Fahrradstraße in Heilbronn verlängert: Autofahrer verstehen die Welt nicht mehr
Für Ärger sorgen bei Autofahrern die jüngst umgesetzten Maßnahmen in der Badstraße in Heilbronn, mit denen die bestehende Fahrradstraße bis zum Kreisel an der Viehweide in Böckingen verlängert wurde. Poller stoppen jetzt Pkw an der Kreuzung Bad-/Theresienstraße.

"Was soll das denn? Wie komme ich jetzt weiter? Sind die noch ganz sauber?", schimpft entrüstet eine Autofahrerin, die nicht namentlich genannt werden möchte. Die Geschäftsfrau steht mit ihrem Pkw an der Kreuzung Badstraße/Theresienstraße und kommt nicht mehr weiter. Drei rot-weiße Poller, fest verankert im Asphalt, versperren ihr den Weg. Sie befindet sich auf der zur Fahrradstraße verlängerten Badstraße, wenige Meter entfernt vom Food Court und dem Vorplatz des Frankenstadions.
Autofahrer schütteln fassungslos den Kopf
Sie wendet mit erbostem Blick. Weiteren Autofahrern, die im Sekundentakt kommen, ergeht es nicht anders. Viele schütteln fassungslos ihren Kopf. Einer macht nicht viel Federlesen: Er fährt über eine asphaltierte Furt und dann den Gehweg am alten Neckar entlang bis zur Marinekameradschaft, wo es für ihn wieder auf die Straße geht. Eltern, die ihre Kinder zum Fußballtraining abliefern wollen, werden von den Pollern gestoppt. Passend zum Gesamtbild radeln Radfahrer nicht auf der Fahrradstraße, sondern auf dem bislang kombinierten Geh- und Radweg auf dem Damm.
Fast zeitgleich rollt ein Auto nach dem anderen vom Kreisverkehr an der Böckinger Viehweide über die Erwin-Fuchs-Brücke durch die Badstraße. Auch für sie heißt es an den drei Pollern halt. Einige halten für einen kurzen Moment an und checken ungläubig die Lage. Nur durch die Theresienstraße Richtung Karlsruhe Straße geht es für sie weiter.
Verkehrsschilder werden kaum wahrgenommen

Staunend und gleichermaßen fassungslos beobachtet Horst Selzer diesen fast schon unwirklich erscheinenden Verkehrsablauf. Er arbeitet bei der AIM Infrarot-Module GmbH im Telefunkenpark und verfolgt seit Mitte Oktober höchst interessiert das Szenario vor der Firmentür. Er sieht, wie reihenweise Pkw verbotenerweise durch die Badstraße fahren. Das Schildertrio "Keine Wendemöglichkeit", "Fahrradstraße", "Anlieger frei" an der Ecke Olga-/Badstraße wird von Autofahrern kaum wahrgenommen.
Zwischenzeitlich untersagt ist das halbseitige Gehwegparken vor dem Food Court und dem Frankenstadion. Als Alternative wurden von der Stadt nun auf der Badstraße wechselseitig bis zur Erwin-Fuchs-Brücke immer vier Parkplätze eingezeichnet. "Weil gleich in den ersten Tagen mehrere Außenspiegel beim Vorbeifahren abgerissen wurden, hat man Sicherheitstrennstreifen aufgemalt", kritisiert Selzer die Maßnahme und fragt: "Weshalb hat man es nicht belassen wie es war?"
Food-Court-Betreiber steht hinter Fahrradstraße

"Kein Problem" mit der verlängerten Fahrradstraße hat Food-Court-Betreiber Thomas Aurich: "Wir begrüßen die Maßnahme und stehen absolut dahinter. Unsere Gäste kommen zu Fuß oder mit dem Rad." Insgeheim hofft er, durch die Sperrung der Badstraße für den Verkehr seinen Biergarten Richtung Neckar erweitern zu können. Von Erzählungen weiß Aurich, dass die neuen Poller "schon mehrfach von Unbekannten aus der Verankerung gerissen wurden".
"Kritisch" ist für Horst Selzer auch die Parkplatzsituation in der Theresienstraße. "Wenn der Festplatz durch Veranstaltungen belegt ist, wetteifern rund 3000 Beschäftigte im Telefunkenpark und die Schüler der Peter-Bruckmann-Schule um die Stellplätze", beschreibt der Techniker die angespannte Parksituation. Mitarbeiter von weiter her müssten oftmals auf der Viehweide parken.
Für Behinderte gibt es nur vier Stellplätze
"Hart umkämpft" sind nach seinen Worten auch die vier Behindertenparkplätze vor dem Eingang zum Telefunkenpark: "Sie reichen hinten und vorne nicht aus", bemängelt der Schwerbehinderten-Beauftragte bei der AIM Infrarot Module GmbH. Überlegungen, ein Parkhaus auf dem Parkplatz südlich der Karlsruhe Straße zu bauen, hätten sich zerschlagen. Die Stadt und mögliche Baupartner hätten bis jetzt keine Einigung erzielt, weiß er.
"Ein Witz" sind für den Kritiker die in der Theresienstraße für E-Pkw reservierten Stellplätze. "Die Schilder sind da, aber die Ladestation fehlt", wundert sich Selzer. Nicht verwundert ist er darüber, dass "hier fast täglich kontrolliert wird".
Voraussetzungen
Um eine Fahrradstraße einrichten zu können, müssen gemäß der Straßenverkehrsordnung bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein: Eine Fahrradstraße muss aufgrund der Fahrbahnbreite erforderlich, von Radfahrern dominiert und vorzugsweise an Einmündungen und Kreuzungen bevorrechtigt werden. Fahrradstraßen dürfen nur eingerichtet werden, wenn sie zwingend erforderlich sind. In Fahrradstraßen sind nur Radfahrer und E-Roller erlaubt. Für Autos und Motorräder (Anlieger) gilt Tempo 30. In Heilbronn gibt es aktuell fünf Fahrradstraßen: Dazu zählen neben der Badstraße (2011), die Steinstraße (2013), die Titot-/Bismarckstraße (2019), die Kranenstraße (2020) und die Untere Kanalstraße (2021).