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Koscherer Württemberger Wein trägt badisches Siegel

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Das Staatsweingut Weinsberg vinifiziert erstmals reinen Wein für Juden. Das ist ganz schön komplex. Denn jeder Arbeitschritt wird vom Rabbi oder einem Abgesandten überwacht - aus Baden und Württemberg.

Das Etikett ist schon fast fertig. Die ersten Flaschen aber erst 2023.
Das Etikett ist schon fast fertig. Die ersten Flaschen aber erst 2023.  Foto: Weinsberg

Wein ist ein besonderer Saft. Gläubige bringt er sogar dem Himmel näher. Der Jude Jesus feierte sein letztes Abendmahl damit. Denn im Judentum sind mit dem geheiligten Rebensaft sakrale Rituale verbunden. Während christliche Gemeinden ihre Weine ohne großen Aufwand bei vereidigten Messweinlieferanten beziehen oder kurzerhand handelsüblichen Qualitätswein verwenden, dürfen praktizierende Juden nicht zu jedem x-beliebigen Tropfen greifen. Vielmehr muss er koscher sein, also im Prinzip rein, genauer: Die Herstellung muss vom Rabbiner abgesegnet und von einer autorisierten Person jüdischen Glaubens vorgenommen werden.

Wo die Heilbronner Juden ihren Wein beziehen

"Koscherer Wein ist gar nicht so leicht zu bekommen", weiß Avital Toren als Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Heilbronn. "Wir beziehen ihn meist über unsere Stuttgarter Zentrale. Da handelt es sich in der Regel um Importware, die mit dem Schiff aus Israel kommt, so wie etliche andere koschere Lebensmittel."

Absolute Mangelware

Koscherer Wein aus Deutschland ist absolute Mangelware, weiß Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut (DWI). "Es gab mehrere deutsche Winzer, die sich daran probiert haben. Doch die meisten haben über kurz oder lang aufgegeben, weil der Aufwand groß ist." Schließlich dürfe vom Beginn der Traubenpressung bis zur Abfüllung des Weins alles, was mit dem Wein in Kontakt kommt, nur von einem autorisierten Juden berührt werden. "Zudem gibt es noch Auflagen für die Arbeit in Weinberg und Keller." Aktuell sei ihm hierzu nur Hans Wirsching aus Iphofen in Franken und das Weingut Gehring im rheinhessischen Nierstein bekannt. Juniorchefin Gina Gehring hat übrigens an der Weinbauschule Weinsberg ihren Techniker gemacht.


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Land fördert das Koscher-Projekt

An der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau (LVWO) Weinsberg ist jetzt in Kooperation mit den Israelitischen Religionsgemeinschaften in Württemberg und Baden ein Pilotprojekt angelaufen, das vom Land Baden-Württemberg mit 20 000 Euro unterstützt wird. Ideengeber sind der CDU-Fraktionsvorsitzende Manuel Hagel und sein Landtagskollege Christian Gehring. Beide machen sich schon lange gegen Antisemitismus und für die Pflege der jüdischen Kultur in Deutschland stark. "Mit dem Projekt ermöglichen wir, dass sich Menschen jüdischen Glaubens auch mit dem Kulturgut Wein aus Baden-Württemberg identifizieren können", erklärt Landwirtschaftsminister Peter Hauk. Ähnlich äußert sich der Stuttgarter Rabbiner Yehuda Pushkin: "Wir wollen unseren koscheren Wein aus Deutschland bekommen, aus unserem Land, ja sogar aus unserer Region. Auch wenn uns bewusst ist, dass das gar nicht so einfach sein wird." LVWO-Referatsleiter Simon Bachmann, der bei dem Projekt den Hut auf hat, kann ein Lied davon singen.

Oenologe spricht von cooler Truppe

Über entsprechende Fachliteratur, aber auch in Gesprächen mit Pushkin und dessen Badener Kollegen Moshe Flomenmann, hat sich der Oenologe in das Thema eingearbeitet. "Ein Rabbi hat gemeint: Wir haben 600 Regeln, aber auch 600 Ausnahmen", berichtet Wengerterspross Bachmann. Er spricht von einer "coolen Truppe, die es pragmatisch sieht. Wir haben noch nicht alles geklärt, aber wir finden praktikable Lösungen". Die Herausforderungen lägen weniger im Weinberg, "da können wir so arbeiten wie wir es gewohnt sind und sogar Trauben aus bestehenden Rebanlagen verwenden". Eine soll sinnigerweise im Gundelsheimer Himmelreich liegen, andere in Weinsberg und auf Burg Wildeck.

Im Herbst kann es heikel werden

Richtig spannend werde es im Keller: "Pressen, Zuber, Schläuche, Dichtungen, Tanks, Hefen, Behandlungsstoffe - bis hin zu den Flaschen muss alles koscher sein", berichtet Oenologe Bachmann, wobei man hierfür manches extra anschaffe, anderes speziell reinigen könne. Ein Knackpunkt sei, dass jeder Arbeitsschritt von einem extra beauftragten Juden vorgenommen werden muss, gleichsam der verlängerte Arm des Kellermeisters. "Ich denke, die jüdische Gemeinde wird hierfür ein Team zusammenstellen, damit man sich abwechseln kann. Heikel werde es in den Wochen nach der Lese bei der Gärung. "Wir müssen dann täglich Proben nehmen." Über Abstich und Filtration bis zur Abfüllung könnte es schließlich etwas entspannter laufen.

Etiketten mit Hebräischen Schriftzeichen

Jeder Arbeitsschritt wird überwacht, das Fass danach versiegelt.
Jeder Arbeitsschritt wird überwacht, das Fass danach versiegelt.  Foto: Krauth, Kilian

Die Etiketten sind schon fertig. Sie wurden von der Agentur Wineworlds in Ellerstadt/Pfalz gestaltet und orientieren sich am Corporate Design des Staatsweinguts Weinsberg mit entsprechendem Schriftzug und Landes-Löwen. Der Markenname lautet "Le Chaim", das ist Hebräisch und heißt "Auf das Leben". Beim Riesling steht "Lavan", das heißt weiß, beim Lemberger "Adom" für Rot. Die Vorderseite trägt zudem die Siegelstempel der Rabbiner; für den Entwurf war witzigerweise nur der Badener verfügbar. Aufs Rückenetikett kommen alle weinrechtlich notwendigen Angaben.

Etliche Gemeinden haben schon angeklopft

Falls ab der Lese im Herbst alles glatt läuft, sollen die ersten Flaschen bereits im Frühjahr 2023 verfügbar sein, 4000 vom Riesling und 3000 vom Lemberger. Bachmann rechnet mit rund zehn Euro für 0,75 Liter, wegen des Mehraufwandes etwa drei Euro mehr als üblich. "Wir müssen das realistisch kalkulieren", sagt er, weshalb ein Teil der Weine exklusiv im Staatsweingut am Weinsberger Traubenplatz verkauft wird. Zudem hätten schon andere jüdische Gemeinden angeklopft. "Man wird sehen, was daraus wird." Als Grundintention aber nennt der evangelische Christ "den Bildungsaspekt und das Zeichenhafte: Das Judentum gehört zu Deutschland und das schon seit 1250 Jahren, trotz allem."

 
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