Nach Brücken-Einsturz in Dresden: Ähnliche Bauwerke stehen in Hohenlohe und Neckarsulm
Auch in der Region stehen Brücken, die in der gefährlichen Dresdener Bauweise gebaut sind. Das Land ist alarmiert. Was geschieht mit den riskanten Bauwerken?
Auch in der Region stehen ähnliche Brücken wie die Carolabrücke, die in Dresden zusammengebrochen ist. Sie sind in der gleichen gefährlichen Bauweise gebaut: Ihre Tragfähigkeit beruht auf sogenanntem „spannungsrisskorrosionsempfindlichem Spannstahl“, sprich: Der verbaute Stahl ist besonders rostanfällig. Und was rostet, reißt irgendwann. Das Gefährliche an diesen Spannstahl-Brücken sei, dass Schäden von außen nicht erkennbar seien und diese spontan zusammenbrechen könnten.
Das Land Baden-Württemberg ist alarmiert und die Landesregierung hat durchgezählt: Im Regierungsbezirk Stuttgart gibt es 16 Brücken an Bundesstraßen und 12 Brücken an Landesstraßen in dieser Bauweise, die potenziell gefährdet sind, nach langer Nutzungsdauer bedenkliche Risse zu entwickeln. 73 Brücken sind es im ganzen Land. Darüber hat Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) in der Landespressekonferenz und im Anschluss in einer Pressemitteilung berichtet.
Marode Brücken wie in Dresden: Zwei Bauwerke im Hohenlohekreis sind betroffen
Das sind nur wenige von den insgesamt 1966 Brücken an Bundes- und Landessstraßen im Regierungsbezirk. Doch die bedürfen besonderer Aufmerksamkeit - auch in der Region: Im Hohenlohekreis sind die Jagst-Brücke über die L1025 bei Schöntal-Bieringen und die Brettachbrücke über die L1035 bei Bretzfeld-Scheppach betroffen. Erstere ist rund 62 Meter lang, Letztere etwas über zehn Meter. Neckarsulm im Landkreis Heilbronn hat drei problematische Brücken über die B27, darunter die große Sulmtalbrücke mit mehr als 280 Metern Länge, und Bad Mergentheim im Main-Tauber-Kreis zwei gefährdete Brücken über die B290.

Und um die steht es nicht gut: Da „aus wirtschaftlichen und technischen Gründen“ eine Sanierung dieser Brücken nicht mehr möglich sei, sollen alle „zeitnah" neu gebaut werden. Dass das nicht von heute auf morgen geht, ist selbsterklärend. Die Landesregierung nennt einen Zeitrahmen bis zum Jahr 2030. Besonders dringend nötig scheint das jedoch bei den Mergentheimer Brücken zu sein: Für diese und sechs weitere im Regierungsbezirk hat das Land sofort eine Sammelausschreibung für die Planung von Neubauten in Angriff genommen.
Die Brücken im Hohenlohekreis und in Neckarsulm genießen nicht diese oberste Priorität, sind nach Einschätzungen des Landes also wohl nicht in höchster Gefahr. Tatsächlich teilt das Regierungspräsidium auf Nachfrage mit: Die beiden Brücken in Hohenlohe befinden sich aktuell noch nicht in der Planung. Die Brücken an der B27 in Neckarsulm müssten im Zuge des geplanten vierspurigen Ausbaus sowieso alle ersetzt werden. Dieser Ausbau sei im Bundesverkehrswegeplan 2030 enthalten.
Brückenschäden klein halten: Diese Maßnahmen sollen helfen
Doch auch hier gibt es Einschränkungen, wie auf allen ausfindig gemachten Spannstahl-Brücken: Lkw-Fahrer sind künftig verpflichtet, auf solchen Brücken einen Abstand von in der Regel 50 Metern zum Vordermann einzuhalten. Darüber hinaus könnten laut Regierungspräsidium im Einzelfall weitere Maßnahmen wie eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 60 Stundenkilometern erforderlich werden. Ein Tempolimit werde an den betreffenden Brücken ausgeschildert, die Aufstellung dieser Schilder sei bereits im Gange.
Für die Brücken in Hohenlohe und Neckarsulm sei aber laut Nachfrage beim RP kein Tempolimit vorgesehen. Überdies will das Land alle riskanten Brücken künftig in einem engeren Intervall überprüfen und warten - bis zum anvisierten Neubau. Mit diesen Maßnahmen sei laut Regierungspräsidium „die Sicherheit der Brücken bis zum Ersatzneubau gewährleistet“.
Verkehrsminister Hermann gibt zu: Über die Spannstahl-Brücken hinaus seien etwa zehn Prozent der Brücken, für die das Land zuständig ist, marode. Im Doppelhaushalt 2025/2026 seien jeweils 184 Millionen Euro für Erhalt und Sanierung von Straßen und Brücken vorgesehen. Der Minister rechnet damit, dass diese Beträge bis zum Jahr 2030 auf 300 Millionen Euro im Jahr anwachsen müssen.
Nach Schaden an Carolabrücke in Dresden: Mehr Geld für Brückensanierungen gefordert
Der Landesverband der Bauwirtschaft fordert, die Mittel für Brücken-Neubauten massiv zu erhöhen, auch durch den Bund. Die Zahl maroder Brücken, die das Land nenne, sei nur „die Spitze des Eisbergs“. „Perspektivisch müssen jährlich bis zu 100 Brücken grundlegend instandgesetzt, ertüchtigt oder ersetzt werden“. Andernfalls drohe die Sperrung von rund 25 Prozent des Brückenbestandes an Bundes- und Landesstraßen in den nächsten zehn Jahren, droht der Branchenverband.
Die Autobahnbrücken im Hohenlohekreis, für die die Bundesregierung die Verantwortung hat, sind übrigens allesamt nicht betroffen. In Heilbronn gebe es laut Stadtverwaltung „nicht viele Brücken in dieser Bauweise“.