Energie aus Biomüll: Vergärungsanlage in Öhringen geplant – aber es gibt noch Haken
Eine neue Vergärungsanlage in Öhringen könnte die energetische Verwertung von Bioabfall in ganz Heilbronn-Franken ankurbeln. Es gibt aber einige Haken.
Das Land hat ein klares Ziel: Der gesamte Biomüll Baden-Württembergs soll eines Tages in Strom und Wärme umgewandelt werden. Also 100 Prozent. Derzeit werden 67 Prozent energetisch verwertet, im Hohenlohekreis waren es 2024 nur 21 Prozent. Auch der gesamte Norden des Landes muss noch einiges aufholen. Denn Vergärungsanlagen sind hier eher dünn gesät – so auch in der Region Heilbronn-Franken.
Die Reterra Erden Süd GmbH könnte bald Abhilfe schaffen. Das Unternehmen, eine Tochter des Entsorger-Riesen Remondis, will an ihrem Öhringen Standort – bekannt unter dem Label Hauke Erden – eine Einrichtung schaffen, die genau dies kann: Biomüll nicht nur in Kompost verwandeln, wie es in den Anlagen in der Region meist getan wird, sondern daraus auch Strom und Wärme gewinnen. Nur: Am Ende muss es sich für den Betreiber auch rechnen. Und die Kreise müssen ihrerseits die Ausschreibungen für ihre Verwertungsaufträge so stricken, dass die Vergärung Vorrang hat, was höhere Müllgebühren zur Folge hätte. Denn die energetische Form des Recyclings ist weitaus teurer als die Kompostierung.
Öhringer Vergärungsanlage soll Herbst 2026 gebaut werden
Reterra Erden Süd schätzt, dass eine verwertete Menge von 50 000 Tonnen pro Jahr rentabel wäre. Zuletzt kam die gesamte Region Heilbronn-Franken mit ihren vier Landkreisen und dem Stadtkreis Heilbronn auf mehr als 60.000 Tonnen. Der Genehmigungsantrag ist in Arbeit, im dritten Quartal 2026 könnte der Bau realisiert werden.
Aber die Firma braucht natürlich auch die nötigen Aufträge. Und am naheliegendsten wäre, diese würden von den Landkreisen aus der Region kommen. Nur dürfen die in den Ausschreibungen zur Verwertung ihres Biomülls keinen Betreiber bevorzugen. Ergo „können diese aufgrund der gesetzlichen Vorgaben nicht regional eingeschränkt werden“, erklärt Christoph Bobrich, Geschäftsführer der Abfallwirtschaft Hohenlohekreis (AWH).

Abfallverwertung in Öhringen: Vergärung hat Vorrang vor Verrottung
Hinzu kommt, dass die AWH ihre nächste Ausschreibung, die den am 31. Dezember 2025 endenden Vertrag ablöst, auf ein Jahr – also 2026 – limitiert mit der Option auf eine einjährige Verlängerung, „weil wir parallel an unserem neuen Abfallwirtschaftskonzept arbeiten“, so Bobrich. „Je nachdem, welche Ausrichtung hierbei künftig gilt, muss die Flexibilität gewahrt werden.“ Das heißt: Hat die Vergärung absoluten Vorrang, müssen die Leistungen entsprechend definiert werden.
So aber gilt für die nächste Vertragsrunde: „Der jeweilige Verwertungsweg wird entweder technikoffen oder mit Bonus bei der Vergärung oder Teilvergärung ausgeschrieben.“ Und: „Der Zuschlag obliegt der Zustimmung des Kreistags.“ Wie er sich entscheide, hänge auch davon ab, wo sich die Anlagen befänden. Denn: „Zu den Mehrkosten, die die Vergärung mit sich bringt“, kämen dann möglicherweise noch erhöhte Transportkosten, wenn der Standort weiter weg liege.
Vergärung ist nicht gesetzlich vorgeschrieben
Es gibt einen weiteren Haken, der Betreiber reiner Kompostierungsanlagen zögern lässt, auch auf die Erzeugung von Energie zu setzen: „Das Land empfiehlt zwar den Verwertungsweg des Biomülls durch die Vergärung. Gesetzlich festgeschrieben ist dies allerdings nicht“, so Bobrich. Folglich gebe es noch gar keine verpflichtende Vorgabe zur Vergärung, was es Unternehmen erschwere, den Ausbau passender „Behandlungskapazitäten“ zu planen und umzusetzen. Das Land weiß: Es braucht noch viel mehr als die derzeit vorhandenen Vergärungsanlagen, auch wenn die dafür nötige Infrastruktur in den vergangenen Jahren „sukzessive ausgebaut und optimiert“ worden sei, wie in der aktuellsten Version des „Abfallwirtschaftsplans für Baden-Württemberg“ zu lesen ist.
Anlage in Sinsheim vergärt Bioabfall
Klar ist auch: Das Land will, dass die Menge an Bioabfall im Restmüll halbiert wird und die Pro-Kopf-Menge des so gesteigerten Bioabfalls auf durchschnittlich 80 Kilogramm pro Einwohner steigt. 2021 waren es 58 Kilogramm – 35 Prozent mehr seit 2011. In Deutschland lag der Wert bei 64 Kilogramm, im Hohenlohekreis bei satten 90 Prozent. Dafür wird hier nur knapp ein Viertel des Biomülls energetisch verwertet.
Der Vertrag des Kreises mit Reterra Erden Süd endet am 31. Dezember 2025. Weil in der Öhringer Anlage seit 2024 gar kein Biomüll mehr zu Kompost verarbeitet werden darf, sondern nur noch Grüngut, landet der Bioabfall seitdem in diversen Anlagen dieser Firma – vor allem in Sinsheim. Die kann Bioabfall vergären. 2024 bekam Reterra 10.095 Tonnen aus dem Hohenlohekreis, 21 Prozent wurden vergoren.
Landkreisübergreifende Vergärungsanlage lohnte sich nicht
Die fünf Kreise Heilbronn-Frankens sowie der Neckar-Odenwald-Kreis hatten vor etwa zehn Jahren anvisiert, ihren Biomüll in einer gemeinsamen, großen kommunalen Vergärungsanlage in Strom und Wärme umzuwandeln. Schon damals wünschte sich das Land vorrangig diese Form der Verwertung. Eine Machbarkeitsstudie wurde in Auftrag gegeben. 2017 stand fest: Es lohnt sich nicht – aus logistischen und ökologischen Gründen. Statt dessen favorisierte das Witzenhausen-Institut sechs Modelle für Kooperationen zwischen den Kreisen Hohenlohe, Schwäbisch Hall, Main-Tauber-, Neckar-Odenwald und Heilbronn (Stadt und Landkreis).


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