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Bad Friedrichshall
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Unter Trümmern im Erdbebengebiet: Helferin der Rettungshundestaffel schildert Einsatz

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Susi Tismer von der Rettungshundestaffel Unterland hat im türkischen Erdbebengebiet bei der Bergung von Menschen geholfen. Ein Wimmern unter Trümmern treibt sie an. Was sie dort erlebt.

Susi Tismer ist zurück aus dem Katastrophengebiet. Hier steht sie vor einem Übungsgelände im "Training Center Retten und Helfen" in Mosbach-Neckarelz. Ihr Arbeitgeber habe sie sofort für den Einsatz in der Türkei freigestellt.
Foto: Heike Kinkopf
Susi Tismer ist zurück aus dem Katastrophengebiet. Hier steht sie vor einem Übungsgelände im "Training Center Retten und Helfen" in Mosbach-Neckarelz. Ihr Arbeitgeber habe sie sofort für den Einsatz in der Türkei freigestellt. Foto: Heike Kinkopf  Foto: Kinkopf, Heike

"Wir haben vier Menschen lebend unter den Trümmern herausgeholt", sagt Susi Tismer. "Das sind extrem positive Momente, die bleiben ewig." Die 55-jährige Bad Friedrichshallerin ist seit ein paar Tagen von ihrem Einsatz im türkischen Erdbebengebiet zurück. Tismer ist Mitglied der Rettungshundestaffel Unterland und Teil eines Bergungsteams von I.S.A.R. Germany. In eingestürzten Gebäuden suchen sie nach Überlebenden.

Mit schwerem Gerät arbeitet sie in zusammengefallenen Gebäuden

Schlafen, essen - solche Bedürfnisse rücken im Katastrophengebiet in den Hintergrund. "Die Leute brauchen einen." Das treibt Tismer an. Die Hundeführerin verfügt über eine zusätzliche Qualifizierung. Sie ist ausgebildet, um mit Bohrhammer, Flex, Schere, Spreizer und vielen weiteren technischen Geräten Trümmer zu bewegen. Das ist ihre Aufgabe im türkischen Gebiet Kirikhan.



Bilder eines besonderen Einsatzes gehen um die Welt

Die Bilder einer ihrer Einsätze gehen um die Welt. Auch die "Tagesschau" berichtet. Mehr als 50 Stunden lang arbeiten sich Rettungskräfte zu einer verschütteten Frau vor. Tag und Nacht kämpfen sie um deren Leben. Es gelingt. Die Frau stirbt jedoch kurze Zeit später im Krankenhaus.

Auf diesen Fernsehbildern ist Susi Tismer nicht zu sehen. Sie habe die ganze Zeit unter den Trümmern gearbeitet, erzählt sie und schildert das Vorgehen. Erst habe sich ein Hund an einer Stelle auffällig verhalten. Mit Geo-Phonen und Kamera machen sich die Einsatzkräfte daran, mögliche Lebenszeichen zu orten und zu lokalisieren. Dann hören sie die Frau wimmern. Von da an gibt es für Tismer und die anderen Helfer keine Pause mehr. Ein Schluck Wasser und Zwieback zwischendurch muss zur Stärkung reichen. "Da geht es um ein Menschenleben", antwortet sie auf die Frage, wie sie solch eine Belastung durchsteht.


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Blut zirkuliert nicht mehr

Dass die gerettete Frau später dennoch stirbt, ist nicht völlig überraschend. Die ersten 48 Stunden seien nach einer derartigen Bergung entscheidend, erklärt die Bad Friedrichshallerin. Können Gliedmaßen nicht bewegt werden und funktioniert die Blutzirkulation nicht, bildeten sich Giftstoffe im Blut. Komme der Kreislauf wieder in Schwung, besteht die Gefahr, dass diese in den gesamten Blutkreislauf gelangen.

Körperliche Fitness ist ein Muss

In Kirikhan kommt es immer wieder zu Nachbeben. Deshalb sei es wichtig, alles gut abzustützen. Tismer und ihre Teamkollegen graben in der vergangenen Woche etwa vier bis fünf Meter unter den Trümmern. Hat sie Angst? "Nein." Die Angst bekommt keinen Raum. "Wir arbeiten hoch konzentriert." In Tismers Schicht sind fünf "Berger". Sie und ein 30-jähriger Berufssoldat sind die, die immer am weitesten unter den eingestürzten Gebäuden verschwinden. "Einen Muskelkater bringt man mit nach Hause." Ohne körperliche Fitness ist solch ein Einsatz nicht zu bewerkstelligen. Man müsse in der Lage sein, Kraftreserven zu mobilisieren. "Wir sind gut geschult, gut vorbereitet. Wichtig ist, dass man die positiven Momente abspeichert", sagt die 55-Jährige.


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Normalerweise suchen sie vermisste Senioren

Mit ihrem Hund Dexter, ein Holländischer Schäferhund, trainiert sie zwei Mal in der Woche bei der Rettungshundestaffel Unterland. Deren Mitglieder suchen normalerweise in der Region Heilbronn, Hohenlohe und darüber hinaus nach vermissten Menschen. Häufig handelt es sich um an Demenz erkrankte Senioren. Ein Mal im Monat fährt Tismer außerdem an die niederländische Grenze zum Training mit der Auslandsgruppe.

Die Menschen in der Türkei und in Syrien hätten zum Teil alles verloren, berichtet Tismer. Dazu die Kälte. "Die Einheimischen sitzen mit Decken an den Straßen." Einige wärmen sich an kleinen Feuern. Toiletten oder sonstige Infrastruktur gibt es nicht. Eine humanitäre Katastrophe. Wichtig sei nun, dass Flüchtlingsdörfer aufgebaut werden. Susi Tismer appelliert: Wer in Deutschland die Nachrichten über das Erdbeben verfolge, sollte, wenn möglich, Geld spenden.

Wer hinter I.S.A.R Germany steckt

Spezialisten verschiedener Hilfsorganisationen und der Bundesverband Rettungshunde e.V. haben sich im Jahr 2003 zu I.S.A.R. Germany zusammengeschlossen. Die Abkürzung steht für International Search-and-Rescue. Die Hilfsorganisation arbeitet unter dem Dach der Vereinten Nationen. Rettungshundeteams und Bergungsspezialisten sind mit modernster Technik ausgestattet, um Verschüttete zu suchen und Opfer medizinisch zu versorgen. Susi Tismer war bereits mehrmals im Ausland im Einsatz, etwa in Taiwan, Nepal, Haiti oder im Iran.

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