Erfrierungsschutz-Helfer bringen Kaffee und Schlafsäcke zu den Armen in Heilbronn
Wohnungslose und Suchtkranke sind froh, wenn der Schutzbus der Aufbaugilde sie an den Hotspots der Stadt aufsucht. Die Menschen haben mit verschiedenen Problemen zu kämpfen - darunter die Kälte und Drogenkonsum.

Ein Einkaufswagen unter der Bahnbrücke Richtung Europaplatz, behängt mit Plastiktüten. Auf der daneben liegenden Matratze ist unter vielen Decken der Mann begraben, den sie wärmen. Als er den Fuß herausstreckt, geht Markus Albrecht in die Knie und versucht, ihm die Stiefel anzuziehen, die er besorgt hat. Schade, zu eng.
Jeden Donnerstag steuern Markus Albrecht und Helmut Ehmann mit dem Kälte-Bus der Aufbaugilde die Hotspots der Stadtarmen an. "Willst du was essen? Ein Brötchen?" fragt er den Mann unter der Brücke, er kennt ihn schon lang.
Jetzt kommen die harten Monate für Menschen auf der Straße
Albrecht arbeitet Schicht in seiner Firma, heute bis um 7 Uhr. Ein paar Stunden Schlaf, dann steigt die Mission im Kleinbus. ErfrierungsschutzPlus steht in großen Lettern darauf. Doch eigentlich sind die Ehrenamtlichen seit Februar durchgängig unterwegs. Die Not ist im Sommer nicht kleiner. Die Zustände genauso desolat. Trotzdem. Die harten Monate kommen jetzt. Im Winter, da geht es um Leben und Tod.
Die Schlafsäcke, die sie dabeihaben, sind für den Einsatz bei Minus 21 Grad gedacht
Deshalb haben die Helfer neben der Kühlbox mit Essen, einer riesigen Thermoskanne Kaffee, Decken und Notfallkleidung zusätzlich Schlafsäcke dabei, die für den Einsatz bis zu minus 21 Grad gedacht sind. "Auch mit so einem Schlafsack erfriert man nur ganz knapp nicht", sagt Albrecht. Aber es gibt Menschen wie den Mann unter der Brücke, die Angebote wie den Erfrierungsschutz oder die Obdachlosenunterkunft meiden. Er hat dann das Gefühl, er kann nicht mehr atmen."
Ein paar Meter weiter zieht Helmut Ehmann den Bollerwagen zum Trinkertreff an der Eislaufhalle. "Es ist gut, dass es jetzt hier einen Sichtschutz gibt, das war ja vorher wie im Zoo", sagt sein Kollege. Eine Gruppe von sieben Personen sitzt zusammen, einige Frauen sind darunter.
Manuela M. grüßt die Männer freudig. Eine Umarmung. Ein heißer Kaffee. Ein Käsebrot. Und die Männer haben ihr Rhabarberschorle mitgebracht, die sie so mag. Für sie Höhepunkt des Tages, wenn nicht der Woche.
Unterkunft in Wohngemeinschaften
Die meisten hier haben eine Bleibe, meist ein Zimmer in einer WG. Manuela M. ist nach der Wohnungskündigung bei ihrer betagten Mutter auf engstem Raum untergekommen. Sie sucht dringend etwas Neues. Mit Hund Buddy ein fast aussichtsloses Unterfangen. "Ich habe so viel angeschaut. Man wird so müde," sagt die gelernte Buchbinderin.
Einige ihrer Kollegen hier sind bei Substitutionsarzt Eiko Schnaitmann in Behandlung. Wie Alex Medvedev, 44. Im Gerüst- und Metallbau hat er gearbeitet, bis vor Kurzem. Er spricht verzögert, wirkt erschöpft. "Die Lunge", sagt er. Und dass er es einfach nicht hinkriegt, Arbeitslosengeld zu beantragen. Drei Mal wurde er schon weggeschickt, weil immer etwas fehlte.
Auch Sabine H., Glitzerpuder auf den Wangen, substituiert. "Ich bin abhängig seit ich zwölf bin. Seit der Scheidung meiner Eltern. Alkohol, Heroin. Aber nie an der Nadel." Ihre drei Kinder sind nicht bei ihr aufgewachsen. Jetzt lebt sie in einem gekachelten kalten Raum, einer ehemaligen Küche, in einer WG. Die Kette, die sie um den Hals trägt? "Ist eine SOS-Kette für meinen Defibrillator", sagt die 46-Jährige. "Damit der Notarzt mich nicht mit Elektroschock wiederbelebt."
Viele sind gestorben in den letzten Monaten
In den vergangenen Monaten war die Sterberate hoch, sagen die Helfer, wieder zurück im Bus. Sie sind nachdenklich. Fast jede Woche ein Todesfall. "Sehr traurig." Markus Albrecht reibt sich übers Gesicht. "Die Menschen sind uns ans Herz gewachsen." Ehmann erinnert sich an den Mann, der wenige Tage nach einem Gespräch nach einer Überdosis nicht mehr aufwachte. "Wir müssten uns einen Coach holen, um mit so einer Situation besser klarzukommen."
An der Harmonie ist viel los
Am großen Baum an der Harmonie herrscht derweil Hochbetrieb. Eine Gruppe verlässt die Szene, als sich die Helfer mit der Presse nähern. "Heilbronn macht alle kaputt", ruft eine Frau. Die Stimmung ist aufgeladen, stellt Ehmann fest. Um den Kaffee schart sich eine Menschentraube, zwei Ehrenamtliche stoßen dazu, einer früher selbst abhängig. "Ich habe in der Finsternis gelebt." Dass er clean ist, empfindet er als Wunder.
Einer Frau, die Haare zum Dutt gedreht, ist nicht nach Reden. Zwei Wochen Therapie hat sie hinter sich. Dann möchte sie doch etwas loswerden. "Ich bin so froh, dass es die Aufbaugilde gibt", sagt sie. "Den Kontaktladen, Kaffee, Essen, sowas alles. Wenn es das nicht gäbe, ich glaube ich wüsste nicht, wohin."