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Bankfiliale in Ernsbach bald weg: Ein Ort läuft Sturm

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Wie ältere Kunden, ein Bäcker und eine Firmenchefin in dem Forchtenberger Teilort den Verantwortlichen der Volksbank Hohenlohe die Leviten lesen.

Bäckermeister Rainer Gundel vor der Volksbank-Filiale in der Sindringer Straße in Ernsbach. In der Hand hält er die Unterschriftenliste gegen die Schließung am 1. April 2020. Bis Freitagnachmittag haben 109 Menschen unterschrieben.
Foto: Ralf Reichert
Bäckermeister Rainer Gundel vor der Volksbank-Filiale in der Sindringer Straße in Ernsbach. In der Hand hält er die Unterschriftenliste gegen die Schließung am 1. April 2020. Bis Freitagnachmittag haben 109 Menschen unterschrieben. Foto: Ralf Reichert  Foto: Reichert, Ralf

Erst verschwand die Sparkasse, jetzt zieht sich die Volksbank zurück. Die Ernsbacher werden ab 1. April 2020 keine Bankfiliale mehr haben. Das stinkt vielen gewaltig. Der Unmut gegen die Verantwortlichen der Volksbank Hohenlohe ist groß. Am Beispiel Ernsbach lässt sich zeigen, wie konträr Interessen von Bankvorständen und vor allem älteren Kunden sind. Und wie ein Ort mit 1100 Einwohnern leidet, dessen Infrastruktur erstaunlich gut ist. Noch. Deshalb protestieren auch Geschäfte und Firmen. Sie wollen ihren Mitarbeitern ein attraktives Umfeld bieten, und dazu gehört für sie ganz einfach eine Bank. Online-Zeitalter hin oder her. Aber auch Touristen und Tagesgäste sollen dort weiter verlässlich Bargeld abheben können.

109 Menschen haben bereits unterschrieben

In der Bäckerei Gundel liegt eine Unterschriftenliste aus, 109 Menschen haben bis Freitagnachmittag unterschrieben. Statt der Geschäftsstelle, die montags und freitags ganztags und mittwochs halbtags geöffnet ist, soll ab April das Voba-Mobil anrollen - eine Mini-Filiale auf Rädern. Sie wird dienstags für eineinhalb und freitags für zwei Stunden offen sein. Doch damit geben sich die Kritiker nicht zufrieden. "Soll ich mich in den zwei Stunden etwa nach der Volksbank richten?", fragt Ursula Veinauer (59). "Ich bin berufstätig und kann nicht garantieren, dass ich dienstags um 16 Uhr hier bin." Online-Banking? "Das mache ich nicht, das ist mir zu unsicher. Außerdem fällt bei uns im Kirchweg oft das Netz aus." Und: "Ich zahle noch in bar, da behalte ich den Überblick." Die Bankfiliale ist ihr deshalb heilig. "Die Schließung geht mir gegen den Strich. Man muss doch auch an die ältere Bevölkerung denken, die nicht so mobil ist."

Voba-Mobil? Das ist nichts für mich!

"Voba-Mobil? Das nehme ich garantiert nicht in Anspruch", erklärt Christa Rupp (73). "Ich bin dann ganz schnell bei einer anderen Bank." Sie klingt dabei ziemlich leidenschaftslos - obwohl sie seit 1951 Volksbank-Kundin ist. Es gehe um Nähe, um kurze Wege, aber auch um den persönlichen Kontakt. "Wo bleibt das Wir-Gefühl, das die Volksbank immer bei ihren Mitglieder- und Kundenveranstaltungen in den Vordergrund stellt?", fragt Annerose Werthwein (72). Die Genobanken hätten auch eine Verpflichtung gegenüber ihren Mitgliedern. Und: "Die Alten und Behinderten werden total vergessen." Die Bankfiliale sei für viele eine "vertraute und bürgernahe Anlaufstelle". Auch die Volksbank Hohenlohe trage mit der Schließung dazu bei, "dass die Dörfer ausbluten" und aussterben.

"Jetzt hauen die auch noch ab"

Theresia Dachtler (81) bestätigt: "Das ist ganz schlecht für uns Ältere." Aber auch jüngere Kunden wie Andreas Anders (42) monieren: "Ich finde das schlecht." Er ist bei der Feuerwehr, und die sei zur Volksbank gewechselt, nachdem die Sparkasse ihre Filiale am 22. Januar 2016 dichtgemacht habe: "Und jetzt hauen die auch noch ab." Dem Voba-Mobil kann er nichts abgewinnen.

Rainer Gundel (57), dem Bäckerei-Besitzer, geht es vor allem ums Prinzip. Um die Verantwortung der Volksbank für das Leben und Arbeiten im ländlichen Raum. Um die älteren Menschen. Um die Geschäfte und Firmen vor Ort. Und damit auch um seinen Laden. Denn: "Viele zahlen ja noch bar." Und die Bankfiliale befindet sich direkt neben seiner Bäckerei. "Eine Geno-Bank muss anders ticken." Das heißt: "In der Fläche verwurzelt bleiben." In Sindringen gebe es nichts, in Ernsbach bald nur noch ein Voba-Mobil. Das sei zu wenig für den konsequent lokalen Anspruch einer Genossenschaftsbank. Man könne nicht allen Ernsbacher Kunden zumuten, in die nächste Filiale nach Forchtenberg zu fahren. Und überhaupt: "Die Frequenz in der Bank ist doch montags und vor allem freitags recht hoch."

Firmenchefin denkt an Mitarbeiter und Tagesgäste

Susanne Henkel (53), Geschäftsführerin der gleichnamigen Firma, ist 2018 "extra zur Volksbank in Ernsbach gewechselt mit dem Ziel, diesen Standort zu erhalten". Und jetzt das. "Hier arbeiten viele Menschen: 50 bei uns und 400 bei Arnold. Es gibt ein Fitnessstudio, eine Bäckerei, einen neuen Friseur, auch eine Zahnärztin will sich hier niederlassen." Und im Sommer, wenn Kanufahrer und Radler kämen, "ist hier die Hölle los". Der Ort ohne Bankfiliale? Das ist für sie unvorstellbar. Es gehe aber auch um das "persönliche Gespräch bei alltäglichen Bankgeschäften". Dies sei "durch nichts zu ersetzen, schon gar nicht durch ein komisches Voba-Mobil, das pro Woche nur für eineinhalb oder zwei Stunden da ist". Sie fragt: "Soll ich meinen Mitarbeitern frei geben, damit sie genau zu diesen Zeiten Geld abheben können?"

"Wo bleiben witzige Ideen?"

Henkel vermisst "innovative Lösungen" und kritisiert "reines Gewinnstreben", das dieser Entscheidung zugrunde liege. "Warum teilt sich die Volksbank das Gebäude nicht mit einem Laden, der regionales Obst und Gemüse oder Wein anbietet? Wo bleiben witzige Ideen, Filialen ganz anders zu denken?" Sie ist sicher: Der ländliche Raum werde wieder attraktiver. Der Rückzug der Volksbank aus der Fläche laufe dieser Entwicklung zuwider.

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