Ausdruck für Wertschätzung? Für Trinkgeld darf auch guter Service verlangt werden
In Deutschland entscheiden Kunden immer noch nach der Qualität des Services, wie viel Trinkgeld sie geben wollen. So sollte es auch bleiben, findet unser Autor.
Adolph Freiherr von Knigge riet bereits 1788 „dem Wagenmeister ein gutes Trinkgeld zu geben“. Heutzutage gibt man Trinkgeld vorwiegend beim Friseur und in der Gastronomie, verbindet es allerdings nicht mehr mit dem Wunsch, der Nehmer möge es auf das Wohl des Gebers versaufen.
Nein, Trinkgeld gibt man, weil man zufrieden ist: auf freiwilliger Basis. Und so sollte es auch bleiben. Doch es kommt ein neuer Trend. In den USA werden zwischenzeitlich bis zu 20 Prozent der Rechnungssumme als Tip „verlangt“. In Reiseführern wird man sanft darauf hingewiesen, dass das üblich sei. Kommt der Trend zu immer mehr auch zu uns? Bitte nicht!
Moralische Debatte um Trinkgeld: Manche Berufe sind auf das Geld angewiesen
Stand früher an Theken eine Kaffeekasse, in die man gerne mal das Restgeld warf, wird man mancherorts auch hier schon am Kartenzahlgerät oder Tablet gefragt, ob man zehn, 15 oder 20 Prozent geben will. Der Button mit „Nein, danke“ oder „Dieses Mal nicht“ steht dann irgendwo klein daneben. Der moralische Druck steigt. Zumal wir ja alle wissen, dass in manchen Berufen so schlecht bezahlt wird, dass das Personal auf Trinkgeld angewiesen ist.
Verbot von Trinkgeld? Bei schlechtem Service nicht aufrunden
Die Zwickmühle, die daraus entsteht, ist nicht neu. „Die moralische Debatte“, liest man auf gastro-academy.com, „gipfelte auf deutschem Gebiet um 1900 in der Gründung der bürgerlichen Anti-Trinkgeld-Liga.“ Bis in die Weimarer Zeit hinein hätten sich Politiker immer wieder für ein Trinkgeld-Verbot eingesetzt. Dieser Gabe, lernen wir, wohnt also eine monetäre und eine emotionale Kompetente inne. Sie sollte aber nie Verpflichtung sein, sondern immer höflicher Ausdruck der Wertschätzung gegenüber einem guten Service. Ist der Service schlecht, muss man das zeigen dürfen, indem man, sorry, eben kein Trinkgeld gibt.

 
                             
           
    
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