Ist der Süßstoff Aspartam krebserregend?
Laut Medienberichten will die WHO den Süßstoff als "wahrscheinlich krebserregend" einstufen. Was das für Verbraucher bedeutet und in welchen Produkten Aspartam enthalten ist.

Aspartam statt Zucker: Viele Menschen setzen seit Jahrzehnten auf den Süßstoff, der häufig in Form kleiner weißer Pillen daherkommt und in vielen Produkten enthalten ist. Sie dürfte eine Meldung aufschrecken, die von der Nachrichtenagentur Reuters verbreitet wurde: Laut Insidern könnte Aspartam im Juli von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) als "möglicherweise krebserregend für den Menschen" eingestuft werden. Die IARC ist die Krebsforschungsabteilung der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Was bedeutet das für Verbraucher in Deutschland?
Was ist Aspartam und in welchen Produkten ist es enthalten?
Aspartam ist ein kalorienarmer künstlicher Süßstoff, der etwa 200 mal süßer als Zucker ist. Er ist laut der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) in einer Vielzahl von Lebensmitteln enthalten, zum Beispiel in Getränken, Süßwaren, Desserts, Milchprodukten, in Kaugummi oder kalorienreduzierten Produkten und Erzeugnissen zur Gewichtskontrolle.
Die bislang als medizinisch unbedenklich angesehene Tagesdosis beträgt in der Europäischen Union 40 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht, in den USA sind es 50 Milligramm. Für einen Erwachsenen mit ungefähr 70 Kilogramm Körpergewicht gelten also rund drei Gramm pro Tag als unbedenklich.
Seit wann wird Aspartam eingesetzt?
Mitte der 1960er Jahre wurde Aspartam zufällig im Labor bei einer Synthese entdeckt. Danach gab es jahrelange Diskussionen über die Verträglichkeit, denn erste Untersuchungen erbrachten mehrdeutige Ergebnisse − damals wurde auch schon darüber diskutiert, ob der Stoff bei Ratten möglicherweise krebserregend sein könnte.
Die für die Zulassung von Lebensmittelzusatzstoffen verantwortliche US-Behörde Food and Drug Administration (FDA) lehnte eine Zulassung von Aspartam deshalb lange Zeit ab − schwenkte dann aber nach weiteren Studien um. Ab Mitte der 1980er Jahre wurde Aspartam zunächst in den USA, dann in Europa, immer breiter zugelassen. In einer Risikobewertung kam die Efsa 2013 erneut zu dem Schluss, dass Aspartam und dessen Abbauprodukte für die allgemeine Bevölkerung (einschließlich Säuglinge, Kinder und Schwangere) unbedenklich sind.
Worüber wird jetzt diskutiert?
Inzwischen gibt es neue Studien, die Hinweise darauf geben, dass Personen, die größere Mengen Aspartam konsumieren, womöglich ein leicht erhöhtes Krebsrisiko haben könnten. Das könnte zu einer Neubewertung durch die WHO und der Einstufung "wahrscheinlich krebserregend" führen.
Der SLK-Oberarzt und Diabetologe Sebastian Propp sagt, letztlich sei es eine "Diskussion über das kleinere Übel". Es ist lange bekannt, dass zu viel Zucker schädlich ist − vor allem wegen der hohen Kalorienmenge, die man damit zu sich nimmt. Gleichzeitig hätten einige Menschen Probleme damit, den Konsum von zuckerhaltigen Produkten einzuschränken, sagt Propp. Wer zum Beispiel mit Wasser als Durstlöscher überhaupt nicht zurechtkomme, sei möglicherweise mit Light-Produkten besser bedient als mit einer klassischen Cola oder Limo.
Gleichzeitig sei die Forschung noch nicht weit genug, um abschließend beurteilen zu können, welche Effekte der regelmäßige Konsum von Zucker-Ersatzprodukten, auch in Kombination miteinander, habe. Nun gebe es offenbar ernstzunehmende Hinweise darauf, dass Süßstoff in großen Mengen krebserregend sein könnte. Propp schränkt ein: Gleichzeitig weiß man das auch von anderen Dingen. So gilt beispielsweise der häufige Konsum von Heißgetränken über 65 Grad als ,karzinogen", so der Fachbegriff, oder aber der übermäßige Verzehr von rotem Fleisch.
Was folgt also daraus?
Er sei gespannt auf die Begründung der WHO, sagt Propp. Schon jetzt hält er es für sinnvoll, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass "Kinder keine großen Mengen an Softdrinks zu sich nehmen" sollten. "Das sagt einem ja schon der gesunde Menschenverstand."
Gleiches gelte für Schwangere − für sie sollten Zuckerersatzstoffe definitiv nicht empfohlen werden, wie das teilweise in den USA der Fall sei, findet Propp. Gerade für diese beiden besonders verletzlichen Gruppen könne die Unbedenklichkeit aus ethischen Gründen nicht mit Studien überprüft werden: "Und dass etwas nicht überprüft werden kann, heißt ja nicht, dass es unbedenklich ist." Er rate jedenfalls generell zu einer "ausgewogenen Ernährung mit begrenzter Kalorienzufuhr".
