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Heilbronner Raser-Prozess
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Witwe des Opfers kämpft mit den Folgen – tödlicher Unfall in Wollhausstraße jährt sich

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Zwei Jahre nach dem tödlichen Unfall in der Wollhausstraße leidet die Witwe des Opfers noch immer an den Folgen. Ein belastender Raser-Prozess liegt hinter ihr. Wie es ihr und den Kindern heute geht.

Der Moment, der das Leben einer ganzen Familie verändert hat: Aniko S. hat bei dem Unfall in der Wollhausstraße ihren Mann verloren.
Der Moment, der das Leben einer ganzen Familie verändert hat: Aniko S. hat bei dem Unfall in der Wollhausstraße ihren Mann verloren.  Foto: Berger\, Mario

Für Aniko S. gibt es ein Davor und ein Danach. „Ich habe ein altes und ein neues Leben“, sagt die 44-Jährige. Das alte endete vor genau zwei Jahren, am 12. Februar 2023. An diesem Tag kam ihr Ehemann bei einem Autounfall ums Leben. Ein damals 20-Jähriger raste mit hoher Geschwindigkeit durch die Wollhausstraße und prallte in das Auto der Familie. Der 42-jährige Vater starb, Mutter und Kinder wurden verletzt.

Der Täter wurde im April vergangenen Jahres wegen Mordes zu neun Jahren Haft verurteilt. Über seinen Antrag auf Revision wurde noch nicht entschieden.

Tödlicher Unfall in Wollhausstraße: Witwe des Opfers äußert sich nach Mordurteil im Raser-Prozess

Bis zu diesem Tag seien sie eine fröhliche Familie gewesen, sagte Aniko S. nach dem Unfall. Die Eltern wollten an jenem Sonntag vor zwei Jahren nach einer langen Arbeitswoche einen Ausflug mit den Kindern machen, bei der Ausfahrt aus der Tiefgarage kam es zum Unfall. Aniko S. hat bis heute mit den gesundheitlichen Folgen zu kämpfen, manche Schäden werden dauerhaft bleiben. Auch ihre beiden Kinder sind noch in Behandlung. Die Tochter ist neun, der Sohn inzwischen sechs Jahre alt.


Beide erzählen viel von ihrem Papa. Ein Foto, vor dem immer frische Blumen stehen, gehört zum Familienalltag. Alle drei halten ganz bewusst ihre Erinnerungen wach. „Wir sprechen ganz viel über Papa“, erzählt Aniko S. über Erinnerungen und gemeinsame Erlebnisse, aber auch wenn Schönes passiert: „Mit Papa wäre es schöner“, sagen die Kinder dann. Besonders der Junge, der als Dreijähriger den Zusammenstoß im Auto bewusst erlebt habe, spreche auch viel über den Unfall.

Tödlicher Unfall in der Wollhausstraße in Heilbronn: Leben der Familie hat sich stark verändert

Die Familie ist inzwischen aus der Wollhausstraße weggezogen, dennoch fährt die Witwe immer wieder zum Unfallort. „Ich brauche das für mich“, erklärt sie. Sie sei dankbar für ihre neue Wohnung, sagt sie, aber sie vermisse ihr altes Zuhause. „Ich habe meinen Platz in Heilbronn noch nicht gefunden.“ Es sei, als wäre sie nie angekommen. Die Familie war nur zwei Jahre vor dem Unfall aus Niedersachsen in die Stadt gezogen, gemeinsam wollte das Ehepaar sich eine Zukunft aufbauen. Die Familie ihres Mannes unterstützt Aniko S., der Kontakt sei eng, sagt sie dankbar. „Aber es hat sich viel verändert“, auch im Miteinander. Jeder wisse, dass es dem anderen schwerfalle, über den Verlust zu reden.

Aniko S. ist inzwischen wieder in ihren Beruf als Sachbearbeiterin bei der Rentenversicherung zurückgekehrt, wenn auch nicht in Vollzeit wie vor dem Unfall. Es tue ihr gut, Kollegen zu treffen und sich mit anderen Themen zu beschäftigen. „Dann habe ich keine Zeit, nachzudenken.“ Es bleibt ein Auf und Ab. Der Prozess, in dem sie als Nebenklägerin aufgetreten ist, sei eine besondere Belastung gewesen, die Verhandlungstermine anstrengend. Vergeblich hatte Aniko S. auf ein Zeichen der persönlichen Anteilnahme des Täters gewartet. „Aber da war nichts“, sagt sie. Jetzt wartet die zweifache Mutter gemeinsam mit ihrer Anwältin Elisabeth Unger-Schnell auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zum Revisionsantrag.

„Es wäre ein Katastrophe, wenn alles nochmal beginnt“, sagt die Witwe. Sie wünsche sich, dass es zu Ende ist, nicht von vorn anfängt. Gleichzeitig läuft auch noch das außergerichtliche zivilrechtliche Regulierungsverfahren. Mit der Versicherung des Fahrzeughalters gibt es noch keine abschließende Einigung. Auch wenn es unmöglich sei, ein Menschenleben zu monetarisieren, sagt Anwalt Christoph Troßbach, sei das Verfahren wichtig, um die Familie zumindest finanziell aufzufangen. Er erwartet in absehbarer Zeit eine Lösung, die Versicherung habe sich bereits entgegenkommend gezeigt.

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Für Aniko S. wäre es ein weiterer Schritt in die Zukunft mit ihren Kindern. Aktuell fühle es sich noch an, als sei das Leben im Stillstand, erzählt sie. 24 Jahre hat sie gemeinsam mit ihrem Mann verbracht, neun davon waren beide verheiratet. Jetzt muss sie ohne ihn leben. Sie funktioniere für ihre Kinder, es sei ein Auf und Ab. Ihre Tochter wird in diesem Jahr auf die weiterführende Schule wechseln, ihr Sohn eingeschult werden. „Darauf freuen wir uns“, sagt die Mutter. „Ich möchte, dass meine Kinder ihren Weg finden.“

Doch zunächst muss sie jedoch den Februar meistern, das sei ein schwieriger Monat. Der Todestag ihres Mannes, sein Geburtstag kurz darauf, der Geburtstag ihres Sohnes. Diesen Mittwoch, den Jahrestag des Unfalls, werde sie größtenteils auf dem Friedhof verbringen. „Ich habe mir vorgenommen, mir Zeit zu nehmen.“ Das Grab richten, mit ihrem Mann reden, dabei einen Kaffee trinken und innehalten. „Ich wünsche mir, dass wir rausfinden, wie unser Leben funktionieren kann“, sagt Aniko S. Dabei will sie die Erinnerungen bewusst wachhalten. „Ich möchte, dass mein Mann nicht vergessen wird“, erklärt die Witwe. „Er ist bei uns.“


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Kommentare

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Stefan am 11.02.2025 17:06 Uhr

Das heißt also, dass das Urteil noch nicht vollstreckt wird, er sitzt also nicht in Haft. Verstehe ich das richtig?

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