Prozessauftakt am Landgericht: Kiloweise Cannabis und Kokain fürs Kochertal
Verdeckte Ermittler beenden die illegalen Geschäfte von zwei jungen Hohenlohern. Die Staatsanwaltschaft listet mehr als 100 Vorwürfe gegen sie.

Sämtliche Zuhörerstühle im großen Strafkammersaal am Heilbronner Landgericht sind belegt. Groß ist das Interesse der Familienangehörigen, Freunde und Bekannten am Prozessauftakt zweier junger Hohenloher.
Sie müssen sich vor der 8. Großen Strafkammer unter Vorsitz von Richter Frank Haberzettl verantworten, weil sie von Ende 2020 bis Anfang 2022 im Raum Künzelsau einen schwunghaften Handel mit Marihuana und Kokain betrieben haben sollen, bis ihre Kunden verdeckte Ermittler der Polizei waren.
Lange Liste der Vorwürfe
Der Staatsanwalt ist nicht zu beneiden: Er verliest die Anklageschrift, die in Summe mehr als 100 Vorwürfe umfasst. Dabei geht es vor allem um den Verkauf von Drogen. Es sind knapp ein Kilogramm Kokain und mehr als acht Kilogramm Marihuana, die der 24-jährige R. teils gemeinschaftlich mit dem zwei Jahre jüngeren Angeklagten G. verkauft haben soll.
G. soll nochmals 26 Kilogramm Marihuana und ein Kilogramm Amphetamin unter die Menschen gebracht haben. Seine Shishabar soll oft Lager und Anlieferort gewesen sein, die Künzelsauer Wertwiesen Übergabeort.
Andere Verfahren spielen eine Rolle
Während der Verlesung der Anklageschrift fallen immer wieder die Namen von gesondert verfolgten Personen, die in die Drogengeschäfte der beiden Angeklagten involviert gewesen sein sollen. Einige der Namen sind für Prozessbeobachter keine Unbekannten. In jüngster Vergangenheit hat es bereits andere Verfahren am Landgericht gegeben, die einen kleinen Blick auf das Drogenmilieu im Kochertal freigegeben haben.
Erst Mitte September hat ebenfalls die 8. Große Strafkammer das Verfahren gegen einen 29-jährigen Hohenloher eröffnet, dem in 22 Punkten Drogenhandel vorgeworfen wurde. Im November 2021 wurde ein anderer Hohenloher vom Landgericht zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt, weil er seine Kokainsucht damit finanziert hatte, dass er als Teil einer Bande Seniorinnen mit Schockanrufen um teils hohe Summen gebracht hatte.
Angaben zur Person, nicht zu den Vorwürfen
Um viel Geld geht es auch in diesem Verfahren. Drei Verteidigerinnen stehen den beiden Angeklagten bei, die aus der Untersuchungshaft in Schwäbisch Hall und Karlsruhe vorgeführt wurden. Beide äußerten sich auf Anraten ihrer Anwältinnen am ersten Prozesstag nur zu ihrer Person.
G. berichtete, nach der Scheidung der Eltern mit der Mutter in eine kleine Wohnung gezogen zu sein. Er hat eine Lehre zum Maschinen- und Anlagenführer gemacht und in einem Betrieb gearbeitet, bis dort Kurzarbeit angemeldet wurde. Dann hat er eine Shishabar übernommen. Vom Aufbau der Bar habe er rund 100.000 Euro Schulden bei seinen Großeltern, seinem Geschäftspartner und der Bank.
Einschüchterungsversuche und Nötigungen
R. war als unbegleiteter Flüchtling 2015 aus Syrien gekommen. Er habe mitansehen müssen, wie sein Opa massakriert worden sei. Er selbst habe eine Machete in den Bauch bekommen und es sei ihm in die Beine geschossen worden. Eine Lehre zum Friseur habe er abbrechen müssen, weil er nicht mehr lange stehen könne. Auch Treppen steigen bereite Schmerzen. Jetzt versuche er, seinen Realschulabschluss zu machen, um Lokführer zu werden. Er hatte zeitweise in der Bar des Mitangeklagten gearbeitet.
Zur Frage von Anwältin Anke Stiefel-Bechdolf, ob ihm sein Mitangeklagter in der Vergangenheit nicht immer wieder behilflich gewesen sei und ihm die Wohnung eingerichtet habe, wollte R. nichts sagen.
Drogenschulden begleichen
Ihm wird neben den Drogengeschäften vorgeworfen, Menschen auch bedroht und genötigt zu haben. So soll er einen Minderjährigen zum Dealen genötigt haben, indem er ihm Schläge verabreicht und gedroht habe, seine Freundin vor seinen Augen zu vergewaltigen. In einem anderen Fall habe er mit einem Messer 18 Gramm Drogen an sich gebracht. Einem weiteren Geschädigten soll er gedroht haben, dessen Mutter abzustechen, sollte der nicht seine Drogenschulden begleichen.
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