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"Habe keine Angst mehr": Zwei schwule katholische Seelsorger im Interview

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Es ist ein Tabu, das erst ganz langsam öffentlich gebrochen wird: Zwei homosexuelle Seelsorger der katholischen Kirche in Hohenlohe sprechen über sich, ihre Situation und die Sehnsucht nach einer liberaleren Kirche.

von Christian Nick
Einfach nur so leben, wie Gott sie schuf − und ihre Liebe vor den Menschen und dem Arbeitgeber bekennen dürfen: Das ist der Wunsch, den queere Mitarbeiter der katholischen Kirche haben. Doch die Hemmnisse ob der antiquierten Strukturen und Einstellungen sind noch groß. Nur wenige haben den Mut zum Outing.
Einfach nur so leben, wie Gott sie schuf − und ihre Liebe vor den Menschen und dem Arbeitgeber bekennen dürfen: Das ist der Wunsch, den queere Mitarbeiter der katholischen Kirche haben. Doch die Hemmnisse ob der antiquierten Strukturen und Einstellungen sind noch groß. Nur wenige haben den Mut zum Outing.  Foto: Archiv/Reichel

Es sind Menschen mit sexuellen Orientierungen, die laut offizieller Doktrin des Vatikans keinen Platz in der Kirche haben - aber sie sind da: Im Interview outet sich der Künzelsauer Jugendseelsorger Gerold Traub erstmals öffentlich als schwul. Gemeinsam mit einem weiteren homosexuellen Seelsorger aus Hohenlohe, der anonym bleiben möchte, spricht er über ein Leben mit der Angst vor Jobverlust, Liebe trotz Hindernissen und über die Hoffnung auf eine liberalere Kirche.

 

Herr Traub, Sie haben sich entschlossen, mit uns zu sprechen: Wie groß ist der Schritt, den Sie damit gehen?

Gerold Traub: Ich hatte heute Nacht schon etwas Bauschmerzen und habe nochmals überlegt. Aber ich bin vor wenigen Tagen schon vor eine meiner Klassen getreten, die ich als Religionslehrer unterrichte, und habe es dort gesagt.

 


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Wie haben die Schüler reagiert?

Traub: Eigentlich total toll! Ich habe es aber nur mit den etwas älteren Schülern thematisiert. Es gab ein, zwei Nachfragen - und auch die Frage, ob ich nicht fürchte, jetzt von einigen dumm angemacht zu werden.

 

Hatten Sie auch Bauchschmerzen vor unserem Gespräch, Herr Schmitt?

Peter Schmitt * : Die Entscheidung fürs Interview ist mir leichtgefallen: In meinem engeren beruflichen Umfeld weiß eh jeder darüber Bescheid. Wenn ich es dort niemandem hätte sagen können, wollte ich auch nicht dort arbeiten.

 

Trotzdem wollen Sie nicht, dass Ihr richtiger Name genannt wird...

Schmitt: Ich frage ja auch nicht jeden anderen, wie es um seine Sexualität steht. Ich bin ein Mensch, der liebt - wie alle anderen auch. Aber es gibt eben nicht nur diese Tendenzen von der Amtskirche her, sondern auch sehr wertkonservative Christen, die das nicht so entspannt sehen.

 

Mit welchen Gefühlen haben Sie all die Jahre gelebt? Kann man dabei von einem Doppelleben sprechen?

Schmitt: Ich habe nicht unbedingt das Gefühl, dass ich ein Doppelleben führen musste: Ich bin seit 17 Jahren in einer Fernbeziehung, sehe meinen Freund daher auch nicht so oft. Aber ich wünsche mir schon manchmal, einfach mal öffentlich Hand in Hand zu gehen. Das mache ich fast nur, wenn ich woanders bin. Mittlerweile sehe ich das jedoch gelassener: Wenn mich jemand sieht, dann wäre es halt so. Aber ich würde mir sehr wünschen, meinen Freund irgendwann auch kirchlich heiraten zu können und meine Beziehung vor den Menschen und vor Gott zu bekennen.

Traub: Meine größte Angst war immer, dass meine Sexualität als Vorwand verwendet werden könnte, um mir zu schaden. Mit meinem Ex-Freund war ich aber auch gemeinsam beim Künzelsauer Stadtfest.

 


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Sie schildern das recht locker. Aber so eine Situation erzeugt doch Leidensdruck, oder nicht?

Traub: Durchaus. Ich war früher in anderen Gemeinden tätig und zu der Zeit auch in besagter Beziehung. Und da hatte ich schon immer wieder Sorgen. Viel schlimmer, als direkt angesprochen zu werden, ist ja, dass die Leute immer spekulieren: Mit wem ist er unterwegs? Wen hat er da dabei? Mir hat auch immer Angst gemacht: Welche Konsequenzen hat das für mich? Werde ich eventuell gekündigt? Ich war immer in zwei Welten unterwegs. Das aber auch, weil mein Partner mit der Kirche so gar nichts am Hut hatte. Früher habe ich mich aber manchmal noch bei direkten Fragen verleugnet. Heute habe ich keine Angst mehr vor der Institution Kirche.

Kurz vor unserem Gespräch haben Sie auch dem Dekan von Ihrer sexuellen Orientierung erzählt...

Traub: Ja. Er hat ganz cool reagiert (lacht).

 

Das heißt, Sie beide müssen nicht mehr fürchten, gekündigt zu werden?

Schmitt: Wir haben mehr oder weniger die Zusicherung von der Kirchenleitung. Auf Ebene der Diözese wurde, so haben wir gehört, im Zuge des Films "Wie Gott uns schuf" - wo sich ja deutschlandweit 100 Kirchenmitarbeiter geoutet haben - darüber gesprochen. Die Kirche hat auch wirklich andere und wichtigere Probleme. Ich denke, sie kann es sich nicht leisten, jetzt so viele Menschen auf die Straße zu setzen. Und: Wir alle tun unseren Dienst aus Freude und Liebe zu Gott und den Menschen und lassen uns nichts zuschulden kommen.

 

Kennen Sie im hiesigen Bereich noch andere queere Kirchenleute?

Beide: Ja, wir wissen es von einigen. Wir haben auch jemanden kennengelernt, der transsexuell ist.

 

Wenn Sie innerhalb der Kirche von Ihrer Sexualität berichtet haben: Mit welchen Reaktionen waren Sie dort konfrontiert? Gab es Ablehnung?

Er will Schluss machen mit Versteckspiel und Tuschelei: Der Künzelsauer Jugendseelsorger Gerold Traub sagt nun offen: "Ich bin schwul."
Er will Schluss machen mit Versteckspiel und Tuschelei: Der Künzelsauer Jugendseelsorger Gerold Traub sagt nun offen: "Ich bin schwul."  Foto: Archiv/Draskovits

Traub: Richtig offene Ablehnung habe ich eigentlich nicht erfahren. Einmal aber hat mir eine ältere Dame, lange nachdem ich ihr davon erzählt hatte, gesagt, dass es für sie eine echte "Herausforderung" gewesen sei, damit umzugehen. Aber da kann man ja miteinander reden. Denn Randgruppen existieren nicht mehr, wenn man in Beziehung geht.

Schmitt: Man braucht schon Fingerspitzengefühl dafür, mit wem man darüber reden kann. Es hilft, dass wir beide keine Paradiesvögel sind, die dauernd geschminkt und grell auftreten. Da würde sich manch einer schwerer tun. Aber es gibt eben Menschen, die queer sind: Und uns würde sehr freuen, wenn auch Kirchengemeinden - über ihre Rolle als Arbeitgeber hinaus - versuchen würden, diese Menschen willkommen zu heißen. Denn auch sie haben eine große Sehnsucht danach, Gott nahe zu sein. Sondergottesdienste sind zwar schön, aber noch schöner wäre, wenn es im ganz normalen Gemeindeleben sein darf.

 

Glauben Sie wirklich, dass es der katholischen Kirche gelingt, sich für Pluralität und sexuelle Vielfalt zu öffnen?

Traub: Ich glaube schon, dass die Kirche in Deutschland auf einem ganz guten Weg ist. Ob das aber die Krise der Kirche insgesamt beendet, weiß ich nicht: Denn die Krise der katholischen Kirche ist in Mitteleuropa eher eine Glaubenskrise als eine strukturelle Krise.

Schmitt: Ich glaube, wir können diesbezüglich einen deutschen Sonderweg gehen. Die Weltkirche ist noch nicht so weit.

Traub: Da will ich widersprechen! Denn: Wer ist denn die Weltkirche? Ist es die Ordensschwester, die in Indonesien Aids-Patienten betreut - oder sind es doch ein paar Wenige, die unter dem Vorwand der Einheit keine Entwicklung und Kommunikation wollen?

* Name von der Redaktion geändert

 
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