Erster koscherer Württemberger Wein aus der Lage Himmelreich
Der Rabbiner bläst mit einem Widderhorn zur Traubenlese im Gundelsheimer Himmelreich. Juden gewinnen in einem Pilotprojekt mit der Weinbauschule Weinsberg erstmals koscheren Württemberger Wein.

Die Symbolkraft ist groß: Im Gundelsheimer Himmelreich bläst der Landesrabbiner von Baden mit einem auf den Ton A gestimmten Widderhorn am Montag, also kurz vor dem jüdischen Neujahrsfest, die Traubenlese für den ersten koscheren Wein im Lande ein. "Das ertönt immer bei wichtigen Anlässen", gibt Moshe Flomenmann zu verstehen, während sein Stuttgarter Kollege Yehuda Pushkin in aller Ruhe Lemberger vom Stock schneidet, und zwar "zum ersten Mal im Leben, zum Glück ist die Schere nicht so scharf". "Das nächste Mal ziehen Sie besser Bergstiefel an", wirft Projektleiter Simon Bachmann ein.
In Boxen von Gundelsheim nach Weinsberg
Knapp 100 Meter über dem Neckar bugsiert das bestens aufgelegte Leseteam in terrassierten Steillagen Eimer für Eimer zu grünen Butten auf einer Monorakbahn, mit der Jochen Springer und Jasmin Mannherz an diesem Vormittag insgesamt 4000 Kilogramm bergauf chauffieren. In abgedeckten Boxen wird das Lesegut mittags vom Michaelsberg nach Weinsberg zur Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau (LVWO) gebracht.
Im Keller wird es richtig spannend
"Im Wengert entsprechen die Regeln weitgehend den unseren, aber im Keller wird es richtig spannend", weiß LVWO-Direktor Dieter Blankenhorn, "denn alles muss koscher zugehen." Sprich: Bei der Verarbeitung der Trauben zu Wein muss jeder Arbeitsschritt nach strengen Regeln von einem Rabbi oder einem autorisierten Gläubigen vollzogen werden. "Auch Pressen, Zuber, Schläuche, Dichtungen, Tanks, Hefen, Behandlungsstoffe, alles muss rein sein", so Oenologe Bachmann. Manches habe man extra anschaffen müssen, anderes speziell gereinigt. "Das viele Wasser fangen wir im Sinne der Nachhaltigkeit auf und verwenden es weiter."
Die Israelitischen Religionsgemeinschaften von Württemberg und Baden und die LVWO haben das Pilotprojekt von langer Hand über neun Monate hinweg gemeinsam geplant und entwickelt. "Für beide Seiten war das ja Neuland", berichtet Flomenmann, der mit seinem Kollegen Pushkin und dem Koscher-Beauftragten David Asher Poretski bei der Weinbauschule eine Art Intensivkurs absolvierte.
Über 1000 Regeln zu beachten

Poretski fungiert gleichsam als verlängerter Arm von Kellermeister Florian Solymari. Er reist regelmäßig aus Stuttgart an, muss jeden Arbeitsschritt selbst erledigen, dokumentieren und alles - mit Klebebändern - versiegeln. Die religiösen Speisegesetze, das "Kaschrut", stellen hohe Anforderungen an alle Beteiligten. "Da gibt es über 1000 Punkte zu beachten, für alles Gott sei Dank aber auch Ausnahmen", hat Bachmann gelernt. "Besonders am Anfang, wenn während der Gärung täglich Proben genommen werden, ist alles sehr aufwändig."
Als Überraschungsgast wurde gar ein Experte aus Israel eingeflogen. Elisha Baram stammt aus der Ukraine und ist von der High-Tech-Kelter der LVWO beeindruckt, aber auch von einer aus Paletten improvisierten Absperrung. "Alles passt. Hinter allem steckt Gott, man muss ihn nur erkennen," meint Poretski.
Signal gegen Antisemitismus
Ideengeber für das vom Land mit 20.000 Euro geförderte Pilotprojekt sind der CDU-Fraktionsvorsitzende Manuel Hagel und sein Landtagskollege Christian Gehring. Beide machen sich schon lange gegen Antisemitismus und für die Pflege der jüdischen Kultur in Deutschland stark. "Mit dem Projekt wollen wir uns gegenseitig besser kennenlernen und zeigen, dass das Judentum seit über 1000 Jahren Teil unserer Gesellschaft ist." Ähnlich äußert sich die Unterländer Landtagabgeordnete Isabell Huber, die es als Ehre begreift, bei der Premiere im Himmelreich mitlesen zu dürfen.
Koscherer Wein: Auf das Leben
Neben 4000 Kilogramm Lemberger werden 4000 Kilogramm Riesling zu koscherem Wein verarbeitet. Eine Flasche dürfte wegen des hohen Aufwandes rund zehn Euro kosten. Die Etiketten sind schon fertig. Sie stammen von der Agentur Wineworlds in Ellerstadt/Pfalz und orientieren sich am Corporate Design des Staatsweinguts Weinsberg mit entsprechendem Schriftzug und Landes-Löwen. Der Markenname lautet Le Chaim, das ist Hebräisch und heißt: "Auf das Leben". Beim Riesling steht Lavan, das heißt: Weiß, beim Lemberger Adom für Rot.