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Todesfahrt in Heilbronn: Angeklagter Raser würde Unfall gern ungeschehen machen

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Auch am zweiten Prozesstag gegen einen 21-Jährigen aus Heilbronn ist jeder Besucherplatz im Landgericht besetzt. Das Interesse der Öffentlichkeit ist groß – auch an den Ausführungen einer Mitarbeiterin des Jugendamts, die den Angeklagten in der Haft besucht hat.

An diesem Dienstag läuft der zweite Prozesstag gegen den 21-jährigen Heilbronner, der im Februar 2023 in der Wollhausstraße mit beinahe 100 Stundenkilometern einen Verkehrsunfall mit einem Toten und mehreren Verletzten verursacht haben soll. Die Frau des getöteten Mannes sowie die beiden Kinder wurden bei dem Unfall teils schwer verletzt. Auch der Todesfahrer sowie seine 19-jährige Beifahrerin erlitten Verletzungen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt deshalb nicht nur wegen Mordes, sondern auch wegen versuchten Totschlags.

Das öffentliche Interesse ist beim zweiten Prozesstag wieder groß, wie schon beim Prozessauftakt ist jeder Besucherplatz im Großen Saal des Landgerichts belegt. Der Angeklagte selbst will weder zur Person noch zur Sache Angaben machen. Einen Einblick in sein Leben gibt dafür eine Mitarbeiterin des Heilbronner Jugendamts.

Jugendamt-Mitarbeiterin: Angeklagter Raser aus der Wollhausstraße würde Unfall gern ungeschehen machen

Dreimal habe sie den 21-Jährigen während seiner Haft besucht. Laut der Mitarbeiterin würde der Angeklagte den Unfall gern ungeschehen machen. Er weine oft und schlafe schlecht. Künftig wolle er keine schnellen Autos mehr fahren. Seine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker mache er derzeit in der JVA weiter. Mit seiner Familie habe der Angeklagte ein enges Verhältnis, insgesamt habe er drei Geschwister. Dem Vater half er am Wochenende in dessen Gastrobetrieb aus. Als „kindlich“ beschreibt die Jugendamt-Mitarbeiterin den 21-Jährigen und seine Schilderungen ihr gegenüber. Vor dem Unfall habe er noch zu Hause gewohnt. 

Zwischenzeitlich sei der Angeklagte auch Mitglied im Heilbronner Jugendgemeinderat gewesen und habe sich dort mit Verkehrsthemen auseinandergesetzt. Laut Richter Alexander Lobmüller habe er bei der Wahl in das Gremium ein sehr gutes Ergebnis erzielt. 

Angeklagter Raser aus der Wollhausstraße: Briefe aus dem Gefängnis

Zum Abschluss des rund 90-minütigen Verhandlungstags liest Berichterstatter Markus Schönberger aus Briefen vor, die der Angeklagte seiner Freundin und deren Bruder aus dem Gefängnis geschrieben hat. „Ich hoffe jeden Tag, dass dieser Albtraum ein Ende nimmt.“ Oder: „Ich realisiere immer noch nicht, dass ich hier bin“, heißt es unter anderem. Er sei unschuldig, es handele es sich um einen Unfall.

Bereits am Mittwoch, den 6. September, geht es weiter. Acht Zeugen sind für den dritten Verhandlungstag geladen, informiert der Pressesprecher des Heilbronner Landgerichts, Lutz Hils. Unter anderem sollen die Frau des verstorbenen Mannes aussagen sowie die Passantin, die er vor dem tödlichen Unfall auf der Allee mit einer Geschwindigkeit von rund 70 Stundenkilometern beinahe überfahren haben soll. Ebenfalls als Zeugin für den 6. September vorgesehen ist laut Pressesprecher Lutz Hils die Freundin des Angeklagten, die bei dem Unfallgeschehen neben ihm im Auto saß.

Verurteilung von Rasern als Mörder: Es bedarf eine Einzelfall-Prüfung

Raser können als Mörder verurteilt werden. Als Meilenstein gilt die Verurteilung eines damals 27-Jährigen, der sich im Februar 2016 auf dem Berliner Kurfürstendamm ein Rennen mit einem anderen jungen Mann lieferte. Er wurde als erster Raser in Deutschland wegen Mordes rechtskräftig zu lebenslanger Haft verurteilt.

Anders sieht es in einem Fall in Stuttgart vor drei Jahren aus: Ein 20-Jähriger fuhr zwei Menschen tot. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Anwälte der Eltern der Opfer hatten eine Verurteilung wegen Mordes gefordert. Doch dazu kam es nicht. Er wurde zu fünf Jahren Jugendstrafe verurteilt. Es bedarf also immer einer Prüfung des Einzelfalls. Geklärt werden muss, ob fahrlässig oder mit Vorsatz gehandelt wurde.

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