Hilfe für Wohnungslose: Ohne Träger steht die Zukunft der Mühle in Heilbronn auf dem Spiel
Mitglieder des Sozialausschusses machen sich ein Bild vom Projekt "Mühle der Hoffnung" für Wohnungslose. Die Stadt sucht dringend neuen Träger.

Ostereier im Kronleuchter, Gardinen am Fenster, die Küchenregeln hängen in Sichtweite des Esstischs: Die Mühle der Hoffnung im Altböllinger Hof, in der zehn Wohnungslose eine Heimat auf Zeit bekommen können, vermittelt den Besuchern eine heimelige Atmosphäre.
"Beeindruckt und berührt" zeigen sich Mitglieder des Sozialausschusses, die vor ihrer jüngsten Sitzung das spezielle Unterkunftsmodell bei einer Ortsbegehung kennenlernten. Stadtrat Rainer Hinderer hatte hierzu für die SPD-Fraktion im August vergangenen Jahres einen Sachstandsbericht beantragt.
Das Projekt war auf zwei Jahre angelegt
Wie geht es mit der Mühle weiter?, ist die Frage, auf die die Verwaltung dringend eine Antwort sucht. Denn das auf zwei Jahre angelegte Projekt läuft im Herbst aus. Und auch der bisherige Träger, Siegfried Lauk von der Lauk GmbH, beendet Ende September seinen Einsatz aus Altersgründen. Wer könnte dann seine Nachfolge antreten?
Ziel: Aus der Obdachlosigkeit zu kommen und abstinent zu bleiben
Schafe, Enten, Hühner, Wachteln, Fasane, Kaninchen und Meerschweinchen müssen auf dem Areal versorgt werden. Die Bewohner kümmern sich um das Gemüse- und Kräuterbeet, gekocht wird gemeinsam, zudem gibt es eine Werkstatt. "Tagesstrukturierende Maßnahmen" heißt das im Fachjargon. Das Ziel: raus aus der Obdachlosigkeit - aber in Abstinenz.

Der Aufenthalt hier soll als Steigbügel in ein normales Leben dienen. Zwei der aktuell neun Bewohner seien auf gutem Weg dahin, sagt Grisu Neubeck, die mit ihrem Mann Andreas Neubeck die Mühle führt. "Eine Frau arbeitet jetzt beim Steuerberater und hat einen Festvertrag bekommen." Ein junger Mann beginne eine Lehre in der Heilbronner Weinvilla.
Das Projekt ist eine Weiterentwicklung des Erfrierungsschutzes während Corona
Entstanden ist das Projekt als Weiterentwicklung des Erfrierungsschutzes im Heilbronner Freibad Neckarhalde in der Corona-Pandemie 2020, berichtet Sozialbürgermeisterin Agnes Christner. Zunächst war die Aufbaugilde Träger. Obdachlose Menschen konnten sich damals wegen der Verordnungen kaum im öffentlichen Raum aufhalten. 2021 sei das Projekt in jetziger Form gestartet.
Dass sie beim täglichen Miteinander Grenzen aufzeigt, macht Grisu Neubeck klar. "Zwei Jüngere sind Lausbuben. Da muss man schon mal den Tarif durchgeben." Einmal die Woche treffe sich die Sucht-Selbsthilfegruppe. "Wer nicht abstinent ist, geht wieder."
Es gibt klare Regeln
Vor dem Haus stehen Bewohner. "Ich finde es gut hier", sagt ein Mann. Die Regeln seien streng, "doch die Bewohner nehmen sie an", sagt Barbara Fleck-Ibele, die als Ehrenamtliche hilft. Bis abends habe keiner Zugriff auf sein Handy.
Zurück im Ratssaal fühlt sich Hartmut Seitz-Bay, Geschäftsführer der offenen Hilfen, "an die antroposophische Jugendhilfe in den 70ern" erinnert, "getragen von einem familiären Geist". Während sich Sylvia Dörr (FDP) von "der Selbstlosigkeit der Herbergseltern beeindruckt" zeigt, die auch für Ehemalige da seien oder nachts, wenn Bewohner nicht schlafen könnten, sieht Seitz-Bay hier ein Problem.
Hartmut Seitz-Bay fragt nach der Einhaltung von Arbeitszeiten
"Bei einem neuen Träger kommen doch Dinge wie Tarifvertrag und Arbeitszeiten ins Spiel. Das alles scheint mir außer Kraft gesetzt. Das Mitarbeiter-Paar scheint 24 Stunden am Tag erreichbar zu sein." Zudem frage er sich, ob die Fachlichkeit gewährleistet sei, da viele Bewohner psychiatrische Probleme hätten. Die meisten Zuweisungen kommen vom ZfP Weinsberg. "Das ist für mich nicht abschließend geklärt."
Die Verwaltung unterstreicht, dass die Fachlichkeit gewährleistet sei
Das Ehepaar Neubeck sei nach Tarif beschäftigt, sagt Sozialamtsleiter Achim Bocher. Hinzu komme eine sozialpädagogische Fachkraft. "Wir stellen sicher, dass durch das Zusammenspiel des Ehepaars Neubeck mit Ehrenamtlichen und der Fachkraft rund um die Uhr jemand da ist." Agnes Christner ergänzt: "Die Fachlichkeit ist zudem durch den Träger und den Austausch mit dem ZfP gewährleistet."



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