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Wegen Mordes verurteilt
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Raserprozess in Heilbronn: 21-Jährigem droht Abschiebung

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Das Landgericht Heilbronn hat einen türkischen Staatsbürger wegen Mordes zu neun Jahren Gefängnis verurteilt. Scheitert die angekündigte Revision seiner Anwälte, muss er womöglich Deutschland verlassen.

Das Landgericht Heilbronn hat den Angeklagten unter anderem wegen Mordes verurteilt.
Das Landgericht Heilbronn hat den Angeklagten unter anderem wegen Mordes verurteilt.  Foto: Seidel Ralf

Im Heilbronner Raserprozess ist der 21 Jahre alte Angeklagte am Montag unter anderem wegen Mordes und dreifachen versuchten Mordes zu einer Jugendstrafe von neun Jahren Gefängnis verurteilt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Wird die angekündigte Revision seiner Verteidiger Anke Stiefel-Bechdolf und Stefan Lay aber verworfen, droht dem türkischen Staatsbürger die Ausweisung aus Deutschland. Richter Alexander Lobmüller hat es in seiner Urteilsbegründung bereits angedeutet. Mit dem Richterspruch muss der Angeklagte mit ausländerrechtlichen Konsequenzen rechnen.

Mordurteil im Heilbronner Raserprozess – Baden-Württemberg will schwere Straftäter abschieben

„Wir setzen in Baden-Württemberg alles daran, schwere Straftäter abzuschieben. Grundsätzlich gilt: Wer Straftaten begeht, muss Deutschland verlassen“, sagt Siegfried Lorek, Staatssekretär für Migration im Ministerium der Justiz und für Migration Baden-Württemberg, auf Anfrage unserer Redaktion.


Im Aufenthaltsgesetz der Bundesrepublik ist geregelt, dass ein öffentliches Ausweisungsinteresse besteht, wenn ein Ausländer eine vorsätzliche Straftat begeht, die zu einer Haftstrafe führt. Das gilt insbesondere für Straftaten gegen das Leben und gegen die körperliche Unversehrtheit. „Und das gilt auch, wenn es sich um eine Jugendstrafe handelt“, sagt der Heilbronner Fachanwalt für Ausländer- und Migrationsrecht, Christoph Wingerter.

Zuständig für die Ausweisung straffälliger Ausländer in Heilbronn ist das Regierungspräsidium Stuttgart (RP). „Sobald der Ausländerbehörde der Stadt Heilbronn das rechtskräftige Urteil vorliegt, wird es an das RP weitergeleitet“, sagt Suse Bucher-Pinell, Sprecherin der Stadt Heilbronn.

Die Behörde in Stuttgart äußert gegenüber unserer Redaktion: „Bezüglich des Betroffenen ist im Regierungspräsidium ein Ausweisungsverfahren anhängig. Aus datenschutzrechtlichen Gründen können wir hierzu keine näheren Auskünfte geben“, so die stellvertretende Sprecherin des Regierungspräsidiums gegenüber unserer Redaktion.

Nach Verurteilung: Einer Ausweisung folgt nicht immer die Abschiebung

„Abgewogen wird immer der Einzelfall“, sagt der Heilbronner Fachanwalt. Bei einer Haftstrafe von neun Jahren wegen Mordes, könne er sich aber nicht vorstellen, dass der Aufenthaltsstatus des 21-Jährigen nicht geändert wird, so Wingerter. Eine Ausweisung sei so gut wie sicher. Unabhängig davon, ob der Verurteilte in Heilbronn geboren und aufgewachsen ist und keinen Bezug zu seinem Heimatland hat.

Ob eine Ausweisung aber auch eine Abschiebung zur Folge hat, hängt vom Aufenthaltsstatus des Verurteilten ab. Flüchtlinge, denen in ihren Heimatländern Tod oder Folter droht, können nicht abgeschoben werden. Der 21 Jahre alte Wollhausstraßen-Raser ist kurdischer Abstammung. 

Sollte der Angeklagte als Kurde in der Türkei verfolgt werden, wäre er in Deutschland nur noch geduldet. Mit der Folge, dass er nach seiner Haftentlassung unter anderem nicht mehr reisen könnte. Setze er zum Beispiel einen Fuß nach Frankreich, dürfe er nicht mehr nach Deutschland zurück, so Wingerter.

Sonderstab für gefährliche Ausländer in Baden-Württemberg eingerichtet

Baden-Württemberg hat inzwischen „Sonderstäbe für gefährliche Ausländer“, so der Staatssekretär. „Dass Abschiebungen trotzdem noch oft scheitern, ärgert mich. Die Bundesregierung muss die Voraussetzung schaffen, dass wir Länder tatsächlich auch unseren Job machen und abschieben können. Das passiert aktuell nicht“, sagt Lorek. 

Bei Jugendstrafen würde besonders abgewogen, so Christoph Wingerter. Hier werde nicht generalpräventiv ausgewiesen. Weil die entscheidende Frage zu beantworten sei, ob der Verurteilte nach der Verbüßung seiner Haftstrafe noch eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt. Jugendlichen werde zugutegehalten, dass sie sich noch entwickeln.

Mit Blick auf die Prognose, was vom Heilbronner Raser künftig zu erwarten sei, „wäre es sicher besser gewesen, er hätte während des Prozesses gesprochen, anstatt die ganze Zeit über regungslos zu schweigen“, sagt Christoph Wingerter. 

Verbüßung der Strafe hat Vorrang vor Abschiebung

Nach einer Verurteilung eines Ausländers wird der Verbüßung der Freiheitsstrafe grundsätzlich zunächst Vorrang vor einer Abschiebung eingeräumt, so Wingerter. Gelangte der Verurteilte durch eine Abschiebung direkt in Freiheit, würde die Sanktions- und Präventionswirkung der Freiheitsstrafe ins Leere gehen, betont auch Ministeriumssprecherin Anna Härle. Es bestehe auch die Möglichkeit, von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe nach Verbüßung eines Teils der Strafe abzusehen, um den Verurteilten abzuschieben.

„Regelmäßig wird vorausgesetzt, dass zumindest die Hälfte der Freiheitsstrafe vollstreckt ist“, so Härle. Die Vollstreckung der Reststrafe kann aber nachgeholt werden, sollte der Verurteilte nach Deutschland zurückkehren. Um dies zu gewährleisten, erwirkt die Strafvollstreckungsbehörde nach der Abschiebung zugleich einen Haftbefehl gegen den Verurteilten für den Fall seiner Rückkehr. 

Abschiebezahlen in Baden-Württemberg

Aus Baden-Württemberg wurden laut dem Ministerium der Justiz und für Migration im vergangenen Jahr 2099 Menschen abgeschoben, davon 818 Straftäter, also Personen, bei denen Erkenntnisse über eine strafrechtliche Verurteilung vorlagen. Im Jahr 2024 waren es bis einschließlich März 650 Abschiebungen, davon 177 Straftäter. Hinzu kommen freiwillige Ausreisen: Im Jahr 2023 waren es 2333 freiwillige Ausreisen. 

 

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