Kostenlose Tampons und Binden: Pilotprojekt an Heilbronner Schulen gestartet
Mit dem Gratisangebot will Heilbronn gegen Periodenarmut vorgehen. Das sagen Schülerinnen und Schulleitungen über das Pilotprojekt.

Seit Januar gibt es an allen weiterführenden Schulen und Sonderpädagogischen Bildungs- und Beratungszentren mit Hauptstufen in Heilbronn kostenlose Tampons und Binden. Im Sekretariat können sich Schülerinnen Periodenprodukte abholen.
Noch einen Schritt weiter gehen die Heinrich-von-Kleist-Realschule und die Johann-Jakob-Widmann-Schule: Hier gibt es seit rund drei Wochen Spender mit kostenlosen Periodenprodukten in der Toilette.
Gratisangebot soll Periodenarmut entgegensteuern
Das Pilotprojekt geht aus einem Antrag der Stadträtinnen von Grünen, SPD und Freie Wähler zum Weltfrauentag am 7. März 2022 zurück. Die Fraktionen sprachen sich unter anderem für kostenlose Tampons und Binden im Heilbronner Rathaus sowie in sämtlichen Bürgerbüros, Jugendhäusern und Schulen aus. Das Gratisangebot soll der Periodenarmut entgegensteuern. Der Begriff bezeichnet den Umstand, wenn sich Mädchen und Frauen keine Menstruationsartikel leisten können.
Eigentlich sollte das Pilotprojekt in Heilbronn bereits im Herbst des vergangenen Jahres starten. Bei der Beschaffung kam es aber zu Verzögerungen, "da der Handel in diesem Segment noch nicht auf Großbestellungen eingestellt ist", hieß es damals auf Nachfrage aus der Heilbronner Pressestelle. Bei den Neuntklässlerinnen der Heinrich-von-Kleist-Realschule kommt das Angebot jedenfalls gut an. Emanuela Hodzic, Sarah Förster und Veronika Frisorger wissen um die Hemmschwelle, die vor allem junge Mädchen haben können, nach Periodenprodukten zu fragen. "Vielen ist das peinlich."
Auch Ersatzkleidung gibt es im Sekretariat
Nicht immer habe man etwas dabei, und die Regelblutung könne auch mal überraschend einsetzen. Dank des Spenders brauche es nicht mehr den Gang ins Sekretariat, sondern ein Abstecher ins WC genüge, so der Tenor. Auch Galina Enachi findet das Angebot "mega cool". Sie sei selbst schon einmal von ihren Tagen überrascht worden. Ausgerechnet an diesem Tag hatte sie eine weiße Hose an.
Weil solche Situationen schon das eine oder andere Mal vorgekommen sind, gibt es in der Heinrich-von-Kleist-Realschule seit diesem Schuljahr Ersatzkleidung im Sekretariat, erklärt Schulleiterin Melanie Haußmann. Nicht nur auf Unterwäsche oder Hosen, sondern auch auf Pullis könnten Schülerinnen und Schüler zurückgreifen – auch falls mal unerwartet ein Regenschauer runterkommen sollte.
"Die Periode sollte kein Tabuthema sein"
"Die jungen Menschen verbringen viel Zeit in der Schule. Wir versuchen, beste Rahmenbedingungen zu schaffen, damit sich alle wohlfühlen", sagt Melanie Haußmann. "Die Periode gehört zum Leben einer Frau dazu. Sie sollte kein Tabuthema sein."
Deshalb gehe man mit dem Thema offen um. Zum Beispiel gibt es für Sechstklässlerinnen einen MFM-Workshop. Die Abkürzung steht für: "my fertility matters", auf Deutsch: Meine Fruchtbarkeit ist wichtig. Informativ und spielerisch setzen sie sich mit dem weiblichen Zyklus oder den Umgang mit dem eigenen Körper auseinander, so Haußmann.
Wie groß die Nachfrage wird, bleibt abzuwarten
Auch in der Jakob-Widmann-Schule kommt der Spender mit den kostenlosen Menstruationsartikeln super an. "Eine gute Idee, vor allem für bedürftige Mädchen", finden drei 17-jährige Schülerinnen, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchten. "Dieses Angebot sollte es in allen Schulen in ganz Baden-Württemberg geben."
Schulleiter René Bertsch ist gespannt, wie das Angebot in den nächsten Monaten angenommen wird. Die Krucks sei, dass die Menstruation für viele ein schambehaftetes Thema sei. "Wenn der Spender hilft, diesen Scham abzubauen, dann hat er sich schon gelohnt."
Kostenlose Periodenprodukte sind in Schottland gesetzlich verankert
Womit Heilbronn derzeit Neuland betritt, ist in anderen Städten wie Tübingen, Heidelberg, Karlsruhe oder Düsseldorf schon bekanntes Terrain. In der Vorreiter-Stadt Tübingen beispielsweise gibt es das Angebot seit Anfang 2022.
Schottland ist noch einen Schritt weiter und hat im August 2022 den kostenlosen Zugang zu Tampons und Binden an Schulen und in städtischen Einrichtungen gesetzlich verankert. Die Menstruationsprodukte werden vom Staat finanziert. Fast zwölf Millionen Euro stehen dafür pro Jahr zur Verfügung.