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Waldenburger Kinderdorf-Leiter: "Eine böse Überraschung gab es noch nicht"

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Seit einem Jahr ist Arne Höller Chef im Waldenburger Albert-Schweitzer-Kinderdorf. Im Stimme-Gespräch zieht er ein erstes Fazit und blickt auf die großen Herausforderungen, vor denen er und seine Einrichtung stehen.

von Christian Nick
Den Kindern ein Partner sein und gemeinsam nicht nur Schneemänner, sondern auch eine gute Zukunft bauen: Das ist das Ziel von Arne Höller. Der Kinderdorf-Leiter, der Anfang 2021 übernommen hat, steht durchaus vor Herausforderungen.
Foto: privat
Den Kindern ein Partner sein und gemeinsam nicht nur Schneemänner, sondern auch eine gute Zukunft bauen: Das ist das Ziel von Arne Höller. Der Kinderdorf-Leiter, der Anfang 2021 übernommen hat, steht durchaus vor Herausforderungen. Foto: privat  Foto: privat

Anfang 2021 hat er den Job vom langjährigen Pädagogischen Leiter Heinrich Schüz übernommen. Im HZ-Gespräch wagt der neue Chef im Waldenburger Albert-Schweitzer-Kinderdorf eine erste Bilanz seiner Arbeit - und einen Blick auf die großen Herausforderungen der Zukunft, die vor ihm liegen.

 

Herr Höller, seit Januar 2021 sind Sie jetzt dabei: Was hat Sie im ersten Jahr ihrer Arbeit am meisten überrascht?

Arne Höller: Die unkomplizierte und sehr wertschätzende Kommunikation der Träger untereinander und dem Jugendamt gegenüber. Das kenne ich so von meiner vorherigen Tätigkeit nicht. Hier ist alles sehr produktiv und niedrigschwellig. Eine böse Überraschung gab es noch nicht (lacht).

 

Wo konnten Sie schon Akzente setzen?

Höller: Ich habe ein Handlungsfeld erkannt - die Betreuungslücke zwischen dem Auszug aus einer Kinderdorffamilie und dem eigenständigen Leben zu schließen. Da fehlt ein Zwischenschritt. Wir stellen uns eine Zweier- oder Dreier-Wohngemeinschaft vor, die etwas umfangreicher begleitet wird als das einzeln betreute Wohnen, das wir bereits anbieten. Der Unterschied zwischen Vollzeit-Betreuung in der Kinderdorf-Familie und der Alleinverantwortung für eine Wohnung ist oft zu krass. Das merken wir immer wieder.

 


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Ein großes Problem im Kinderdorf ist die Personalgewinnung...

Höller: Ja, uns fehlen pädagogische Fachkräfte und Kinderdorf-Eltern. Zwei Wege müssen dort aus meiner Sicht gegangen werden: Personal zu finden - dazu sind wir nun verstärkt in Sozialen Netzwerken wie Facebook und Instagram aktiv, um für Interessenten sichtbar zu sein. Das Wichtigere ist jedoch, dafür zu sorgen, so attraktiv als Arbeitgeber zu sein, dass unser vorhandenes Personal sich wohlfühlt und bleibt - und vielleicht über Mundpropaganda Werbung für uns gemacht wird.

Was müssen beispielsweise Kinderdorf-Eltern denn mitbringen?

Höller: Eine pädagogische Ausbildung, ein stabiles eigenes Familien-Setting - und eine unserer Mütter hat mal gesagt, man brauche Nerven wie breite Bandnudeln (lacht).

 

Was sehen Sie als größte Herausforderung Ihrer Institution in der Zukunft?

Höller: Mein zentrales Anliegen ist, das Kinderdorf-Konzept überhaupt am Leben halten zu können. Das ist Herausforderung genug.

 

Inwiefern ist dieses Konzept bedroht?

Höller: Nun, da sind einerseits die besagten Schwierigkeiten bei der Suche nach Personal. Und: Auch die Herausforderungen und Problemstellungen der Kinder, die zu uns kommen, nehmen stetig zu.

 


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Ein Thema beherrscht uns alle - und sicherlich auch wieder in besonderem Maße das Leben im Kinderdorf: Inwieweit beeinflusst die Pandemie gegenwärtig das Leben dort?

Höller: Wir haben momentan das Problem, dass wir wieder mehr Corona-Fälle haben. Und auch das Personal wird stark herausgefordert. Es gibt wieder Quarantäne-Anordnungen für Kinder und Mitarbeitende. Das erfordert immer eine Kompensation: entweder weil Personal ausfällt - oder weil die Kinder nicht mehr zur Schule gehen. Da müssen wir nun auch schauen, dass wir vormittags Personal da haben. Das ist bei uns ja regulär in manchen Altersgruppen während der Schulzeit gar nicht vorgesehen.

 

Was tun Sie konkret für den Infektionsschutz im Haus?

Höller: Wir verfahren nach dem Prinzip: Testen, testen, testen! Die Kinder und Jugendlichen werden - neben der Schule - von uns in Ferienzeiten und nach Besuchen der Herkunftsfamilie dreimal die Woche getestet. Auch für die ungeimpften Mitarbeitenden, die ja eigentlich selbst für ihre Testung sorgen müssten, stellen wir als Arbeitgeber täglich Schnelltests zur Verfügung. Selbst die Geimpften werden vor größeren Besprechungen getestet. Aktuell haben wir eine Impfquote von 82 Prozent.

 

Wie wird wohl das zweite Weihnachtsfest unter Pandemie-Bedingungen im Kinderdorf verlaufen?

Höller: Es wird möglich sein, dass die Kids ihre Familie außerhalb besuchen können. Und diejenigen, die im Kinderdorf bleiben, sollen mit uns eine möglichst unbeschwerte Weihnachtsfeier erleben. Mit Abstand und Testen - aber so viel Normalität wie möglich. Das ist ganz wichtig für die Kinder.

 

Ziemlich zeitgleich mit dem Führungswechsel an der Spitze hat das Kinderdorf auch ein aufsuchendes Beratungsangebot etabliert: Eine Sozialpädagogin hilft Frauen, die Gewalt in der Beziehung erleben.

Höller: Genau. Das erste Fazit dieser Arbeit ist zu 100 Prozent positiv. Die Nachfrage ist stark - und alle Kooperationspartner wie Polizei und Beratungsstellen haben die Arbeit sehr positiv aufgenommen. Unser Ziel ist nun, die Stelle zu verstetigen: Aus der temporären Förderung soll eine permanente werden.

 

Länger dauern wird auch Ihr Ausflug in die Politik: Denn als Nachfolger von Heinrich Schüz sind Sie nun auch in den Jugendhilfe-Ausschuss des hiesigen Kreistags eingezogen. Bleibt da noch Zeit fürs Privatleben?

Höller: Der Jugendhilfe-Ausschuss ist das zentrale Gremium für die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe-Arbeit im Hohenlohekreis. Und da ist es für uns als relevanter Träger in diesem Bereich natürlich wichtig, mitgestalten zu können. Zeit fürs Privatleben bleibt noch - aber ich freue mich demnächst auch auf den Urlaub (lacht.)

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