Maulkorb für Hochschullehrer? DHBW reagiert auf Vorwürfe zu Schwarz-Abhängigkeit
Eine DHBW-Professorin gibt in einer RTL-Reportage an, dass man auf dem Heilbronner Bildungscampus nichts sagen dürfe, was die Schwarz-Gruppe verärgern könnte. So reagiert die DHBW.
Zahlreiche Missstände bei Kaufland haben Journalisten des TV-Senders RTL aufgedeckt. Auch auf dem Heilbronner Bildungscampus waren die Wallraff-Reporter unterwegs. Dort haben sie nach eigenen Angaben eine DHBW-Professorin gesprochen, die anonym von einem Klima der Angst und des Drucks in der Schwarz-Gruppe spricht. An der DHBW werden auch duale Studenten der Schwarz-Gruppe ausgebildet.
Auch an Bildungseinrichtungen, deren Gebäude von Lidl-Gründer Dieter Schwarz finanziert wurden, dürfe man nichts sagen, was die Schwarz-Gruppe verärgern könnte, so die Professorin im Wallraff-Interview. Sie habe innerlich gekündigt, arbeite nur noch für ihr gutes Gehalt.
Kritik bei zu schlechten Noten an der Heilbronner DHBW? Vorwürfe aus Wallraff-Reportage
Noten sollten gut sein, sonst werde man zu Gesprächen einbestellt. Kollegen hätten „massiven Ärger“ bekommen, wenn Studenten durchgefallen seien oder nicht die richtigen Noten bekommen hätten. Sie hat der Dokumentation zufolge ihren Weg gefunden: Sie gebe jedem eine Eins, „und dann ist Ruhe“.
Nicole Graf, Rektorin der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Heilbronn, betont am Freitagvormittag auf Anfrage der Heilbronner Stimme: Die Professoren der DHBW in Heilbronn distanzierten sich von den Vorwürfen. Deren Einschätzung sei: Es könne keine Professorin der DHBW in Heilbronn sein, die diese Behauptungen gemacht habe. Zum jetzigen Zeitpunkt will Nicole Graf nicht mehr dazu sagen.
Reaktionen der Heilbronner Hochschule auf Vorwürfe: „Keine Hexenjagd beginnen“
Unter den DHBW-Mitarbeitern herrscht aber auch große Verärgerung. Ein Mitglied des Lehrkörpers nennt die Vorwürfe „völligen Blödsinn“. Viele Kollegen seien nach dem Bericht konsterniert. „Wir werden in Misskredit gebracht. Der Eindruck entsteht, dass strukturell Kaufland-Studenten bevorzugt werden. Wir sind komplett sauer und fassungslos.“ Wer die Professorin sein soll, die in dem Beitrag zu sehen war, sei ihnen nicht bekannt. „Wir haben uns aber schon am Abend der Sendung darauf verständigt, dass wir jetzt keine Hexenjagd beginnen werden.“
Aus DHBW-Kreisen ist außerdem zu hören, dass das Fernsehteam auch Statements von Hochschul-Vertretern eingeholt habe. „Wir waren Teil der offiziellen Stellungnahmen. Davon ist aber nichts verwendet worden.“ Daher fühle sich die Hochschule ungerecht behandelt.
Heilbronner DHBW-Professorin: "Wir sind entsetzt über die Aussagen"
"Wir sind entsetzt über die Aussagen", sagt Beate Scheubrein von der DHBW. Die Professorin leitet den Studiengang Handel. Sie spreche auch im Namen ihrer Kollegen. "Noch nie", sagt sie, sei man von einem dualen Partner unter Druck gesetzt worden. Auch nicht von der Schwarz-Gruppe.
Den Bereich Handel gebe es an mehreren Standorten der DHBW, der Standort Heilbronn liege bei den Noten im Schnitt. Sie wundert sich über den Vorwurf, dass duale Studenten der Schwarz-Gruppe besser benotet werden sollen. Beim Korrigieren wisse man nicht, wer eine Arbeit geschrieben habe – sondern nur die Matrikelnummer. "Der Vorwurf sei absurd." Anders sei es bei Abschlussarbeiten. "Die Einflussnahme von betrieblicher Seite haben wir noch nie erlebt. Wir haben kein Klima der Angst", so Beate Scheubrein.
Nach RTL-Reportage: Kritik am Führungsstil des DHBW-Rektorats kommt auf
Unterdessen kommt aus Reihen des Heilbronner DHBW-Campus auch Kritik am Führungsstil des Rektorats. Es fehle an Transparenz, so eine Einschätzung eines Professors. Weil die DHBW sich selbst verwalte, so die Forderung, müssten alle eingebunden werden. Daran mangele es.
Von einem Druck, wie in der Reportage behauptet, will der Professor gegenüber der Stimme nicht sprechen. Aber: Wenn man ein kritischer Geist sei, werde man dies spüren. Ob die Noten der dualen Studenten aus Reihen der Schwarz-Gruppe besser bewertet würden, wisse er nicht. Es gelte aber: „Die Hochschule hat ein Interesse daran, dass nicht viele durchfallen.“
Hochschul-Experte aus Heilbronn: Nicht zur verlängerten Werkbank von Unternehmen werden
Auch ein Experte der Hochschule Heilbronn, die unter anderem auf dem Bildungscampus angesiedelt ist, blickt teilweise kritisch auf die DHBW. Die DHBW sei durch manche Studiengänge in starkem Maße von der Schwarz-Gruppe abhängig. Zudem wundert er sich: Die DHBW habe den IT-Bereich gestärkt, nachdem die Schwarz-Gruppe den Bau eines großen IT-Campus in Bad Friedrichshall angekündigt habe. Man müsse aufpassen, so der Experte, dass man nicht zur verlängerten Werkbank von Unternehmen werde.
Der Experte blickt zugleich differenziert auf die Investitionen der Dieter-Schwarz-Stiftung. Ihm ist es nach eigenen Angaben Recht, wenn Geld in Bildung gesteckt werde.
Dieter-Schwarz-Stiftung finanziert Professuren und Gebäude in Heilbronn: Unabhängigkeit betont
Die Dieter-Schwarz-Stiftung finanziert einige Forschungsinstitutionen auf dem Bildungscampus. Auch für Gebäude nimmt die Stiftung Geld in die Hand. Auch Professoren werden teilweise finanziert. Stets betonen die Institutionen ihre wissenschaftliche Unabhängigkeit. So jüngst der Max-Planck-Präsident Professor Dr. Patrick Cramer: „Die Unterstützung durch die Dieter-Schwarz-Stiftung ist ein bedeutender Schritt für die Max-Planck-Gesellschaft."
Patrick Cramer betont: "Eine so substantielle Förderung durch Mittel einer Stiftung gab es für uns bislang nicht.“ Zudem sagt er: „Dabei ist es uns wichtig – wie bei allen unseren Vorhaben, ob öffentlich oder privat gefördert –, dass die Max-Planck-Gesellschaft die vollständige Autonomie über alle wissenschaftlichen und strategischen Entscheidungen behält.“
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Die Stiftung finanziert auch den Campus Heilbronn der Technischen Universität München (TUM): Langfristig werden 41 Professuren an der TUM School of Management und der TUM School of Computation, Information and Technology finanziert. Die Professuren werden laut Pressemitteilung für zunächst 30 Jahre vollständig durch die Stiftung finanziert, inklusive Ausstattung und Infrastruktur. Es heißt darin außerdem: „Dabei sind die Stiftungsmittel an keinerlei Auflagen gebunden, dem Vertrag liegt der TUM Fundraising Code of Conduct zugrunde, der einen Einfluss von Stiftern auf Forschung und Lehre ausschließt.“