Heilbronn
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

Geständnis vor Gericht: Ex-Anwalt hat 700.000 Euro veruntreut

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Wegen  gewerbsmäßiger Untreue muss sich seit Freitag ein 37-jähriger Löwensteiner vor der dritten Großen Strafkammer des Heilbronner Landgerichts verantworten. Es geht um hohe Summen.

Als freier Mitarbeiter einer Heilbronner Kanzlei hat der damalige Rechtsanwalt laut Staatsanwaltschaft zwischen 2017 und 2020 in 31 Betrugsfällen rund 700.000 Euro illegal auf sein privates Konto fließen lassen. Das Geld stammt aus Regressforderungen, die der Angeklagte für den Versicherungskonzern AIG Europe Limited erstritten hat. Aber anstatt das Geld auf ein dafür vorgesehenes Konto der Anwaltskanzlei überweisen zu lassen, hat er seine private Bankverbindung für die Zahlungen angegeben.

Angeklagter zeigt sich reuig 

Der Angeklagte räumt alle Vorwürfe ein. "Ich möchte mich dafür entschuldigen. Ich würde alles dafür tun, es ungeschehen zu machen", sagt er bei der Eröffnung der Hauptverhandlung. 2017 habe er sich in einer persönlichen Lebenskrise befunden.


Mehr zum Thema

Zwei Angeklagte, drei Verteidigerinnen − im großen Strafkammersaal ist es zu Prozessbeginn voll. Vor der 8. Großen Strafkammer müssen sich zwei junge Hohenloher wegen schwunghaften Drogenhandels verantworten.
Foto: Tscherwitschke
Stimme+
Heilbronn/Hohenlohe
Hinzugefügt. Zur Merkliste Lesezeichen setzen

Prozessauftakt am Landgericht: Kiloweise Cannabis und Kokain fürs Kochertal


Unter anderem sei seine langjährige Beziehung zu seiner heutigen Verlobten brüchig gewesen. Mit einer Mitarbeiterin in der Kanzlei habe er in dieser Zeit zudem eine Affäre gehabt. Mit Geschenken an beide habe er zeigen wollen, was er für ein "toller Typ" sei, so der Löwensteiner.

Geld auf eigenes Konto abzuzweigen 

Auf die Idee, die Regresszahlungen auf sein privates Konto fließen zu lassen, sei er eher durch einen Zufall bekommen. Als er für AIG eine Regresszahlung erstritt, die ausgerechnet von der Versicherung geleistet werden musste, bei der er selbst eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen habe.


Mehr zum Thema


Sie habe ihm "versehentlich" den fälligen Betrag auf das ihnen vorliegende Konto des Angeklagten überwiesen. Da die Geschäftsbeziehung sowohl in der Kanzlei als auch seitens des Mandanten auf Vertrauensbasis beruhte, behielt der Beschuldigte diese Fehlüberweisung unendeckt für sich.

Aus einem Versehen wurde kriminelles System

Dem Versicherungskonzern sagte er, es bestünde in diesem Fall keine Aussicht auf Regresszahlungen. Innerhalb der Kanzlei gab es auch keine Kontrollinstanz. Er schloss die Akte, die ohne weitere Nachfrage im Archiv landete. "Ich hatte die Freiheit, außergerichtliche Vergleiche abzuschließen oder eben die Akte zu schließen", erklärt der Angeklagte vor Gericht.

Auch die Kanzlei wurde geschädigt 

Aus diesem Prinzip machte der Beschuldigte in den Folgejahren ein System. Er erstritt Regresszahlungen für seinen Mandanten, ließ das Geld auf sein privates Konto überweisen und schloss die Akte. Dadurch schädigte er nicht nur den Versicherungskonzern, sondern auch die Kanzlei, für die er als freier Mitarbeiter beschäftigt war. Je nach Höhe der Zahlung fiel für die Kanzlei ein entsprechendes Honorar an, von dem wiederum ein Anteil für den freien Mitarbeiter abfiel. Der Schaden der Kanzlei liege bei rund 270000 Euro, so Rechtsanwalt Roland Pfefferle, der die geschädigten Anwälte in einer sogenannten Additionsklage vertritt.

E-Mail der Versicherung lässt Betrug auffliegen

Der Betrug flog auf, weil eine gegnerische Versicherung eine E-Mail an das allgemeine Postfach der Kanzlei schickte, nachdem sie bereits die Regresszahlung auf das Konto des Angeklagten überwiesen hatte. Die übliche Korrespondenz fand immer über den persönlichen Account des Beschuldigten statt. Sobald er eine Akte schloss, löschte er den dazugehörigen E-Mail-Verkehr. Diese Mails konnten im nachhinein rekonstruiert werden.

Außer dem Angeklagten war innerhalb der Kanzlei noch ein weiterer Anwalt zuständig für den Versicherungskonzern AIG. Die beiden hätten sich zwar immer wieder abgesprochen. Dabei sei es aber in erster Linie darum gegangen, wer welchen Fall übernimmt, so der 53-jährige Anwalt im Zeugenstand. Vom Angeklagtem sei er schnell überzeugt gewesen. "Er hat eine schnelle Auffassungsgabe. Mit seiner Arbeit waren wir sehr zufrieden."

Verhaftet am Tegernsee 

In der Folge wollte er ihn zum Partner der Kanzlei machen. Die anderen Gesellschafter waren aber dagegen. So schmiedeten die beiden eigene Zukunftspläne und gründeten schließlich Anfang 2020 eine eigene Kanzlei in Lehrensteinsfeld. Sechs Wochen später, im Februar 2020, wurde der Angeklagte in seiner Zweitwohnung am Tegernsee verhaftet. "Ich war am Ende", sagt der Zeuge. Nicht nur, weil er die gemeinsame Kanzlei ad hoc abwickeln musste. Er musste auch ein neues Büro finden. Heute arbeitet er alleine. Und vom Hauptmandanten, der AIG, erhielt er erst mal keine neuen Aufträge mehr.

Weltweit neue Kontrollinstanzen eingeführt

Der Versicherungskonzern arbeitet inzwischen wieder mit dem 53-Jährigen. "Aber unter schlechteren Konditionen." Wegen des Betruges des Löwensteiners habe der internationale Konzern weltweit neue Kontrollinstanzen eingeführt. Die Anwälte müssen jetzt regelmäßig berichten. Zahlungen Dritter an Kanzleikonten gibt es nicht mehr, so der Zeuge.

Kommentare öffnen
Nach oben  Nach oben