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Gefängnisausbrüche verhindern: Das hat es mit der Spezialeinheit der Justiz SGJ auf sich

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Die Spezialeinheit SEK ist den meisten ein Begriff, aber kaum jemand kennt die SGJ. Die Beamten begleiten gefährliche Gefangene und verhindern Gefängnisausbrüche. Zwei Mitglieder aus Heilbronn sind dabei.

Die Spezialeinheit SGJ ist kaum bekannt.
Die Spezialeinheit SGJ ist kaum bekannt.  Foto: Jürgen Kümmerle/ Montage: HSt

Die Decken sind hoch, die Wände des zweistöckigen Altbaus dick und die Fassade steingrau. Wer in Bruchsal die Schönbornstraße entlangfährt, dem fällt zunächst die imposante Justizvollzugsanstalt (JVA) auf, die vor 180 Jahren gebaut wurde. Das Gebäude der Sicherheitsgruppe der Justiz (SGJ) nebendran, das nicht viel jünger sein dürfte, nimmt der Besucher bestenfalls auf den zweiten Blick wahr. Zurückhaltung lautet die Devise.

Vielleicht spiegelt das ein wenig die DNA dieser Gruppe wider. Norbert Glaser ist 56 Jahre alt und seit 1990 bei der Justiz. Sportlich schlank, trainiert, graue kurze Haare. Seit zwei Jahren leitet er die Einheit. Sein Büro im ersten Stock des Altbaus würde man vielleicht eher als Dienstzimmer im klassischen Sinn bezeichnen. Zu viel öffentliche Aufmerksamkeit ist der Gruppe nicht recht. "Wir legen keinen großen Wert auf Außendarstellung." Es sei das erste Mal, dass die Presse zu Besuch sei, erklärt Glaser.

Zu Besuch bei der Spezialeinheit der Justiz bei der JVA Bruchsal

Robert Glaser leitet die Sicherheitsgruppe der Justiz seit zwei Jahren. Die Gruppe hat ihren Sitz direkt neben der Justizvollzugsanstalt Bruchsal.
Robert Glaser leitet die Sicherheitsgruppe der Justiz seit zwei Jahren. Die Gruppe hat ihren Sitz direkt neben der Justizvollzugsanstalt Bruchsal.  Foto: Kümmerle, Jürgen

Anders als andere Sondereinheiten kommen Bürger mit der SGJ nicht in Berührung. Sie ist eine Einheit, die sich um Themen rund um den Justizvollzug kümmert. Sie sei so etwas wie das Spezialeinsatzkommando (SEK) der Justiz und werde dann benötigt, wenn es um die heiklen Aufgaben im Zusammenhang mit der Justiz geht, erklärt Glaser. Aus- und Vorführungen nennen sich solche Einsätze in der Fachsprache. Wenn als besonders gefährlich geltende Gefangene wegen konkreter Fluchtpläne in eine andere JVA verlegt werden müssen. Oder wenn ein Richter oder ein Staatsanwalt noch einmal mit einem Gefangenen dieser Kategorie sprechen möchte, tritt die SGJ auf den Plan.

Bei medizinischen Behandlungen eines Gefangenen, der in die Kategorie gefährlich fällt, übernimmt die SGJ. "Wenn polizeiliche Erkenntnisse über die Mitgliedschaft eines Gefangenen im Bereich der Organisierten Kriminalität vorliegen und es die theoretische Möglichkeit gibt, dass der Gefangene befreit werden soll, braucht man unter Umständen etwas besser ausgebildete Mitarbeiter", sagt Glaser.

Training für Spezialeinheit SGJ: Selbstverteidigung bei Angriff

Ein Teil der Ausrüstung der Sicherheitsgruppe ist in diesen schwarzen Taschen verpackt. Jeder Beamte hat seine eigene Tasche.
Ein Teil der Ausrüstung der Sicherheitsgruppe ist in diesen schwarzen Taschen verpackt. Jeder Beamte hat seine eigene Tasche.  Foto: Kümmerle, Jürgen

Wobei jeder Justizvollzugsbeamte bereits bei seiner Ausbildung das Rüstzeug mitbekommt, um mit gefährlichen Situationen umzugehen, betont Glaser. Dazu gehöre die Selbstverteidigung bei einem Angriff. "Ein neuer Mitarbeiter wird bei uns auf unsere besonderen Einsatzszenarien besonders vorbereitet." Bei den Trainings stelle man Situationen nach, die in der Realität auf die SGJ zukommen können. "Für die Ausbildung bekommen wir ausreichend Zeit. Weit über das Maß hinaus ,wie es in einer JVA möglich ist." Selbstverteidigung und Abwehrtechniken sowie den Umgang mit den SGJ-Einsatzmitteln zu trainieren, dafür seien gut ausgebildete Trainer verantwortlich.

Die Begleiter seien ähnlich ausgerüstet wie Beamte des SEK der Polizei, erklärt Glaser. Ein Foto der Einheit möchte er lieber nicht in der Zeitung sehen. Zu martialisch. Die Aufmachung unterscheide sich nicht großartig von der eines Mitglieds des SEK. Ihre Fahrzeuge sind unauffällig. Bei einem Einsatz jüngst in Heilbronn, bei dem ein Gefangener in die JVA in Heilbronn gefahren wurde, waren sie mit zwei dunklen Mercedes Vito unterwegs. In den Fahrzeugen saßen Beamte, die bereits mehrere Jahre in einem Gefängnis gearbeitet haben. Für sie bietet die SGJ eine Möglichkeit der Weiterbildung, die später in der JVA genutzt werden könne. Denn die Hälfte der Beamten sind nur für eine gewisse Zeit bei der SGJ. Derzeit seien es zwei Beamte aus Heilbronn. Danach kehren sie zurück in die JVA. Dort können sie ihr Wissen und Können einsetzen.

Die JVA Heilbronn wird übrigens für 100 Millionen Euro saniert.

Mitglieder der SGJ fungieren auch als Berater für andere JVA

Robert Glaser möchte die Gruppe nicht auf Aus- und Vorführungen reduziert wissen. 20 Prozent, so schätzt der Mannheimer, machen diese Einsätze aus. Doch auch für die restlichen 80 Prozent ist deren Kompetenz gefragt, wenn es um die Sicherheit des baden-württembergischen Justizvollzugs geht. Dazu gehöre es, Sicherheitsstrukturen der Gefängnisse im Land zu überprüfen. "Wir begleiten beratend alle sicherheitsrelevanten Baumaßnahmen in einer JVA." Gegenstände, die beschafft werden müssen, wie Fesselwerkzeuge, Körperausrüstungen der Bediensteten oder schlicht Röntgengeräte oder Metallsuchrahmen, wie man sie an Flughäfen kennt, testet die SGJ in Bruchsal. Die Einheit beschafft außerdem Gefangenentransportfahrzeuge. Die SGJ hat ein Alleinstellungsmerkmal. Nirgends in Deutschland stellt die Justiz eigens eine Einheit bereit, die für besondere Aufgaben abgekoppelt ist.

Andere Justizvollzugsanstalten im Land profitieren von dem Wissen der Einheit in Bruchsal. "Wir geben Referenztätigkeiten im Bereich Betäubungsmittel, Durchsuchung von Hafträumen und Personen." Seit zwei Jahren sei es ihnen rechtlich erlaubt, Datenträger auszuwerten. Die werden oft bei Durchsuchungsaktionen bei Gefangenen in Hafträumen sichergestellt. Durch die Auswertung der Datenträger gelingt es, subkulturelle Strukturen, die es in vielen JVA in Baden-Württemberg gibt, zu erkennen und zu bekämpfen. Apropos Subkulturen: Werden bei einem Verdacht mehrere Zellen gleichzeitig durchsucht, fordern die Haftanstalten die SGJ über das Justizministerium an. Es gilt, Gefängnisse so sicher wie möglich zu machen.

Ausbrüche aus dem Gefängnis vermeiden

"Das Justizministerium unternimmt baulich und technisch viel, um Ausbrüche zu vermeiden", sagt Glaser. Es soll Gefangenen schwergemacht werden, Mauern und Absperrungen zu überwinden. Dafür sorgt auch die SGJ. An einen Gefängnisausbruch im Land in den vergangenen Jahren kann sich Glaser nicht erinnern. "Darauf kann man stolz sein." Der Leiter der SGJ mag seinen Beruf. Zu Aus- und Vorführungen fährt er regelmäßig mit, zu seinen Mitarbeitern pflegt er ein kollegiales Verhältnis. Seine Bürotür steht offen. "Ich bin gläsern und nicht wie andere Leiter nur noch administrativ tätig." Das wird spürbar, als die Truppe von einem Termin zurückkehrt. Ein Mitarbeiter ruft in Glasers Büro: "Sind wieder da, Chef." Sie waren unterwegs und haben ausgebaute Schlösser aus einer JVA direkt zum Hochofen gefahren, wo sie vernichtet wurden. Auch das gehört zu ihren Aufgaben.

In der JVA Bruchsal saß der verurteilte Mörder ein, der im Herbst vergangenen Jahres fliehen konnte und international gesucht wurde.  


Geschichte der SGJ: Die Sicherheitsgruppe Justiz (SGJ) wurde 1978 gegründet. Anlass war die Gründung der Roten Armee Fraktion (RAF). Es galt, die Umstände der Suizide der Mitglieder Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Stammheim aufzuklären, erklärt Leiter Robert Glaser. Die SGJ ist an die JVA Bruchsal angebunden, fachlich jedoch direkt dem Justizministerium Baden-Württemberg unterstellt. Die Gruppe hat 14 Mitglieder. Sieben sind fest bei der SGJ angestellt. Die anderen sieben haben bereits Erfahrungen als Justizvollzugsmitarbeiter gesammelt und werden alle paar Jahre ausgetauscht. In Einstellungsrunden seien es bis zu 40 Bewerber. Nach der Einstellung durchlaufen die neuen Mitglieder der Gruppe ein intensives, mehrwöchiges Sicherheitstraining.

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