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Heilbronn/Syrien
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Im syrischen Erdbebengebiet: Kaum Essen, kein Obdach und dazu die Angst

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Lazkin Issa berichtet von der verheerenden Lage in seiner syrischen Heimat nach dem Erdbeben. Die Heilbronner Kiliansgemeinde hilft mit einer Spende.

Ein Mann in Syrien vor den Trümmern eines Hauses. Die Erschöpfung ist ihm ins Gesicht geschrieben. Lazkin Issa (rechts) zeigt Fotos, die ihm sein Cousin geschickt hat, der Erbebenopfern hilft.
Fotos: Privat/Andreas Veigel
Ein Mann in Syrien vor den Trümmern eines Hauses. Die Erschöpfung ist ihm ins Gesicht geschrieben. Lazkin Issa (rechts) zeigt Fotos, die ihm sein Cousin geschickt hat, der Erbebenopfern hilft. Fotos: Privat/Andreas Veigel  Foto: Veigel, Andreas

Lazkin Issa schaut ernst auf die Fotos, die er vor sich ausgebreitet hat. Sie zeigen Kinder, die in Trümmern nach Essbarem suchen, einen Mann, der sich die Augen reibt. Erschöpft sieht er aus. Schwer zu sagen, ob er die Tränen wegwischt. "Dieser große alte Mann sitzt da wie ein Kind und weint." Lazkin Issa schüttelt den Kopf. Sein Blick ist voller Trauer, voller Mitgefühl für seine Leute.

Das Erdbeben hat das kriegsgebeutelte Land noch weiter verwüstet

Der 37-Jährige lebt in Heilbronn und stammt aus Syrien, aus einem Dorf in der Nähe von Afrin, einer kurdischen Stadt im Nordwesten des Landes. Unweit von dort, wo das Erdbeben am 6. Februar das ohnehin kriegsgebeutelte Land noch weiter verwüstet hat. Aleppo ist 60 Kilometer entfernt von dort.

Die Bilder hat der Cousin geschickt. Er hilft als Mitarbeiter des Roten Halbmonds notleidenden Familien. Eine schwere Aufgabe für den Familienvater in dieser Zeit. Denn Not herrscht überall, und ausländische Hilfe kommt kaum an.


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Es gibt keine Milch für die Kinder, keine Medikamente

 Foto: Veigel, Andreas

Kurden würden unterdrückt und benachteiligt, sagt Issa, besonders auch jetzt. Es gibt kaum etwas zu essen, Gemüse oder Obst schon gar nicht. Vielleicht ein bisschen Brot, aber keine Milch für die Kinder. Keine Medikamente. Wer noch eine Ziege hat, hat großes Glück. Die hygienischen Verhältnisse sind schlecht, sauberes Wasser ist Mangelware, Krankheiten breiten sich aus. "Die Situation ist schlimm."

Wegen der Nachbeben und weil unklar ist, ob Gebäude im Nachhinein zusammenstürzen, schlafen auch die Menschen draußen, die noch ein Dach über dem Kopf hätten. Viele Häuser liegen sowieso in Trümmern. Kinder und Frauen übernachten in Zelten oder im Auto, Männer meist komplett im Freien. Bei Temperaturen, die vor einiger Zeit noch um den Gefrierpunkt lagen, denn als die Erde im Februar bebte, hatte es geschneit. "Einige Menschen sind erfroren."

Andere bleiben in ihren halbzerstörten Gebäuden, und auch sein Cousin organisiert es so, dass immer mindestens ein männlicher Verwandter bei Frauen und Kindern ist, um sie zu beschützen. "Alles andere wäre zu gefährlich."


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Die Rebellen haben die Straßen aufgeteilt

Schließlich steht Afrin seit 2018 unter der Kontrolle der türkischen Regierung und islamistischer Milizen. Die Grenzregion befindet sich mitten im Konfliktfeld. "Rebellen haben die Straßen aufgeteilt. Nicht, um Verschüttete zu bergen, sondern um Häuser zu plündern", sagt Issa. "Einer Frau haben sie das Ohr abgeschnitten wegen eines kleinen goldenen Ohrrings." Bewohner würden nicht durchgelassen zu ihren Häusern, dürften nicht nach Verwandten suchen.

Wer den Erdbebenopfern helfen will, muss das mit größter Vorsicht tun. Issas Cousin prüft genau, ob die Luft rein ist, bevor er ein Haus betritt. Dort verteilt er die Spenden der Heilbronner Kiliansgemeinde an Familien. Die insgesamt 1000 Euro stammen noch aus dem ökumenischen Freundeskreis Frankfurter Straße von Deutschordensmünster und Kilianskirche, der 2015 gegründet worden war.

Viele ehrenamtliche Stunden hat Issa für die Heilbronner Kiliansgemeinde geleistet

Dort hatte sich auch Issa, als er vor acht Jahren geflüchtet und nach Heilbronn gekommen war, aktiv eingebracht. Als Schreiner verlegte er den Boden im Flüchtlingsheim. "Ich helfe gern." Für die ehrenamtlichen Stunden hat er schon eine Urkunde der Kirche bekommen. "Er ist quasi ein Mitarbeiter der Kiliansgemeinde", sagt der ehemalige Diakon Reinhard Buyer. Es ist das erste Mal, dass Issa ein wenig lächelt. "Herr Buyer, unser Engel", sagt er. Aber die Gedanken kehren immer wieder in die Heimat zurück. "So viel Blut. So viele Tote." Er hält inne. "Ich hatte immer den Wunsch im Herzen, einmal zurückzukehren. Diese Hoffnung ist zerstört."

 
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