Die Rolle von Bulgaren im Heilbronner Rotlicht-Milieu ist undurchsichtig
Die Gewalt in der Hafenstraße war für Heilbronner Verhältnisse extrem. Bundesweite Erkenntnisse zu Straftaten im Sex-Gewerbe zeigen Parallelen zur hiesigen Szene.

Die Ermittlungen des Heilbronner Polizeipräsidiums gegen zwei verfeindete Großfamilien im Heilbronner Rotlicht-Milieu dauern an. Wer sind die Menschen? Nach wie vor ist wenig zu den beiden Gruppen und ihrem Hintergrund bekannt.
Die rivalisierenden Großfamilien hatten im vergangenen Jahr Gebietsstreitigkeiten auf dem Strich in der Hafenstraße mit brutaler Gewalt ausgetragen. Prostituierte und Zuhälter der beiden Familien sollen sich mit Baseballschlägern, Pfefferspray und mit Nägeln versetzten Holzlatten attackiert haben. Eine Prostituierte, die der Szene den Rücken kehren wollte, soll mit einer säureartigen Flüssigkeit verätzt worden sein. So steht es in der Allgemeinverfügung, mit der die Stadt die Straßenprostitution verbot.
Zuhälter kommen aus der eigenen Verwandtschaft
Nach Informationen der Heilbronner Stimme stammen die bulgarischen Großfamilien aus zwei verschiedenen Städten des Landes. Die Bulgarinnen gehen meist der Armutsprostitution nach. Sie sollen von den Mitgliedern der jeweiligen Gruppierung in ihrem Heimatland angeworben worden sein. Bei den Zuhältern handelt es sich nach Stimme-Informationen unter anderem um Männer aus der Verwandtschaft der Frauen.
Dass Brüder, Väter oder sonstige Verwandte Frauen zur Prostitution bewegen, ist nicht ungewöhnlich. In Deutschland spielt nach Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) das familiäre Umfeld bei etwa elf Prozent der Prostituierten, die Opfer einer Straftat werden, eine entscheidende Rolle. Angehörige setzen Prostituierte emotional unter Druck, heißt es im BKA-Lagebericht zu Menschenhandel und Ausbeutung. Sie wendeten aber auch körperliche Gewalt an. Die komme noch häufiger ins Spiel, wenn es darum geht, Prostituierte im Milieu zu halten.
Die meisten Straftäter besitzen einen deutschen Pass
Im Jahr 2021 ist beinahe jeden Tag in Deutschland ein Ermittlungsverfahren abgeschlossen worden, das in den Bereich des Menschenhandels zur sexuellen Ausbeutung gehört. In diesen 291 Verfahren wurden häufig mehrere Taten behandelt: Gewalt-, Freiheits- und Rauschgiftdelikte oder Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Die meisten Tatverdächtigen besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit, gefolgt von bulgarischen und rumänischen Staatsangehörigen. Bulgarische Opfer rangieren mit einem Anteil von 16,8 Prozent auf Platz zwei hinter deutschen.
Deutsche Opfer sind dem BKA zufolge meist besser über ihre Rechte informiert, hätten mehr Vertrauen in die Polizei und seien oft gesellschaftlich besser integriert. Daher sei die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich bei der Polizei meldeten, höher.
58 Personen melden im Rathaus Prostitution an
Das Heilbronner Rathaus hat im vergangenen Jahr 58 Gespräche mit Personen geführt, die entsprechend dem Prostituiertenschutzgesetz ihre Tätigkeit anmeldeten. Davon besaßen 22 Menschen die bulgarische Staatsangehörigkeit, 13 die rumänische, zehn die deutsche und acht waren spanischer Nationalität. Der Anmeldeschein ist zwei Jahre gültig und gilt in ganz Deutschland. Ergo: In Heilbronn können Prostituierte mit Bescheinigungen aus anderen Kommunen tätig sein. Genauso wie in Heilbronn angemeldete Prostituierte andernorts arbeiten.
Keine Kenntnis zu Mehrfach- und Intensivtätern
Ob und wie oft die tatverdächtigen Bulgaren von der Hafenstraße in der Vergangenheit straffällig geworden sind, dazu machen die Ermittler keine Angaben. Es bleibt offen, ob Mehrfach- oder Intensivtäter zu den Gruppierungen gehören. Nach Angaben der Behörden bestehen Anhaltspunkte dafür, dass einige Prostituierte in Heilbronn Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution sind. Die Ermittlungen der Kripo gestalteten sich schwierig, da die Polizei oft auf eine "Mauer des Schweigens" trifft.
Loverboys nutzen Frauen aus
Das Bundeskriminalamt sagt, dass diese Frauen häufig über die sogenannte Loverboy-Masche an Zuhälter geraten. Dabei gaukelten die Täter ihren zumeist jungen Opfern Liebe vor und machten sie emotional von sich abhängig. Im zweiten Schritt wirkten sie auf die Frauen ein, damit die sich prostituieren und finanziell ausbeuten lassen. Einige der Opfer seien nur zunächst mit der Prostitution einverstanden. Andere würden über die Art und das Ausmaß der Sex-Geschäfte getäuscht.
Kaum Erkenntnisse gibt es, wer im Rotlicht-Milieu das große Geld verdient. Dem BKA zufolge stellt Menschenhandel in all seinen Ausprägungen ein lukratives Betätigungsfeld für organisierte Tätergruppierungen dar.
Bordell-Betrieb läuft weiter
Das Bordell H7 in der Heilbronner Hafenstraße ist vom Verbot der Straßenprostitution gänzlich unberührt. Nach den Beschränkungen in der Corona-Zeit läuft der Betrieb in den zwölf Zimmern wie früher. Das Bundeskriminalamt stellt fest, dass Kriminalitätsopfer immer seltener in Bordellen oder in der Straßenprostitution tätig sind. Der deutliche Trend sei eine Verlagerung von Straftaten in die Wohnungsprostitution.