Hochwasser von 2016: Der schiefe Turm von Künzelsau
Im Alten Rathaus der Stadt Künzelsau ist heute dennoch alles im Lot. Vor fünf Jahren hinterließ das Unwetter mit Hochwasser am 29. Mai im Erdgeschoss große Schäden. Die Stadt investierte 1,3 Millionen Euro in die Sanierung.
2022 feiert Künzelsaus Altes Rathaus seinen 500. Geburtstag. Doch schon in diesen Tagen stand und steht das geschichtsträchtige Gebäude mehrfach im Fokus. Das schlimme Unwetter am 29. Mai 2016, vor genau fünf Jahren, hinterließ im Erdgeschoss große Wasserschäden. Mit der notwendigen Sanierung im Anschluss, gut 1,3 Millionen Euro teuer, wurde unter anderem die Stadtbücherei vergrößert und der barrierefreie Zugang zu allen Stockwerken durch den Einbau eines Lifts ermöglicht.
Turm war schon immer leicht geneigt
Thema war das Alte Rathaus auch vor Kurzem im Gemeinderat. "Der Rathausturm kippt meines Erachtens in Richtung Süden", meinte Herbert Schneider im Rahmen der Anfragen des Gremiums. "Das müsste man mal untersuchen." Der schiefe Turm von Künzelsau? Ist etwa Gefahr im Verzug? Erhard Demuth, Gemeinderat und als Architekt für die Sanierung verantwortlich, konnte unmittelbar Entwarnung geben. "Der Rathausturm ist schon immer leicht nach Süden und Westen gehangen", erläuterte er, das sehe man auch auf alten Bildern.

Eine mögliche Erklärung sei, dass die Decke des alten Ratssaals und heutigen Trauzimmers etwas "durchhänge" und sich deshalb der Turm automatisch mit zur Seite neige. Man sei schon öfter oben gewesen, aber der bauliche Zustand keineswegs "so marode", dass bald "etwas zusammenzubrechen" drohe, so Demuth. Er bot aber an, erneut mit einem Holzfachmann nach oben zu gehen. "Es gibt keinerlei Risse oder irgendetwas", bestätigte Cornelius Eisert, der Leiter des städtischen Fachbereichs Hochbau, Stadtplanung und Gebäudemanagement, nach dieser Begehung. "Der Turm ist schon seit jeher in Schrägstellung", sagt auch er. Also: Im Alten Rathaus ist, bildlich gesprochen, alles im Lot.
Rundgang durchs Gebäude
Eisert und Elke Sturm, Leiterin der Pressestelle, haben sich dieser Tage Zeit für einen Rundgang mit der Hohenloher Zeitung durchs Gebäude genommen. "Das Hochwasser stand ungefähr 75 bis 80 Zentimeter hoch im Gebäude", erläutert Eisert. "Da musste innen einiges gemacht werden." Die Frage, welche Fördermittel genehmigt würden, habe die Arbeiten anfangs etwas verzögert, erinnert sich Elke Sturm. Schließlich gab es für die 1,3 Millionen-Investition aus einem Bundesprogramm 410.000 Euro, die Albert Berner-Stiftung förderte die Stadtbücherei mit 100.000 Euro und über eine Spendenaktion kamen mehr als 65.000 Euro zusammen.

Aus 500 Jahren Altes Rathaus konnten die Spender sich einzelne Jahre kaufen - Firmen wählten beispielsweise ihr Gründungsjahr - und dafür mindestens 20 Euro, gerne aber mehr spenden und einen Text hinterlegen. Die Spendentafel wird auf einer Stele Platz finden, die derzeit noch fehlt, aber dann an der unteren Ecke des Gebäudes aufgestellt werden soll. Im Dezember 2019 war die Sanierung mit der offiziellen Einweihung des Hauses abgeschlossen worden.
Im Zuge der Sanierung auch Neugestaltung
Sichtbare Änderung am Eingang: Es wurden wie an einigen anderen Gebäuden in der Innenstadt auch Hochwasserklappen nachgerüstet, um eine Wiederholung des Unglücks zu vermeiden. Im Inneren ist aus dem ehemaligen Sitzungssaal unter dem Dach das schmucke Trauzimmer geworden. Zwei Bürgerräume können für Treffen von Vereinen, Organisationen oder Initiativen genutzt werden. Und vor allem hat die Stadtbücherei deutlich mehr Platz als früher bekommen: in großzügig gestalteten, schön hellen und einheitlich möblierten Räumen. Im Erdgeschoss ist der Empfangsbereich zu finden, eine Jugend- und Kinderecke bietet das erste Obergeschoss. Der Bestand wurde seither kontinuierlich erweitert: Heute stehen insgesamt 25880 Medien zur Verfügung, zudem zahlreiche weitere in digitaler Form über die Onleihe.

Und auch sonst wurde vieles getan, das sich dem Besucher erst auf den zweiten Blick oder vielleicht auch gar nicht zeigt. Dazu gehören der Technikraum im Erdgeschoss oder die Ertüchtigung des Brandschutzes. Anderes ist noch wie schon lange vor dem Unwetter und der Sanierung. "Man sieht ja, dass auch die Wände schräg sind", sagt Cornelius Eisert noch einmal mit Bezug auf den schiefen Turm beim Gang durchs oberste Geschoss. "Das ist halt bei alten Gebäuden so."