Unterricht im Camper: Schule für Zirkuskinder ist beim Heilbronner Weihnachtszirkus dabei
Die Kinder lernen Mathe und Deutsch, es geht um Englisch und Geschichte: Mitten zwischen Wohnwagen steht ein besonderes Wohnmobil beim Heilbronner Weihnachtszirkus.
Joyce ist ein Sprachenwunder. Italienisch, Englisch und Rumänisch kann die Erstklässlerin gut. Die Zahlen bis 100 bekommt sie auf Deutsch hin, und das will sie unbedingt vormachen. Erst seit August, sagt Ulrich Siering, lernt das Mädchen Deutsch. Und es klappt sehr gut. Ulrich Siering kennt ihre Entwicklung genau, und er weiß, wie gut Shon aus der Ukraine mitkommt. Ulrich Siering unterrichtet als Lehrer die beiden Zirkuskinder beim Heilbronner Weihnachtszirkus.
Das Klassenzimmer ist im Wohnmobil eingeräumt, platziert inmitten der Wohnmobile der ganzen Zirkus-Truppe. Die Tische stehen am Rand des Campers, die Bücher lagern in Fächern darüber. Mathe, Atlanten, alles zu finden wie auch sonst in Schulen - obwohl sich der 64-Jährige in Heilbronn nur um zwei Kinder kümmert. Im Winterquartier in ein paar Wochen kommen weitere Jugendliche dazu, die gerade andernorts mit ihren Familien bei Zirkussen sind. Es ist dann eine internationale Gruppe, die zusammenkommt. Tschechisch und Russisch wird gesprochen. „Ich habe ein buntes Leben“, sagt er.
Schule für Zirkuskinder: So läuft der Unterricht während des Heilbronner Weihnachtszirkus
Zirkus fasziniert den 64-Jährigen schon seit der Kindheit. Während seines Studiums war er weiterhin vom Manegenleben begeistert. Und diese Verbindung brachte ihn als Lehrer zum Zirkus, nach einem abwechslungsreichen Leben in Südamerika, Jobs als Regisseur und Theaterpädagoge, als Lehrer in einer Klinik auf Amrum und zehn Jahren im Schuldienst auf Sylt. Als er vor acht Jahren hörte, dass Charles Knie für den Zirkus einen Lehrer suchte, wollte er den Job. „Ich liebe klassischen Zirkus.“
Jetzt hat er beides, Zirkus und Unterricht. Und beides begeistert ihn gleichermaßen. Zirkus als Kunstform interessierte ihn schon immer. Er wollte sich genau anschauen, wie die Dramaturgie in der Manege funktioniert, wie die Abläufe der Nummern sind. Und als Lehrer der privaten Schule für Zirkuskinder mit Sitz in Hildelsheim nimmt Ulrich Siering die Kinder ganz anders wahr. „Der Unterricht ist ganzheitlicher“, sagt er. „Es ist viel familiärer.“ Und weniger stressig als in großen Klassen.

Der Lehrer ist vom Zirkusleben begeistert
Dem Lehrer sind neben dem reinen Schulstoff Ausflüge wichtig, auch ins Theater geht er. Das ist ihm ein großes Anliegen. Es könnten solche Einflüsse von außen sein, um Zirkus weiterzuentwickeln.
Joyce beherrscht den Zahlenraum bis 20 schon jetzt, was sonst erst bis zum Ende des Schuljahres möglich ist. Es sind diese Augenblicke, die für Ulrich Siering zu Glücksmomenten werden. Vor allem: „Man entzaubert sich als Lehrer.“ In großen Klassen denke man eher, dass die Kinder nur etwas lernen, weil man es ihnen beibringt. Im Zirkus, in der Eins-zu-eins-Betreuung merke man aber: Kinder brächten sich viel selbst bei, sagt er.
Ähnlich engagiert ist der Unterricht während des Cannstatter Volksfests. Die Kinder der Schausteller sind während der Zeit staatlichen Schulen in der Nähe zugeteilt, die stellen die Kinder für ein besonderes Projekt frei - der Wasenschule. Ehrenamtliche vermitteln den Stoff, die Kinder haben eine intensive Eins-zu-Eins-Betreuung und machen die Lernpakete, die sie von ihren sogenannten Stammschulen erhalten.


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