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Videoüberwachung in Heilbronn: Datenschutzbeauftragter nimmt Stellung

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Der Datenschutzbeauftragte Tobias Keber betont die Rechtsgrundlage und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Videoüberwachung auf dem Heilbronner Marktplatz. KI könnte den Konflikt zwischen Datenschutz und Sicherheit künftig entschärfen, sagt er Interview.


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Mitte August wurden sechs Kameras am Mast an der Bushaltestelle gegenüber der Kilianskirche montiert. Seit dem 3. September, um 14 Uhr sind die Kameras auf dem Heilbronner Marktplatz nun scharf geschaltet. Die Videoüberwachung soll mehr Sicherheit liefern, doch was ist mit dem Datenschutz? Der baden-württembergische Datenschutzbeauftragte, Professor Dr. Tobias Keber, nimmt im Interview Stellung.

Datenschutzbeauftragter über Videoüberwachung in Heilbronn: Kameras müssen verhältnismäßig sein

Herr Professor Dr. Tobias Keber, ganz allgemein gefragt: Übertreiben wir es in Deutschland mit dem Datenschutz? Andere Länder sind da viel großzügiger.

Tobias Keber: Für uns gilt dieselbe EU-Verordnung wie in den anderen europäischen Ländern. Die Bußgelder in Irland, Luxemburg, Frankreich, Italien und Spanien sind bei Verstößen gegen den Datenschutz oft höher als bei uns. Und unser Bundesverfassungsgericht sagt klar: Es gibt grundsätzlich ein Recht darauf, sich in der Öffentlichkeit frei von Überwachung zu bewegen. Auf der anderen Seite kann Videoüberwachung möglich sein, wenn sie unter den gegebenen Umständen erforderlich und verhältnismäßig ist. Der Staat muss erklären und begründen, warum er eine solche Maßnahme für erforderlich hält. Nach Paragraf 44, Absatz 3 des Polizeigesetzes BW müssen dafür zwei Voraussetzungen erfüllt sein. Es muss an der überwachten Stelle einen Kriminalitätsschwerpunkt geben, und es muss eine Prognose geben, dass dort weiter Straftaten verübt werden. Beides ist auf dem Heilbronner Marktplatz gegenwärtig wohl der Fall.     

Der Vorwurf „Datenschutz ist Täterschutz“ wird immer wieder laut, wenn es um Videoüberwachung geht. Was sagt der Datenschutzbeauftragte zu diesem Vorwurf?

Keber: Das ist mir deutlich zu pauschal. Datenschutz ist Grundrechtsschutz. Das Grundrecht schützt Menschen. Der Rechtsstaat sieht bestimmte Regeln vor, die eingehalten werden müssen. Die Regeln macht das Parlament. Die Aufsicht kontrolliert die Einhaltung der Regeln. Das sind die Prinzipien im Rechtsstaat.

Hintergrund: Zur Person

Seit dem 1. Juli 2023 ist Prof. Dr. Tobias Keber (50) Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg. Keber war Professor für Medienrecht und Medienpolitik in der digitalen Gesellschaft an der Hochschule der Medien (HdM) Stuttgart, Lehrbeauftragter für Internetrecht im Masterstudiengang Medienrecht am Mainzer Medieninstitut an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie im Leitungsgremium des Instituts für Digitale Ethik (IDE) an der Hochschule der Medien Stuttgart. Vor seiner akademischen Laufbahn war er Rechtsanwalt.Keber ist unter anderem Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (GDD) und  Herausgeberbeirat der Fachzeitschrift Recht der Datenverarbeitung (RDV).

Auf dem Heilbronner Marktplatz ist die Videoüberwachung am 3. September gestartet. Überwacht wird der Platz wochentags von 14 bis 21 Uhr und von Samstag auf Sonntag von 20 bis 2 Uhr. Können Sie als Datenschutzbeauftragter mit diesen Überwachungszeiten leben? 

Keber: Das Konzept der Polizei schaut darauf, wann die Straftaten passieren und das Konzept ist aufgrund der Rechtslage erstellt und auf die Stadt Heilbronn zugeschnitten worden. In der Ausgestaltung gilt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, und wenn nichts passiert, überwacht man auch nicht. In Heilbronn sind das zum Beispiel andere Zeiten als in Stuttgart. Wir haben dann geprüft und auch keine Änderung der Zeiten gefordert.    


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Immer häufiger wird die KI-gestützte Videoüberwachung gefordert. Kann denn KI den Konflikt zwischen öffentlicher Sicherheit und Datenschutz auflösen?

Keber: Das muss man sich genau anschauen, denn die KI kann neue Grundrechtseingriffe bedingen. Sie kann aber auch genutzt werden, um schonender vorzugehen. Wenn es gelingt, dass der Bildschirm schwarz bleibt, wenn nichts passiert, kann die KI das Potenzial einer rechtsschonenderen Überwachung haben. Ob das System funktioniert, muss man sich aber genau ansehen. Wir sind dafür auch im derzeit laufenden Pilotprojekt in Mannheim mit eingebunden. Probleme gibt es da noch mit der Bewertung. Wenn zum Beispiel ein Obdachloser auf dem Boden liegt, ist das dann eine Gefahr oder nicht? Ist es nicht. So etwas muss man im System abbilden, und da gibt es noch keine abschließende Bewertung.

Datenschutzbeauftragter über Kameras: „Willkür kann es aus meiner Sicht nicht geben“

Der Vorstoß des CDU-Kandidaten für das Ministerpräsidentenamt, Manuel Hagel, zielt darauf ab, die Videoüberwachung deutlich zu erleichtern. Klingeln da bei Ihnen alle Alarmglocken?

Keber: Der Gesetzgeber müsste weiterhin erklären, was der Anlass für Videoüberwachung ist. Willkür und freies Ermessen kann es aus meiner Sicht nicht geben. Das Bundesverfassungsgericht würde auch keine derartig pauschal begründeten Grundrechtseingriffe rechtfertigen.     

Tobias Keber ist Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg.
Tobias Keber ist Landesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg.  Foto: privat

Nach zwölf Monaten muss in Heilbronn entschieden werden, wie es mit der Videoüberwachung weitergeht. Was sind für Sie die Kriterien für diese Entscheidung?

Keber: Die zentrale Frage lautet: Sind die Voraussetzungen, die zum Zeitpunkt der Einführung der Videoüberwachung vorlagen, weiterhin vorhanden? Das muss man evaluieren und das ist auch Teil der Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. 

 Wie fühlt man sich eigentlich persönlich so als Stachel im Fleisch der Ermittlungsbehörden?     

Keber: Der Rechtsstaat kann unbequem sein. Der Zweck heiligt nicht alle Mittel, das gehört zum Wesenskern unserer Verfassung. Meine Idee ist es, immer möglichst früh mit den entsprechenden Stellen zu sprechen. Wir beraten viel, bei uns kann man anrufen und vorbeikommen. Wenn Datenschutz beachtet wird, schafft das auch Vertrauen in der Bevölkerung. Ziel muss es sein, Sicherheitsinteressen und Freiheitsinteressen miteinander in Einklang zu bringen. 


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