Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel bekennt sich zu Windrädern im Stadtgebiet
"Wir stehen vor dem Jahr der Wahrheit", sagt Harry Mergel mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung. Im großen Stimme-Interview spricht Heilbronns Oberbürgermeister über Sicherheit, die Zukunft des Handels und Windräder im Stadtgebiet.

Das Thema Sicherheit nimmt der Heilbronner Oberbürgermeister Harry Mergel sehr ernst. In Sachen Kaufhof-Galeria ist er zuversichtlich, dass die Filiale nicht geschlossen wird.
Beginnen wir mit einem brandaktuellen Thema: Sicherheit in der Stadt. Vor allem nach den Vorkommnissen an Silvester und der Messerstecherei wenige Tage später. Glauben Sie noch immer an die Formulierung, dass Heilbronn der sicherste Stadtkreis in Baden-Württemberg ist?
Harry Mergel: Die Ereignisse haben mich tief schockiert, denn sie beeinträchtigen auch das Sicherheitsgefühl unserer Bürgerinnen und Bürger. Die Kriminalstatistik der Polizei belegt dagegen seit Jahren, dass Heilbronn der sicherste Stadtkreis im Land ist. Wir nehmen das Thema sehr ernst. Derzeit sind wir dabei, aus den Ergebnissen zusammen mit vielen Akteuren konkrete Optimierungsmaßnahmen abzuleiten.
Muss man sich als Bürger in Heilbronn fürchten?
Mergel: Nein, da in der Regel eine Täter-Opfer-Beziehung besteht und statistisch gesehen die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer Straftat zu werden, in keinem Stadtkreis im Land geringer ist als in Heilbronn.
Dann müssten junge Ausländer in Heilbronn ja nicht mit einem Messer oder Reizgas herumlaufen.
Mergel: Da haben Sie recht, wir reden hier aber nicht über ein Heilbronner Phänomen. Überall im Land passieren nahezu wöchentlich ähnliche Taten. Der zunehmenden Bewaffnung muss gesetzlich begegnet werden.
In Stuttgart gilt für die Innenstadt ein Waffenverbot. Ein Vorbild für Heilbronn?
Mergel: Auch wenn die Situation in Stuttgart wesentlich prekärer ist, können Sie davon ausgehen, dass wir keine sinnvolle Maßnahme zur Verbesserung der Sicherheitslage ausschließen.
Der Täter, der in der Silvesternacht unter anderem Polizisten angegriffen hat, wurde binnen Tagen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Ein probates Mittel?
Mergel: Das schnelle Handeln von Polizei und Justiz begrüße ich sehr und hoffe, dass es ein Signal ist und potenzielle Straftäter abschreckt.
Für das Image der Innenstadt ist auch der Einzelhandel von zentraler Bedeutung. Der Galeria-Konzern ist angeschlagen. Fürchten Sie, dass die Kaufhof-Filiale schließt?
Mergel: Wir haben früh Kontakt aufgenommen mit der lokalen Geschäftsführung und bleiben optimistisch, was die Zukunft der Filiale betrifft. Eine Schließung würde uns in unserem Bemühen, die Innenstadt weiter attraktiv und lebendig zu halten, deutlich zurückwerfen.
Was macht Sie so zuversichtlich?
Mergel: Das gute Zusammenspiel aller Akteure und die Tatsache, dass in unserer Innenstadt kräftig in Neubauprojekte investiert wird. Zum Beispiel in der Sülmerstraße, der Fleiner Straße, dem Barthel Areal und sicher auch bald im Wollhaus Zentrum.
Wenig attraktiv ist die Fernverkehrsanbindung mit der Bahn. Maßnahmen die jetzt im Raum stehen, sollen die Verbindungen zu den Knoten verbessern. Ist das der endgültige Abschied von IC und ICE?
Mergel: Wir sind in der Region in allen Verkehrsthemen abgestimmt und arbeiten gemeinsam daran, die Anbindung an die umliegenden Fernverkehrsknoten zu optimieren. In der Tat müssen wir die Anbindung nach Würzburg verbessern, auch nach Mannheim. Die Fahrt dorthin dauert 80 Minuten, das ist zu lang. Wir vertrauen auf die Zusicherung, dass mit der Fertigstellung von Stuttgart 21 die direkte Anbindung an den Flughafen in 48 Minuten kommt. Um eine Anbindung an den Fernverkehr kämpfen wir selbstverständlich weiter.
Neben dem Verkehr ist die Energieversorgung ein großes Zukunftsthema. Ein Windrad gibt es in der Stadt nicht. Wird sich das ändern?
Mergel: Der Gemeinderat wird im Frühjahr eine Grundsatzentscheidung dazu treffen, Standortvorschläge liegen bereits vor. Wenn wir unsere Klimaschutzziele erreichen wollen, wird es auch in Heilbronn Windräder geben müssen.
Kommunale Spitzenverbände schlagen Alarm, Städte und Gemeinden könnten ihre immer zahlreicheren Aufgaben bald nicht mehr erfüllen. Wie steht es um die Stadtfinanzen?
Mergel: Wir sind in der privilegierten Lage, dass wir dank nicht vorhersehbarer Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer und aus dem Finanzausgleich 2023 keine Kredite aufnehmen müssen. Wir investieren in wichtige Zukunftsthemen und können zum Beispiel 2023 auf die Erhöhung der Grundsteuer verzichten. Ich denke, 2023 wird das Jahr der Wahrheit, in dem sich zeigen wird, wie sich vor allem die internationalen Märkte verändern und welche Auswirkungen das auf die heimische Wirtschaft haben wird.
Heilbronn gönnt sich mit dem beitragsfreien Kindergarten ein teures Alleinstellungsmerkmal. Was ist mit der Betreuung von Kindern unter drei Jahren?
Mergel: Der gebührenfreie Kindergarten ist eine Errungenschaft, um die uns viele beneiden. Dies auf die Kleinkindbetreuung U3 auszudehnen, ist ohne Land und Bund nicht finanzierbar.
Für den Innovationspark Künstliche Intelligenz (IPAI) in den Böllinger Höfen läuft der städtebauliche Wettbewerb. Gemunkelt wird, dass als Hingucker ein weithin sichtbares Hochhaus entstehen soll.
Mergel: Es wird mit dem Ipai ein hochmodernes Stadtquartier entstehen, in dem im Endausbau einmal bis zu 5000 Menschen forschen, arbeiten und wohnen werden. Dass wir hier auf eine spektakuläre Wahrnehmung setzen ist selbstverständlich. Im März tagt das Preisgericht. Danach wissen wir mehr.
Gibt es Überlegungen, den Campus auch Richtung Süden, dort, wo das REV-Stadion steht, auszudehnen?
Mergel: Nein.
Stichwort Großveranstaltungshalle. Gibt es diesbezüglich Neues?
Mergel: Ich will nicht ausschließen, dass die Stadt in den nächsten Jahren eine solche Halle braucht, am besten multifunktional. Das Thema Eishalle ist ohne Investor derzeit aber auf Eis gelegt.
Ihr Wunsch 2023 für Heilbronn?
Mergel: Städtebaulich wollen wir die Chance nutzen, die Stadt weiter an den Neckar heranzuführen und das Stück zwischen Friedrich-Ebert-Brücke und dem Götzenturm umgestalten. Drei Gestaltungsvorschläge liegen bereits vor, im Etat 2024 würden wir gerne erste Mittel dafür einstellen.
Und Ihre persönliche Motivation?
Mergel: In dieser spannenden, aber auch herausfordernden Zeit daran mitzuwirken, meine Heimatstadt jeden Tag ein Stück besser zu machen, ist Motivation pur.