlen, wenn - wie es von der Bundesregierung ursprünglich beabsichtigt gewesen war - die Subventionen für Agrardiesel gestrichen und die Steuerbefreiung für die Fahrzeuge auf einen Schlag aufgehoben würden, sagt Reger. Zudem seien die Auflagen ein Problem: "Von Jahr zu Jahr kommt mehr dazu. Das hat jetzt das Fass zum Überlaufen gebracht." Höhere Standards in der Tierhaltung nennt er als Beispiel. "Das kann man irgendwann nicht mehr kompensieren." Deswegen fahren seine Frau und er gleich mit zwei Traktoren in der Kolonne mit.

Jürgen Maurer, Vorsitzender des hiesigen Bauernverbands, ergreift das Mikrofon: "Bitte bleibt sauber, bleibt fair, macht Rettungsgassen sofort frei, damit die Einsätze durchgeführt werden können!", ruft er den Landwirten zu. Das gelte auch für Pflegedienste und Milchlaster. "Nur so können wir Verständnis schaffen." Dass die Landwirte auf jenes zählen können, davon ist Maurer jedenfalls überzeugt. Einsparungen werde es bei allen Berufsgruppen geben müssen, ist er sich sicher. "Aber wir werden hier überproportional beansprucht."
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