Bürokratie lässt Zahnärzte verzweifeln
Wer eine Zahnarzt-Praxis übernehmen will, muss viele bürokratische Hürden überwinden. Das schreckt vor allem junge Mediziner ab, auf das Land zu gehen. In Teilen des Hohenlohekreises sorgt das für Probleme.

"Am meisten Spaß macht es mir, wenn ich Menschen von Schmerzen befreien kann. Das ist der Lohn, mit dem man mich bezahlen kann", sagt Nicole Dörr. Die 33-jährige Zahnärztin ist ein Glücksfall für das Jagsttal. 2012 hat sich die gebürtige Mulfingerin in Dörzbach niedergelassen und betreut auch Bürger aus Assamstadt, Schöntal und Ingelfingen. Der Andrang ist groß. In manchen Quartalen behandelt sie 1200 Patienten, der Durchschnitt liegt bei 511.
Keinen Spaß macht es Nicole Dörr dagegen, die rasant zunehmenden bürokratischen Vorschriften zu erfüllen. Die gehen so weit, dass es eine Handlungsanweisung gibt, wie das Kästchen mit genutzten Instrumenten vom Behandlungsraum zum Desinfizieren zu tragen ist.
Wer keinen Bestandsschutz hat, hat ein Problem
Diese Form der Bürokratie ist teuer und kostet viel Zeit. Während ältere Praxen oft einen Bestandsschutz gegenüber der neuen Gesetzgebung haben, musste Nicole Dörr neue Geräte anschaffen, als sie ihre Praxis vom Vorgänger Hermann Kern übernahm. "Ich versuche alle Richtlinien umzusetzen, auch wenn ich den Sinn nicht verstehe, aber das sind enorme Zusatzbelastungen", betont sie. "Es gibt EU-Richtlinien, die Deutschland besonders gut umsetzt. Das, was wir damit an Bürokratie aufbauen, haben Sie weder in Spanien noch in Frankreich", drückt sich Ute Maier, Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung in ihrer Kritik noch diplomatisch aus. Sie fordert von der Politik einen deutlichen Bürokratieabbau.
"Es ist nicht das Geld, das verhindert, dass die Leute aufs Land kommen, sondern diese wahnsinnigen Rahmenbedingungen", schlägt Holger Gerlach, Vorsitzender der Kreiszahnärzteschaft im Hohenlohekreis in dieselbe Kerbe. Vor allem kleine Kliniken seien mit den Richtlinien häufig überfordert. Das Stadt-Land-Gefälle benachteiligt den ländlichen Raum zusätzlich, da hier in der Regel weniger Privatpatienten leben.
Versorgung ist nur im Durchschnitt "gut"
Trotzdem gilt die zahnärztliche Versorgung im Hohenlohekreis als gut. Doch es gibt große Unterschiede. Während die Stadt Öhringen mit 120 Prozent "überversorgt" ist, liegt die Versorgung in Künzelsau nur bei 75 Prozent. In Schöntal gibt es seit drei Jahren keinen Zahnarzt mehr. Und die praktizierenden Zahnärzte sind in einigen Gemeinden im Kreis überaltert.
Junge Nachfolger zieht es dagegen kaum aufs Land. "Nimmt man diese Entwicklung hin, bekommt man in den Mittelstädten große Praxen mit sehr guter Versorgung, aber dann verliert der ländliche Raum", fürchtet Landrat Matthias Neth. Hoffnungen auf einen Bürokratieabbau macht die Politik dagegen nicht. "Die Bürokratie ist ein Feld, die, wenn man zur Wurzel zurückgeht, grundsätzlich berechtigt ist", sagt der Landtagsabgeordnete Arnulf von Eyb ein wenig kryptisch. "Ich glaube nicht, dass man die Uhr zurückdrehen kann", erklärt Neth.
Nicole Dörr will sich trotzdem nicht entmutigen lassen. Derzeit macht sie eine Weiterbildung zum Thema Hypnose in der Praxis. "Das hilft wirklich bei Schmerzen und Ängsten", versichert sie. Gegen Bürokratismus scheint aber kein Kraut gewachsen zu sein.



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