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Warum der König im Heilbronner Ratskeller einkehrte

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Vor genau 125 Jahren wurden die Heilbronner Straßenbahn und der Ratskeller eingeweiht. Doch 2022 stehen in dem Renommierlokal unterm Rathaus noch zwei andere Jubiläen an.

Die am 30. Mai 1897 in Betrieb genommene Straßenbahn, im Volksmund auch Spatzenschaukel genannt, verkehrte bis 1955 und ist ein Vorläufer der Stadtbahn.
Die am 30. Mai 1897 in Betrieb genommene Straßenbahn, im Volksmund auch Spatzenschaukel genannt, verkehrte bis 1955 und ist ein Vorläufer der Stadtbahn.

Rainer Mosthaf kümmert sich dieser Tage weniger um die Vergangenheit. Die Gegenwart und die Zukunft sind ihm wichtiger. Denn der Chef des Ratskellers ist Vater geworden. Ehefrau Hülya hat am 5. Mai eine Tochter zur Welt gebracht: Kaia. Was zählen da schon Jubiläen? "Ich habe jetzt Wichtigeres zu tun. Aber wir werden das nachfeiern, etwa mit einer öffentliche Gala-Weinprobe im Herbst", erklärt der versierte Sommelier. 2022 stehen für seinen Ratskeller gleich drei runde Daten an.


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Einweihung nach dem Wiederaufbau

Im Lager des Stadttheaters Heilbronn befinden sich uralte Leuchter, die laut Intendant Axel Vornam einst im Ratskeller hingen. Er gibt sie gerne ab.
Im Lager des Stadttheaters Heilbronn befinden sich uralte Leuchter, die laut Intendant Axel Vornam einst im Ratskeller hingen. Er gibt sie gerne ab.  Foto: Berger, Mario

Am 30. Mai sind es genau 125 Jahre, dass das städtische Renommierlokal eingeweiht wurde. Tags darauf kehrten sogar König Wilhelm und Königin Charlotte von Württemberg dort ein. Und: Vor 25 Jahren hat der Gemeinderat Rainer Mosthaf und seinem Bruder Jürgen, der heute das Hotel-Restaurant Wildeck in Abstatt führt, die Pacht für die gute Stube der Stadt übertragen. Aller guten Dinge sind drei: 70 Jahre ist es her, dass der berühmteste Sohn Heilbronns, der damalige Bundespräsident Theodor Heuss, den Ratskeller ein zweites Mal einweiht: zusammen mit dem Rathaus, das nach der Zerstörung vom 4. Dezember 1944 neu aufgebaut worden war.

Lange nur Lager und Kaufhalle

Während das Heilbronner Rathaus selbst bereits anno 1300 urkundlich erwähnt und später mehrmals, teils in kurzen Zeiträumen - 1417, 1579, 1590 bis 1596, 1600 und 1765/66 - erweitert und umgebaut wird, dienen das stattliche Gewölbe im Parterre und ein weiteres Geschoss darunter über Jahrhunderte hinweg nur als Keller, Lager und später auch als öffentliche Kaufhalle für Waren aller Art.

Vor 25 Jahren übernahmen die Brüder Mosthaf den Ratskeller. Rainer (rechts) ist inzwischen alleiniger Chef, Jürgen (links) führt das Wildeck in Abstatt.
Vor 25 Jahren übernahmen die Brüder Mosthaf den Ratskeller. Rainer (rechts) ist inzwischen alleiniger Chef, Jürgen (links) führt das Wildeck in Abstatt.  Foto: Kugler

Im Heilbronner Stadtarchiv finden sich die Namen der bisherigen Wirte: Von 1897 an hat zunächst die Familie August Schick den Kochlöffel in der Hand. 1903 bis 1930 folgt Familie Fritz Rüdenauer Senior, danach der gleichnamige Sohn. 1952 bis 1969 heißt der Pächter August Haas, 1969 bis 1990 Heinrich Götz, 1990 bis 1996 Gerhard Münch. Im Jahr 1997 steigen schließlich die aus Erlenbach stammenden Brüder Mosthaf ein, wobei Sympathieträger und Weinexperte Rainer seit 2016 alleiniger Pächter ist.


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König kam zur Straßenbahn-Einweihung

Über Jahrhunderte hinweg wurde der Ratskeller unterm Rathaus nur als Lager oder Kaufhalle genutzt. Erst 1897 avancierte er zum Restaurant.
Über Jahrhunderte hinweg wurde der Ratskeller unterm Rathaus nur als Lager oder Kaufhalle genutzt. Erst 1897 avancierte er zum Restaurant.  Foto: Stadtarchiv Heilbronn (TM)

Der Anlass der Ratskeller-Gründung, die in die Zeit einer großen Gewerbe- und Industrieausstellung im Stadtgarten fällt, hat für die Stadthistorie einen noch höheren Stellenwert. Am 30. Mai 1897 kommt die erste Straßenbahn in der Kaiserstraße an: mit bunten Fahnen, Blumen, Eichenlaubgirlanden und dem Stadtwappen geschmückt.

Warum die Bahn Spatzenschaukel hieß

Als 22-Jähriger erlebt der spätere Oberbürgermeister Emil Beutinger die Gründungsfeier im Ratskeller mit, wo das billigste Viertel 17 Pfennige kostet. Später berichtet er, wie sich Fahrgäste der Straßenbahn "auf dem hinteren Perron" drängen und vorne die Schaukel hoch geht, so dass der Schaffner einen "Lastenausgleich" fordert. Mutmaßlich rührt von daher der Spitzname Spatzenschaukel. "Der erste Betriebstag war für Heilbronn ein Volksfest, wie es zuvor nur selten erlebt worden war", schreibt Gottfried Bauer in dem Buch "Einmal Harmonie bitte". Jeder will das Verkehrsmittel ausprobieren. Doch solche Gefährte sind noch ungewohnt, so dass es später immer wieder zu kleineren Zwischenfällen mit Fußgängern oder Pferdefuhrwerken kommt. Bald wird die Höchstgeschwindigkeit vom Gemeinderat auf 15 Stundenkilometer begrenzt.

Linien in die Stadtteile

Das im Zuge der Industrialisierung zum "schwäbischen Liverpool" avancierte Heilbronn ist nach Stuttgart (1868) und Karlsruhe (1877) die dritte Stadt im heutigen Baden-Württemberg mit Straßenbahn. Die erste Linie verkehrt vom Bahnhof aus alle sechs Minuten bis zur Harmonie, jeder zweite Wagen rollt bis zur Moltkekaserne am heutigen Finanzamt. Der Betrieb der Straßenbahn-Linie vom Heilbronner Südbahnhof nach Sontheim wird am 3. Juni 1900 aufgenommen. Bis zur Einrichtung einer Linie von Heilbronn nach Böckingen dauert es noch bis 1926. Ab 1928 hat Neckargartach dann auch eine eigene Straßenbahn, die an die Heilbronner angeschlossen ist. Fast sang- und klanglos verschwindet die Spatzenschaukel am 1. April 1955 aus dem Stadtbild. Omnibusse lösen sie in der allgemeinen Kfz-Euphorie ab.

Neues Kapitel mit der Stadtbahn

1999 beginnt für Heilbronn ein neues Kapitel im schienengebundenen öffentlichen Nahverkehr. Von Karlsruhe und Eppingen her erreicht die Stadtbahn den Hauptbahnhof, noch größer ist das Hallo als sie 2001 durch die völlig neu gestaltete Kaiserstraße rollt, um schließlich 2013 bis Neckarsulm und 2014 bis Mosbach und Sinsheim verlängert zu werden.

 
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