Ärger über Nilgänse in Heilbronn: Bürger fordern Stadt zum Handeln auf
Auf dem ehemaligen Buga-Gelände, am Neckar und in Parks: Längst haben sich Nilgänse in der Stadt breit gemacht - zum Ärger von Bürgern. Sie fordern die Stadtverwaltung zum Handeln auf. Unter welchen Umständen wäre die Jagd auf Nilgänse möglich?

"Die Ansiedlung von Nilgänsen - wie im Wertwiesenpark schon geschehen - sei nunmehr auf dem Gelände der Bundesgartenschau zu befürchten und rechtzeitig zu verhindern." Der Satz, im allerbesten Amtsdeutsch niedergeschrieben, ist ein gemeinsam formuliertes Ziel von Ordnungsamt, Grünflächenamt, Naturschutzbehörde und Gesundheitsamt der Stadt Heilbronn und stammt vom Juli 2017.
Heute, fünf Jahre später, ist das Kind längst in den Brunnen gefallen. Die Nilgans hat sich nicht nur auf dem ehemaligen Gelände der Bundesgartenschau breit gemacht, sondern auch entlang des Neckars, im Pfühlpark im Ziegeleipark in Böckingen und auf anderen Flächen in der Stadt. Und das mit allen unschönen Begleiterscheinungen wie Schmutz, Vertreibung der einheimischen Vogelarten und aggressivem Verhalten.
Bürger empfinden die invasive Art als Belästigung
Deshalb wird die sich schnell ausbreitende und aggressive Vogelart von immer mehr Menschen als echte Belästigung empfunden. Das zeigen auch zahlreiche Zuschriften, die die Redaktion nach dem am 15. Juli erschienen Artikel "Abschuss als Ultima Ratio" erreicht haben.
Sie fordern unisono ein schnelles Eingreifen der Stadt, um die eingewanderte Vogelart massiv zurückzudrängen. "Seit vielen Jahrzehnten bin ich nahezu täglich mit dem Kajak auf dem Neckar unterwegs und habe die Nilgans-Invasion vom ersten Tag an erlebt und erlitten, auch das aggressive Verhalten gegenüber Mensch und Tier", schreibt uns Siegfried Neumann aus Heilbronn. Das Mitglied der Kanuabteilung der TSG Heilbronn hält die Zustände am Neckar inzwischen für "unzumutbar und unerträglich". So ist die Terrasse am TSG-Bootshaus regelmäßig von den Hinterlassenschaften der Nilgänse übersät.

Davon kann auch Ruderkollegin Doris Vollmer ein Lied singen. Die Pressesprecherin der Heilbronner Ruderschwaben stellt das gleiche Phänomen am neuen Bootshaus neben dem Freibad Neckarhalde fest. "Wir wissen nicht, wie wir der Verdreckung Herr werden und die Sauerei in den Griff bekommen können", betont sie. Und das, noch bevor das Bootshaus überhaupt eingeweiht ist. Die Bitte um Hilfe von der Stadt, sei wirkungslos verpufft. "Das Grünflächenamt blockt einfach alles ab", klagt Vollmer.
Tatsächlich verwies das Grünflächenamt gegenüber der Heilbronner Stimme auf ein bestehende Jagdverbot innerhalb der Stadt und ein Verbot der Eientnahme bei brütenden Nilgäsen in Baden-Württemberg. Das Regierungspräsidium Stuttgart dementierte das allerdings. Eine Jagd sei auch innerhalb der Städte möglich, wenn erhebliche Schäden vorliegen oder Wildtier-Mensch-Konflikte auftreten, betonte ein RP-Sprecherin auf Anfrage. Dafür reiche eine Ausnahmegenehmigung, die die Städtische Jagdbehörde erteilen kann.
Bei Begegnung mit Nilgans Kreuzbandriss zugezogen
Einen Wildtier-Mensch-Konflikt der besonderen Art bekam Harald Andreß am eigenen Körper zu spüren. Der Heilbronner fuhr Anfang Juli mit dem Fahrrad über das Buga-Gelände zur Arbeit und sah, wie sich eine Nilgans auf einem Geländer in der Nähe des Karlssee niederließ. "Das Tier hat sich dann plötzlich im Sturzflug auf mich gestürzt und mit einem Flügel berührt", schildert der Geschäftsführer von Optik Andreß die Situation. Vor Schreck fiel er vom Fahrrad und erlitt einen Kreuzbandanriss im linken Knie. Einstweilen ist der Optiker krankgeschrieben.
Immerhin scheinen die Probleme inzwischen auch im Rathaus angekommen zu sein. "Wir sind dabei Maßnahmen zu erarbeiten, um die Nilganspopulation im Stadtkreis zu senken", unterstreicht Pressesprecherin Suse Bucher-Pinell. "Das Problem lässt sich aber nicht kurzfristig durch Abschüsse im Neckarbogen klären", sagt der städtische Wildtierbeauftrage Harald Wild.
Im Land ist man da schon einen Schritt weiter. Ein vor wenigen Tagen in Kraft gesetzter Erlass sieht den Einsatz von Stadtjägern in Kommunen vor. Sie sollen angesichts der Zunahme von invasiven Tierarten wie Nilgans und Waschbär künftig fest im Land etabliert werden.
Entwicklung
Das Hauptverbreitungsgebiet der Nilgans liegt südlich der Sahara und im Niltal. Sie wurde ab dem 17. Jahrhundert vor allem in Großbritannien gerne auch in Zoos gehalten. Ab Ende des 18. Jahrhunderts kamen Tiere dort in Freiheit. In den Niederlanden tauchen Nilgänse seit den 1960er Jahren auf. Von dort breiteten sie sich langsam auch in Deutschland aus. Während die Tiere in Afrika viele Feinde haben, kann in Deutschland nur der Fuchs jungen Tieren gefährlich werden. Hier brüten sie auch bis zu drei Mal jährlich. Die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Heilbronn und andere Tierschutzbünde führen seit Jahren Nilgansberingungen durch. Sie lehnen eine Bejagung der Tiere ab.