Juden feiern an der Allee das Lichterfest Chanukka - mit Video-Überwachung
Mit Mut machenden, kämpferischen und versöhnlichen Worten feiern Heilbronner Juden am Synagogen-Gedenkstein an der Heilbronner Allee Chanukka. Wegen der aktuellen Lage wird der Bereich besonders überwacht.

Alle Jahre wieder leuchten in der Allee nicht nur Christbäume und Lichterketten.
Alle Jahre zieht am Südende, dort, wo bis zur Zerstörung durch die Nazis eine der schönsten Synagogen Deutschlands stand, eine vier Meter hohe Metall-Skulptur mit neun Armen die Blicke auf sich: ein von Kunstschmied Thomas Gustav Kenngott gefertigter Leuchter, der auf Chanukka verweist, also auf das jüdische Lichterfest.
Von Krieg und Antisemitismus überschattet
Alle Jahre wieder entzündet die jüdische Gemeinde dort an acht Abenden im Advent Kerzen. In diesem Jahr ist das sonst so fröhliche Lichterfest vom Krieg im Nahen Osten und vom zunehmenden Antisemitismus überschattet, auch in Deutschland, auch in Heilbronn. Schon kurz nach dem Hamas-Terror im Oktober wurde am Marktplatz die Israel-Flagge geschändet, an der Theresienwiese gab es eine Pro-Palästina-Demonstration. Als Reaktion darauf hat das Rathaus im Vorfeld des Chanukka-Festes an der Allee eine Videoüberwachung installiert: mit einer unübersehbaren Stele.
Programmatische Worte: Jetzt erst Recht!
Zum Entzünden der fünften Chanukka-Kerze kamen am Montagabend neben 60 Gemeindemitgliedern und Gästen auch Rabbiner Mordechai Pavlovsky und Verwaltungschef Mihail Rubinstein von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg aus Stuttgart in die Allee. Der Geiger Andrey Khvostenko stimmte heiter-melancholische jiddische Lieder an.
"Licht ins Dunkel zu bringen, ist heute wichtiger denn je", sagte Rubinstein. Schon 2022 sei die Welt wegen des Ukraine-Krieges Kopf gestanden, "und nun schon wieder". Allen Anfeindungen zum Trotz betonte er: "Wir lassen uns nicht verdrängen." Gleichzeitig bedankte sich Rubinstein für die viele Zeichen der Solidarität in Deutschland.
Zur Bedeutung des Lichterfests
Allen politischen Negativ-Nachrichten setzte Rabbiner Pavlovsky demonstrativ die Frohbotschaft von Chanukka entgegen: "Wir lassen uns keine Angst einjagen. Das Lichterfest gibt uns Energie, setzt Kraft frei im Kampf gegen die Feinde." Mit Gebeten und Segensliedern wie dem Maos Zur verwies er auf die Bedeutung des Festes: Chanukka erinnere an die Befreiung des Jerusalemer Tempels vor 2187 Jahren.
"Dieser Sieg der Makkabäer hat uns den Monotheismus bewahrt, den Glauben an den einen Gott", der Juden, Christen und Muslime eine, betonte der Rabbi. Acht der neun Arme der Hannukkiyyah, also des Leuchters, stünden für die acht Tage, an denen die Lämpchen im Tempel wie durch ein Wunder mit wenig Öl weiter brannten. Der neunte Arm sei der Schamasch, also der Diener.
OB: Schutz von Juden ist historische Pflicht
Es sei kaum möglich, "in dieser angespannten Zeit unbeschwert zu feiern", meinte Oberbürgermeister Harry Mergel. Umso so mehr hoffe er, dass das Lichterfest Kraft und Zuversicht spende. Jüdisches Leben in Heilbronn zu schützen: Das sei nicht nur sein persönlicher Wunsch, "das ist auch unser verfassungsmäßiger Auftrag und aufgrund unserer Geschichte unsere Verpflichtung", sagte der OB weiter und wünschte allen trotz allem "Chanukka sameach", also ein frohes Lichterfest.

Mit Blick auf die Video-Stele und die starke Polizeipräsenz betonte auf Stimme-Anfrage Avital Toren als Vorsteherin der jüdischen Gemeinde: "Wir finden das in Ordnung", schließlich sei der Leuchter bereits an Weihnachten 2017 von bis heute unbekannten Tätern beschädigt und damit geschändet worden. Deshalb habe man auch die einzelnen Gaskartuschen von Schlosser Kenngott besonders sichern lassen.
Jüdische Gemeinde zur Lage in Israel
Die "aktuelle Lage" belaste natürlich auch die Heilbronner Juden. "Gerade junge Familien haben Angst, öffentlich in Erscheinung zu treten." Darunter leide auch das Gemeindeleben, um so wichtiger sei es, an solchen Festtagen zusammenzukommen. Auch sie sei zunächst sehr bedrückt gewesen, zumal etliche ihrer Verwandten in Israel leben, sagte Toren mit stockender Stimme. Doch inzwischen gehe es ihr und der Familie besser. Zwei ihrer Enkel seien zwar für kurze Zeit im Gaza-Streifen als Soldaten im Einsatz gewesen, aber bald wieder aus der Armee entlassen worden.
Was hinter dem jüdischen Lichterfest steckt
An Chanukka, was so viel wie Einweihung heißt, erinnern Juden in aller Welt an die Befreiung und Wiedereinweihung des zuvor von Griechen besetzten Jerusalemer Tempels im Jahr 165 vor der christlichen Zeitrechnung. Der Überlieferung nach war damals nur noch geweihtes Öl für einen Tag zu finden, doch am Ende brannte das Licht ganze acht Tage. Dafür steht der Leuchter, die Hannukkiyyah, wobei einer der neun Arme den Diener symbolisiert.
Traditionell werden zum Lichterfest in Öl gebackene Speisen gereicht. Zum Beispiel Sufganiyyot, also im Prinzip Berliner, von denen Rabbi Mordechai Pavlovsky am Montag zur allgemeinen Überraschung jede Menge im Gepäck hatte, ebenso wie Bausätze von kleinen Leuchtern mit Kerzen, die die Besucher gerne als Geschenke nach Hause trugen, um sie daheim aufzustellen - wie einen Adventskranz.