Prunkvolle Villen, Bau-Sünden und elitäre Projekte: Vom ewigen Ringen um Baukultur in Heilbronn
Ein Blick in die Geschichte der Stadtplanung und Architektur offenbart Problempunkte in Heilbronn. Welche Chancen Experten hier für eine Stadt der Zukunft sehen und welche Leuchtturmprojekte es bereits gibt.

"Heilbronn als Stadt der Chancen betrachten." So brachte Baubürgermeister Andreas Ringle einen Themenabend zur Heilbronner Baukultur im Atelier der Inselspitze auf den Punkt - der leider von einer miserablen Akustik getrübt wurde. Zunächst nahm Architekturhistoriker Joachim Hennze 50 Besucher mit Lichtbildern mit auf einen "Spaziergang durch die Jahrhunderte".
Anschließend reflektierten Ex-Baubürgermeister Ulrich Frey sowie die Architekten Franz-Josef Mattes und Gerd Krummlauf die jüngere Baugeschichte von Heilbronn. Am Ende hoben sie auf aktuelle, teils von Besuchern ins Spiel gebrachte, Herausforderungen ab.
Ipai, Neckarbogen und Bildungscampus für die Stadt der Zukunft
Wie Ringle sah das optimistische Trio darin Chancen für eine Stadt der Zukunft. Und dies nicht nur am Stadtrand mit elitären Projekten wie Ipai, Neckarbogen oder Bildungscampus, sondern mitten in der "internationalen" City: mit passenden Begegnungs-Räumen und -Formen, mehr Grün gegen Sommerhitze, energetischen Aspekten und der Komprimierung oder gar Aufstockung von Häusern.
Schmuckvolle Villen in einer Handels- und Industriemetropole
Hennze gliedert die heimische Bauhistorie in vier Perioden. Über Jahrhunderte war die durch Wein, Handwerk und Handel recht reiche Reichsstadt von engen Gassen, Fachwerkhäusern und einigen Prunkbauten rund um Rathaus und Kiliansturm geprägt. Nach dem Fall der Stadtmauern entwickelte sich die Neckarstadt im 19. Jahrhundert zur überregional bedeutsamen Handels- und Industriemetropole. Fabriken, Arbeiterhäuser, auch schmucke Villen tauchten im Stadtbild auf.
Doch der Zweite Weltkrieg machte fast alles zunichte. Etliche Sünden hat aber auch der aus der Not geborene Wiederaufbau und die Wirtschaftswunderzeit zu verantworten. Nur wenige historische Gebäude wurden rekonstruiert, Straßen diktierten die Stadtplanung. Hennze spricht von der Zeit der architektonischen Austauschbarkeit.
Abriss- und Beton-Mentalität der 70er
In den 1970ern erhoben sich kritische Stimmen gegen Abrissbirnen, Massenwohnungsbau, Beton-Brutalismus und die Stagnation in der Altstadt. Kurzum: Man besann sich langsam auf Baukultur und entdeckte vor allem im relativ heil gebliebenen Osten und in der Südstadt die vielen Gründerzeitgebäude neu: von der 1977 verkehrsberuhigten Werderstraße bis zu prunkvollen Villen, deren Sanierung zusammen mit ambitionierten modernen Neubauten seit den 1990ern die vierte, aktuelle Periode der Stadtentwicklung markieren. Sie ist eng mit dem damaligen Baubürgermeister Frey verbunden, mit einer jungen, einheimischen Planergeneration und zuletzt mit der Buga als Treiber.
Stadtbahn sorgte für Schub in der Heilbronner Stadtentwicklung
Rahmenpläne und Wettbewerbe waren Schlüssel zu mehr Qualität. Nachhaltig auf Planer und Bauherren wirkt die Reihe Heilbronner Architekturgespräche, bei der europäische Top-Planer regelmäßig Projekte präsentieren, etwa im neuen, 1992 eingeweihten Technischen Rathaus, das nebenbei ein wegweisender Baustein der neuen Baukultur ist.
Einen Schub bekam die Stadtentwicklung durch die Stadtbahn. Sie bildete seit den 1990ern den Motor und Katalysator für eine Reihe von Vorhaben entlang der innerstädtischen Trasse, die nicht nur den öffentlichen Raum aufwertete: vom spektakulären Glasdach vor dem Hauptbahnhof über die Sanierung und Ergänzung historischer Gebäude an der Bahnhofstraße und die neue Kaiserstraße bis zu der in eine Art Nadelstreifen verkleideten Harmonie-Erweiterung - und anderen Leuchttürmen.
Getoppt wird die neue Baukultur vom Stadtteil Neckarbogen, der in vielerlei Hinsicht nachhaltig konzipiert ist und viele Bürger - zumindest im Buga-Jahr 2019 - wie in alten Zeiten stolz auf ihre Stadt sein ließ.
Jahresthema Baukultur
Baukultur im Zeichen ihrer Zeit: So lautet 2023 das Motto des Jahresprojekts der Kulturregion Heilbronner Land. Der von Roland Halter und Thomas Schick geleitete Arbeitskreis kooperiert mit 18 Kommunen. Seit 1995 fördert er mit wechselnden Projekten die regionale Kultur. Mit etlichen Veranstaltungen wollen die Initiatoren die Öffentlichkeit diesmal speziell für Baukultur sensibilisieren. Der Themenabend auf der Heilbronner Inselspitze war eine davon.
Ausführliche Informationen gibt es hier.