Traubenlese beginnt so früh wie nie
Überall in der Region kommt jetzt die Traubenlese in Gang: so früh wie nie. Sonne pur lässt trotz Trockenheit einen großen und guten Jahrgang 2018 erwarten.

Früher begann die Traubenlese im Oktober, drum spricht man auch vom Herbsten. Doch in Zeiten des Klimawandels ist alles anders. Witzige Winzer reden bereits vom "Sommern". Statt in den Herbstferien ziehen die Lesehelfer heute in den Sommerferien los, und statt Parka tragen sie T-Shirt.
Federweißer wird schon verkauft
Die ersten Trauben des Jahrgangs 2018 werden zwei Wochen früher als im Schnitt - und damit "so früh wie nie" geerntet, bestätigt das Deutsche Weininstitut (DWI). In Rheinhessen war es schon am 6. August so weit. Allerdings gab's dort nur Federweißen, also süßen Wein.
In der Genossenschaftskellerei Heilbronn steht die Traubensaft-Lese diese Woche an. "Volle Pulle los" geht es laut Geschäftsführer Karl Seiter nächste Woche, alles Weitere wird am Dienstag bei der Herbstversammlung besprochen. Fest stehe: "Weindorf-Wengerter müssen an zwei Fronten kämpfen."
Hauptlese beginnt Anfang September
Dies gilt auch für die Weinkellerei Hohenlohe, die Anfang September mit der Lese für Sekt beginnt. "Die Trauben hängen wunderschön da", so Geschäftsführer Reinhold Fritz. Allein Trollinger sehe "durstig aus und braucht Wasser". Gewinner des Jahres sei Lemberger.
Das Heilbronner Weingut G.A. Heinrich hat schon am 23. August Lemberger in Auslese-Qualität geerntet. "Sowas habe ich noch nie erlebt", sagt Martin Heinrich. Normal wird die Parade-Sorte im Oktober reif. Früher habe man die Trauben möglichst lange hängen lassen, "um die Oechsle auszureizen".
"Heute sind wir schlauer", sagt Hermann Berthold aus Neckarsulm, zu viel Zucker führe zu "Alkoholbomben" oder zum "Rosinenton". Dies sei out, vielmehr strebe man Finesse und Frucht an. Familie Berthold startet deshalb diesen Mittwoch am Scheuerberg in den Herbst.
Ein sehr früh reifes Früchtchen
Am Steinberg in Beilstein wächst ein besonders früh reifes Früchtchen: Wildmuskat. Der Amalienhof hat ihn am 18. August geerntet. Der Tropfen soll bereits am 21. September beim Gutsfest nach dem Vorbild französischer Primeurs als "Herbstepisode" auf den Markt kommen.
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Am dritten September-Samstag steigt in Heilbronn stets das Lesefest am Wartberg. Bei der Premiere Ende der 1990er Jahre hieß es noch "Fest zum Weinlese-Auftakt", später wurde es als offizieller Lesestart für Württemberg gehandelt. Seiter geht man davon aus, dass die meisten Trauben bis zu diesem Fest-Klassiker im Keller sind: Weil viele Sorten gleichzeitig reif werden und wegen des verstärkten Einsatzes von Vollerntern dürfte "diesmal alles ziemlich ruckzuck gehen".
Wetterbericht und gute Prognose
Dass 2018 alles schneller geht, liegt naturgemäß am Wetter. Eingeleitet wurde der Jahrgang durch den wärmsten April seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, dadurch begannen die Trauben schon Ende Mai zu blühen. Der sehr sonnige Sommer hat die Reife beschleunigt.
Trotz Trockenheit seien vor allem ältere Reben "bislang erstaunlich vital", weiß Weinbauberater Lothar Neumann. Doch bei flachgründigen Böden und in Junganlagen führe an der Bewässerung kaum ein Weg vorbei. Wenn dort nicht beregnet wird, fallen bereits die Blätter. In der Menge rechnen viele mit einem "Vollherbst".
Selten so viele Trauben gesehen
Seit 1982, sagen ältere Wengerter, hätten sie nicht mehr so viele Trauben gesehen. Ob die erlaubte Höchstgrenze von 120 Millionen Liter Württemberger erreicht wird, ist offen: weil qualitätsbewusste Wengerter auf Klasse statt Masse setzen und weil etwa im Zabergäu, im Kraichgau und in Lauffen Hagelschäden zu beklagen sind. Die berüchtigte Kirschessigfliege hält sich wegen der Hitze zurück. In der Qualität seien die Voraussetzungen für einen "hochwertigen Qualitätsjahrgang" gut, sagt Neumann.