Stimme+
Steigende Kosten
Lesezeichen setzen Merken

Zwei Traditions-Betriebe steigen aus Heilbronner Weindorf aus – Kellerei zieht Stand ab

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Das Heilbronner Weindorf ist im Wandel. Zwei Traditions-Beschicker haben ihren Abschied angekündigt. Und auch bei der Genossenschaftskellerei gibt es eine Veränderung.


Externer Inhalt

Dieser externe Inhalt wird von einem Drittanbieter bereit gestellt. Aufgrund einer möglichen Datenübermittlung wird dieser Inhalt nicht dargestellt. Mehr Informationen finden Sie hierzu in der Datenschutzerklärung.

Die fetten Jahre sind vorbei, auch im Heilbronner Weindorf. Bereits in den Vorjahren kehrten einzelne Wengerter und Wirte dem Fest aus wirtschaftlichen und privaten Gründen den Rücken. Nun kommt es „ganz dick“, wie ein Insider sagt: Zwei prominente Traditions-Beschicker, namentlich der Gastronomiebetrieb Hanne und Uschi Schröter sowie die Großmetzgerei Nothwang, werden vom 11. bis 20. September 2025 nicht mehr dabei sein. Gleichzeitig wird die Genossenschaftskellerei Heilbronn zwei ihrer fünf Stände zu einem zusammenfassen, nämlich den Heilbronner und den Weinsberger.

Das Weindorf ist auch für seine schönen Stände bekannt. 2023 wurde das Nothwang-Häuschen von Käthchen  Enni Wielsch beim Stimme-Blumenschmuck-Wettbewerb ausgezeichnet.
Das Weindorf ist auch für seine schönen Stände bekannt. 2023 wurde das Nothwang-Häuschen von Käthchen Enni Wielsch beim Stimme-Blumenschmuck-Wettbewerb ausgezeichnet.  Foto: Seidel, Ralf

Zwei Traditions-Betriebe weniger auf dem Weindorf in Heilbronn

Alle drei Aussteiger begründen den Abschied vor allem damit, dass die Schere zwischen steigenden Kosten und sinkenden Erlösen, Stichwort gewandeltes Konsumverhalten, immer mehr auseinandergingen. Zu Buche schlagen nicht nur steigende Personalkosten, sondern auch Gebühren.

Die Heilbronn Marketing GmbH (HMG) verlangt auf dem zehntägigen Fest für einen Weinstand 7920 Euro, für einen Imbissstand 4950 Euro, plus 500 Euro Security-Abgabe, erklärt HMG-Chef Steffen Schoch, wobei je nach Aufwand noch Kosten für Reinigung, Strom und Wasser anfallen. Schoch nennt die Abgaben im Vergleich zu anderen vergleichbaren Großveranstaltungen „fair“, schließlich habe auch die HMG einen großen Aufwand für ihre Leistungen, etwa vom Marketing über den Festaufbau bis zum Begleitprogramm.

Traditions-Betriebe verlassen Heilbronner Weindorf – nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen

Die scheidenden Betriebe heben ausdrücklich die gute Zusammenarbeit mit der HMG hervor und neben wirtschaftlichen auch individuelle Abschiedsgründe. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Krise im Weinbau sagt WG-Chef Daniel Drautz: „Wir wollen im Weindorf natürlich präsent sein, müssen aber auch Geld verdienen und können nicht alles unter Marketing verbuchen. Fünf Stände sind ein Wort“, erklärt er mit Blick auf Flein und Grantschen, auf Erlenbach, wo 2026 eine Sanierung anstehe, und auf Heilbronn und Weinsberg, die 2025 nicht mehr getrennt, sondern gemeinsam in einem neuen Gehäuse auftreten werden. Die Investition dürfte bei 50.000 Euro für einen festen Holzstand und 100.000 Euro für einen mobilen liegen.

Hanne und Uschi Schröter (rechts) steigen zwar aus dem Weindorf aus, machen aber mit ihren Gastro-Betrieben weiter.
Hanne und Uschi Schröter (rechts) steigen zwar aus dem Weindorf aus, machen aber mit ihren Gastro-Betrieben weiter.  Foto: Archiv

Schröter-Schwestern wollen noch auf Heilbronner Pferdemarkt und Weihnachtsmarkt aktiv sein

Hanne (76) und Uschi Schröter (63) nennen einen ganzen Strauß an Gründen. „Wir werden nicht jünger. Und 16-Stunden-Tage über Wochen hinweg steckt man nicht so leicht weg.“ Auch bei ihnen hätten Investitionen angestanden, der Standplatz sei sehr beengt gewesen, außerdem sei der Fleisch-Lieferant weggebrochen. „Da kommt viel zusammen“, sagen beide und beteuern: „Wir haben lange mit uns gerungen“, zumal 2025 ihr 70-jähriges Firmenjubiläum anstehe, wobei sie weiterhin aktiv sein werden: vom Pferdemarkt über den Brettacher Markt, feste Standorte am Media Markt und Breitenauer See bis hin zum Heilbronner Winterdorf und Weihnachtsmarkt plus großen Firmenfeiern.

Uwe Nothwang (rechts), hier mit dem einstigen Brackenheimer WG-Geschäftsführer Thilo Heuft-Röser ist nach eigenen Angaben mit dem Weindorf aufgewachsen.
Uwe Nothwang (rechts), hier mit dem einstigen Brackenheimer WG-Geschäftsführer Thilo Heuft-Röser ist nach eigenen Angaben mit dem Weindorf aufgewachsen.  Foto: Krauth, Kilian

Wie die Schröter-Schwestern gleichsam mit dem Weindorf aufgewachsen ist Großmetzger Uwe Nothwang. „Ich war so gut wie jeden Tag dort und werde das Fest vermissen“, sagt der 57-Jährige, aber Marketing und Vertrieb hätten sich in seiner Firma in Richtung Fachhandel verschoben, vor allem in Süddeutschland, punktuell auch bundesweit. Wobei die 120 Mitarbeiter starke Firma aus Bad Friedrichshall weiter mit sechs eigenen Märkten in der Region präsent sei.

HMG-Chef Schoch zu Rückzug von Traditions-Betrieben auf Weindorf: "Wandel der Festkultur"

„Ich habe für alle Verständnis“, sagt ein leicht geschockter HMG-Chef Schoch. Er hofft, die drei Lücken über eine Ausschreibung schließen zu können: „Wegen drei Ständen weniger würde niemand verhungern oder verdursten, aber uns würden Einnahmen fehlen.“ Gleichzeitig erkennt Schoch gerade bei Großveranstaltungen „überall einen Wandel der Festkultur, letztlich ein Spiegel der Gesellschaft: die jungen Leute trinken weniger und essen immer öfter vegetarisch“. Gleichzeitig stelle er fest: „Unsere Neueinsteiger sind zufrieden, Stammbeschicker haben halt schon bessere Zeiten gesehen.“

Die Genossenschaftskellerei Heilbronn, im Foto die beiden Chefs Justin Kircher (links) und Daniel Drautz,  reduziert ihre Weindorf-Stände von fünf auf vier.
Die Genossenschaftskellerei Heilbronn, im Foto die beiden Chefs Justin Kircher (links) und Daniel Drautz, reduziert ihre Weindorf-Stände von fünf auf vier.  Foto: Veigel\, Andreas

Vier Großbaustellen werden über kurz oder lang den Weindorf-Betrieb behindern

Im Übrigen habe das Fest seit 1971 immer wieder auf „Herausforderungen“ aller Art reagiert. In naher Zukunft dürften dies auch städtebauliche sein, sagt Schoch mit Blick auf Lohtorstraße und Reim-Areal, die über kurz oder lang umgestaltet werden, sowie auf die überfällige Sanierung es Rathaus-Innenhofs und auf geplante Grünelemente auf dem Marktplatz.

 


Fakten zum Heilbronner Weindorf

Das erstmals 1971 veranstaltete Heilbronner Weindorf ist das größte Weinfest der Region. An zehn Tagen im September wurden zu Hochzeiten über 250.000 Besucher gezählt. Die Zahl der Stände ist im Laufe der Jahre auf 40 gewachsen, 19 Imbiss-Stände und 21 Wein-Stände, wobei sich manche der insgesamt 30 Weinerzeuger ein Häuschen teilen. Früher standen Wirte und vor allem Winzer Schlange. Zuletzt sind aber manche abgesprungen, weil sich der hohe Aufwand nicht immer rentiert, was auch am gewandelten Konsumverhalten liegt, aber auch stark wetterabhängig ist.

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben