An diesem Dienstag: Extremer Frühstart in die Traubenlese
Früher startete die Traubenlese im Oktober, diesmal schon in den Sommerferien. Doch nicht nur das Wetter wirkt sich auf den aktuellen Wein-Jahrgang aus.
Ältere Zeitgenossen erinnern sich noch gut: Früher begann die Traubenlese im Oktober, oft erst in den Herbstferien mit Parka und klammen Fingern. Heute werden die ersten Trauben bereits in den Sommerferien vom Stock geschnitten, mit T-Shirt und Sonnencreme. Und zwar nicht nur, um süßen Federweißen zu gewinnen, sondern tatsächlich auch für richtigen Wein. So früh wie fast noch nie nimmt etwa die Genossenschaftskellerei Heilbronn an diesem Dienstag, 27. August, von ihren Mitgliedern die Sorten Dornfelder und Acolon an.
"Wahnsinn!", sagt Geschäftsführer Daniel Drautz, "in manchen Anlagen sind die tatsächlich schon reif." Gleichzeitig drohe speziell bei diesen dünnhäutigen und früh reifen Sorten in manchen Lagen Vogel- oder Wespenfraß. Zudem könnten sich womöglich Kirschessigfliegen (KEF) über sie hermachen. Die KEF ist erst vor zehn Jahren über Asien und den Mittelmeerraum in den deutschen Südwesten eingewandert und sorgte damals für große Schäden.
Traubenlese rund um Heilbronn: Ernte noch während des Weindorfs
Bereits beim Federweißen habe sich gezeigt, dass manche Sorten jetzt schon ausgesprochen süß sind, berichtet Drautz. So habe etwa die Neuzüchtung Solaris schon vor einer Woche "sensationell hohe" 100 Grad Oechsle auf die Waage gebracht, der Müller-Thurgau freilich nur 60 Grad. Einen Überblick bezüglich Reifegraden und Ertragsaussichten wolle sich sein Verwaltungsteam in den nächsten Tagen verschaffen.

Bei der Herbstversammlung am Dienstag, 3. September, werde man dann den ersten Lesefahrplan vorlegen, also zwei Tage vor dem Heilbronner Weindorf-Auftakt. Drautz geht davon aus, dass die Ernte der Burgundersorten noch während des Fests beginnt, die der Hauptsorten wie Riesling, Trollinger und Lemberger erst eine Woche nach dem Weindorf. "Aber ich schätze das zum jetzigen Zeitpunkt lieber nicht", schiebt er nach, "vor einem Jahr mussten wir plötzlich Vollgas geben und nach drei Wochen war alles im Keller".
Vögel, Wespen und Kirschessigfliegen machen sich an Traubenbeeren ran
"Alles hängt vom Wetter der nächsten Wochen ab", weiß auch Wengerter Norbert Greiss aus Gundelsheim. Der Selbstvermarkter, der unter der Marke "Weinbau Pavillon" auch ein uriges Weinlokal mit Gartenwirtschaft betreibt, weilt derzeit wie so viele seiner Kollegen noch im Urlaub. "Ich hoffe, wir können die Lese noch etwas aufschieben und dass sich die allseits gefürchtete KEF zurückhält", sagt der 61-Jährige. "Tropisches Wetter mit warmen Tagen und Regen mag sie", weiß Greiss, der den Schädling zumindest in seinen Anlagen noch nicht entdeckt hat. "Aber die Experten sagen: Er ist wieder da!"
Gerade Steillagen, wo die Trauben früher reif sind, seien besonders gefährdet. Gleichzeitig seien seine steilen Terrassen mit Natursteinmäuerchen im Gundelsheimer Himmelreich ein Segen, weil sie die jungen Rebtriebe in der letzten Aprilwoche vor Frostschäden bewahrten.
Punktuell sehr hohe Ernteausfälle durch Spätfrost im April
"Ganz schlimm erwischt" hat es dagegen in den April-Frostnächten unter anderem etliche Mitglieder der Weinkellerei Hohenlohe. Geschäftsführer Reinhold Fritz schätzt, dass die Genossenschaft im Jahrgang 2024 nur 80 Kilogramm pro Ar erzielt, das entspreche nur 60 bis 65 Liter pro Ar anstatt der durchschnittlich 100 Liter. "Das wird ein sehr herausfordernder Herbst, manche Wengerter haben nur ein paar Kilo, andere einen Vollertrag oder mehrerer Generationen vom Trauben am Stock. Vor allem mit dem Vollernter wird es schwierig."
Im Kochertal seien bei einem Sommergewitter auch noch Hagelschäden dazugekommen. "Für die betroffenen Wengerter ist das hart. Das trägt nicht zur Motivation bei, wenn du das ganze Jahr schaffst und nichts oder wenig dabei rauskommt", weiß Fritz. "Das wirkt sich natürlich auch aufs Betriebsergebnis aus. Aber alles Jammern hilft nichts, wir müssen nach vorn schauen", betont der 56-Jährige. Er geht davon aus, dass die Lese in Hohenlohe in der zweiten Septemberwoche beginnt – "sehr viel früher als früher, als wir manchmal noch an meinem Geburtstag Trauben geschnitten haben: am 3. November."