Eine Markthalle für Heilbronn
Seit 20 Jahren wird in Heilbronn immer wieder über eine Markthalle debattiert. Im Sommer nahm die kommunalpolitische Diskussion erneut Fahrt auf. In fünf Städten haben sich Stadtinitiative und Verkehrsverein für eine eigene Markthalle inspirieren lassen.

Die Idee ist nicht neu. Seit 20 Jahren wird in Heilbronn immer wieder über eine Markthalle debattiert. Im Juni nahm die kommunalpolitische Diskussion erneut Fahrt auf, als die CDU-Fraktion im Gemeinderat beantragte, die Planungen zu konkretisieren. Antragsteller Christoph Troßbach sprach von einem "Ort der lokalen Kulinarik, Identifikation, Zugehörigkeit, der Entdeckung, Begegnung", inklusive Veranstaltungen. Was genau entstehen soll und wo, ist offen. Die Standortfrage sei nicht entschieden, erklärt Gastronom und CDU-Stadtrat Thomas Aurich. Ihm und seinen Mitstreitern geht es zunächst um das Wie und die Frage nach einem Betreiberkonzept. Aber auch die Finanzierung des Projekts ist offen.
Die entscheidende Frage: Was braucht Heilbronn?
Klar ist, es soll kein Schnellschuss werden, betont der Vorsitzende der Stadtinitiative Johannes Nölscher, sondern ein passgenaues Konzept: "Es geht darum, für Heilbronn die richtige Lösung zu finden." Deshalb sei jetzt die Zeit, darüber nachzudenken, was Heilbronn braucht: Gastronomie, Handel, Eventlocation oder eine Mischung aus alledem? Und für welche Zielgruppe? Um darauf Antworten zu finden, haben Stadtinitiative und Verkehrsverein eine Rundfahrt für Akteure der Stadt organisiert.
Markthallen und Wochenmärkte sind keine Konkurrenz, sondern beleben sich gegenseitig
In Deutschland, Frankreich und der Schweiz haben die Heilbronner Eindrücke und Informationen gesammelt. Freiburg, Basel, Nancy, Épinal und Colmar standen auf dem Programm. Vertreter der Betreibergesellschaften, der Händler und Kommunen vor Ort haben jeweils von ihren Erfahrungen berichtet. Eine Erkenntnis dabei: Markthallen und Wochenmärkte sind keine Konkurrenz, sondern beleben sich gegenseitig wie beispielsweise in Èpinal, wo nur an Markttagen auch viel Betrieb in der Halle ist. Eine andere Erfahrung aus Frankreich zeigt, dass die Kunden nicht wegen des Preises zum Einkaufen kommen, sondern wegen der Qualität der Produkte. In Basel sind es Events, die Frequenz in die Halle bringen, in Freiburg die Gastronomen.
Welches Format in Heilbronn praktikabel wäre, soll jetzt die Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung (GMA) mit Sitz in Ludwigsburg untersuchen. Außerdem planen die beiden Professoren der Dualen Hochschule, Stefan Rüschen und Yvonne Zajontz, im kommenden Semester ein Studienprojekt zum Thema Markthalle, bei dem ein Kreativkonzept erarbeitet werden soll. Beide waren bei der Tour der Stadtinitiative dabei, im Frühjahr wollen sie mit ihren Studierenden noch Lissabon besuchen.
Die Stadtinitiative hat zudem eine Umfrage angestoßen, bei der Menschen in der Stadt und im Landkreis Heilbronn ihre Wünsche formulieren können. Die Händler- und Gastronomenvereinigung hat eine Arbeitsgruppe gegründet, um Diskussionen anzuregen. Die Zeit ist reif für eine Markthalle, ist Thomas Aurich überzeugt. Man werde das Ziel weiterverfolgen. Die Stadtverwaltung hat zugesagt, das Projekt zu prüfen.
Treffpunkte und Einkaufserlebnisse
In fünf Städten haben sich Heilbronner für eine eigene Markthalle inspirieren lassen.
Basel Schweiz

Es braucht vor allem Leidenschaft: Das haben sechs Frauen und Männer in Basel bewiesen, als sie 2013 eine Aktiengesellschaft gründeten, um aus einem gescheiterten Einkaufszentrum eine coole Location zu machen. "Die einzigen, die daran geglaubt haben, waren wir", erzählt Christoph Schön. "Wir wollten einen Ort für die Stadt entwickeln." Die Akteure forderten alle Bürger auf, Ideen für eine Markthalle einzureichen − mehr als 200 Vorschläge kamen zusammen. Unter der 30 Meter hohen Kuppel in Bahnhofsnähe, die 1929 als Großmarkthalle gebaut wurde, geht es urban zu. Essen, Trinken und Genießen an sieben Tagen pro Woche. Rustikale Holztische, minimalistische Betonstruktur, sternförmig angeordnete Essensstände und offene Läden drumherum sorgen für Atmosphäre. Die lebt von regelmäßigen Events vom Flohmarkt über Brunch bis zum Konzert. "Wir machen auch Dinge, die nicht kommerziell erfolgreich sind", sagt Schön. Die Zielgruppe dabei? "Alle."
Nancy Frankreich

Das Angebot ist überwältigend: Obst und Gemüse sind sorgfältig aufgeschichtet und nach Farben sortiert, daneben Fisch, Pasteten, Blumen, Wein, Kuchen, Schokolade, Käse, Fleisch, Würste. In der Markthalle in Nancy gibt es Frische im Überfluss, eine Explosion der Farben und Eindrücke. Viele Angebote gleich mehrfach, weil Konkurrenz das Geschäft belebt. Zum Einkaufen und Mitnehmen oder zum Genießen vor Ort. Etwa an einem der Tische in der Mitte, die dafür bereitstehen. Hauptsächlich kommen die Kunden zum Einkauf. Schon vor 400 Jahren wurde hier Handel betrieben, im 18. Jahrhundert wurde das Gebäude dafür errichtet. Vor fast 20 Jahren kam eine umfassende Renovierung. Dicht an dicht stehen seitdem wieder Stände unterschiedlicher Größe. Hier zahlen die Kunden auch extra, wenn sie das beste Produkt finden, ist Hugues le Bourlay überzeugt, der mit seiner Frau dänische Lebensmittel verkauft. Seine Kunden kämen, um etwas "up class" zu finden.
Épinal Frankreich

Das Leben tobt hier vor allem mittwochs und samstags, wenn um die Markthalle herum der Wochenmarkt öffnet. Rund 3000 Menschen kaufen dann hier ein, auch wenn viele Produkte teurer als im Supermarkt sind. Entscheidend seien Regionalität und Qualität, sagt Jacques Grasser, Mitglied des Gemeinderats in Épinal, Partnerstadt von Schwäbisch Hall. Das Gebäude stammt aus dem 19. Jahrhundert, ist heute mit einer Tiefgarage unterkellert. An marktfreien Tagen ist weniger Betrieb, manche Händler schließen ihre Stände. Hier entscheidet jeder selbst, wann er öffnet, die Miete ist abhängig von der Präsenz vor Ort. Neben lokalen Erzeugern werden auch internationale Spezialitäten angeboten. Bei den 30 Händlern legt die Betreibervereinigung Wert auf Synergien, zum Beispiel dass Restaurants Waren direkt verarbeiten. So können Gäste dabei zusehen, wenn der Metzger sein Fleisch in den Topf des Kochs nebenan legt. Regelmäßige Konzerte sorgen für weitere Frequenz.
Colmar Frankreich

Das schönste Plätzchen liegt nicht in der Markthalle in Colmar, sondern davor. Eine Terrasse auf dem Wasser, mit rot-weiß karierten Tischdecken und üppigen Geranienpflanzen. Seit fünf Jahren ist die ehemalige Schiffsanlegestelle Teil eines Cafés der Halle. Hier hat einst der Großvater von Pascal Sala mit seinen Waren angelegt. Heute betreibt der Vorsitzende der Händlerrunde den Stand seiner Familie und verkauft Obst und Gemüse in der Halle, die 1865 gebaut wurde, damit die Bauern ihre Erzeugnisse zum Verkauf anbieten konnten. Nach einer Renovierung kam 2010 die Neueröffnung. 22 Stände gibt es insgesamt, die Mieten der Betreiber tragen den Unterhalt des städtischen Gebäudes. Rund 50 Prozent der Kunden, die hier Käse, Baguette, Wein, Fleisch oder auch Souvenirs erstehen, sind Touristen, sagt Pascal Sala. Wer hier einkauft, komme wegen der Qualität der regionalen Produkte. Haupteinkaufstag ist der Samstag. Nur eines fehle dann: ausreichend Parkplätze.
Freiburg Deutschland

Fritz Keller ist regelmäßig da, Jogi Löw auch: Die Markthalle in der Freiburger Altstadt ist seit 35 Jahren beliebter Treffpunkt. "Damals war die Imbiss-Struktur noch nicht so ausgeprägt", erklärt Thomas Holtz, seit 16 Jahren Geschäftsführer der Markthalle. Wo einst die Badische Zeitung gedruckt wurde − der Verlag ist noch immer Eigentümer des Gebäudes − gibt es heute vor allem Gastronomie: Pasta, Gerichte aus Kabul oder Südasien neben Obstsäften und regionalen Weinen. Im Erdgeschoss wartet eine Brauereigaststätte. Fünf Millionen Euro hat die Betreibergesellschaft in den technischen Umbau gesteckt. "Der Teufel steckt im Detail", sagt Holtz. Lüftung, Spülküche, Logistik − alles müsse gut durchdacht sein. 1,5 Millionen Gäste kamen pro Jahr vor Corona, 2022 erwartet der Betreiber etwa 900 000 Besucher. Sein wichtigstes Rezept: "Man muss Emotionen wecken. " Am besten mit einer gewachsenen Struktur: "Ein Neubau muss aussehen, als wäre er 100 Jahre alt."