Der NSU-Ausschuss geht in den Endspurt
Mühsam arbeitet sich der zweite NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag an Thesen und Spekulationen ab - dabei geht es vor allem um den Mord an der Heilbronner Polizistin Michèle Kiesewetter. Bringen die letzten Monate des Gremiums noch Überraschungen?

Edda Schmidt gibt sich wortkarg. Als sie im NSU-Untersuchungsausschuss Ende November gefragt wird, wie sie in die rechte Szene gekommen sei, antwortet sie lapidar: „War ich immer schon.“ Vom rechtsterroristischen NSU will die NPD-Politikerin erst im November 2011 aus der Zeitung erfahren haben. Und an ein mutmaßliches Gespräch im rechten Kreis über die drei untergetauchten NSU-Terroristen im Jahr 2000 kann sie sich angeblich nicht erinnern.
Dabei glaubt der NSU-Untersuchungsausschuss des Landtags, dass die 69-Jährige durchaus etwas zu erzählen hätte. Doch die Befragung verläuft wie die von vielen anderen Mitgliedern der rechten Szene: Man will nichts gewusst haben von den drei Rechtsterroristen, kann sich nicht erinnern oder versucht es mit Halbwahrheiten. Gegen zwei Zeugen aus der rechten Szene erstattete das Gremium in Stuttgart Anzeige wegen Verdachts der uneidlichen Falschaussage.
Bereits der zweite Anlauf
Es ist ein mühsames Geschäft, das Ausschusschef Wolfgang Drexler (SPD) und die zwölf weiteren Abgeordneten betreiben. Ein erster Ausschuss konnte nicht alle Komplexe ausreichend ergründen. Er war zu dem Ergebnis gekommen, dass die Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn ein Zufallsopfer des NSU war. Die Abgeordneten hatten keine begründeten Zweifel daran, dass die NSU-Mitglieder Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos die Täter waren. Zwar schloss das Gremium weitere Tatbeteiligte nicht aus - dafür fand es aber keine konkreten Beweise.
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Der Landtag setzte daher im Juli 2016 einen zweiten Ausschuss ein. Sensationelle Erkenntnisgewinne gibt es bislang nicht. Das Gremium geht vor allem diversen Vermutungen und Indizien nach - so der von der angeblichen Anwesenheit ausländischer Geheimdienste am Tag der Ermordung Kiesewetters in Heilbronn. Es war spekuliert worden, Personen aus dem Umfeld der islamistischen Sauerlandgruppe hätten sich am Tattag, dem 25. April 2007, in Heilbronn aufgehalten. Kiesewetter und ihr Streifenkollege seien bei einer Zünderübergabe dazwischengekommen, lautet die Theorie.
Dubiose Zeugenaussagen sorgen für wenig Klarheit
Diese These wurde auch von einem früheren Mitarbeiter des US-Militärs befeuert. Er machte als Zeuge im Ausschuss keinen glaubwürdigen Eindruck, heuerte dann aber als Berater bei der Landtagsfraktion der Alternative für Deutschland (AfD) an, was für gereizte Stimmung im Ausschuss sorgte. Das Gremium befragte den ehemaligen Präsidenten des Bundeskriminalamtes (BKA), Ernst Uhrlau, diverse Beamte und verurteilte Mitglieder der Sauerlandgruppe - mit negativem Ergebnis. Auch die vermeintliche Spur zweier verdächtiger Handy-Nummern löste sich bei Nachforschungen des Untersuchungsausschusses in Luft auf.
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Zwischenzeitlich sorgte ein NSU-Schriftzug an einer Mauer am Tatort für Wirbel, der auf alten TV-Aufnahmen entdeckt wurde, die zwei Tage nach dem Mord an Kieswetter entstanden waren. Der Schriftzug elektrisierte Beobachter und Politiker. Denn 2007 agierte der NSU noch im Untergrund. Aber die Bundesanwaltschaft erklärte, der Schriftzug stamme wohl nicht von den Rechtsterroristen. NSU, das ist im Raum Heilbronn auch das Kürzel für die Stadt Neckarsulm und die dort ansässigen Motorenwerke, die 1969 zur Audi NSU Auto Union AG fusionierten. Wie so oft ließ sich eine scheinbar spektakuläre Entdeckung nicht beweisen - aber auch nicht völlig widerlegen.
Es gab einen Bezug zu Baden-Württemberg
Vor seinem Untertauchen war das NSU-Trio definitiv auch im Südwesten unterwegs. Die Bekenner-DVD des NSU war mit einem Lied der Rechtsrock-Band Noie Werte unterlegt, die aus dem Südwesten stammt. Grünen-Obmann Jürgen Filius sagt: „Es zeichnen sich deutlich die zahlreichen Bezüge des Trios nach Baden-Württemberg ab.“
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Ein Umfeld , das den NSU möglicherweise unterstützt hat, sieht der Ausschuss aber nach wie vor nicht. Vom NSU hatten auch die baden-württembergischen Behörden nichts mitbekommen. Dennoch sieht zumindest der CDU-Obmann im Ausschuss, Arnulf von Eyb, kein strukturelles Behördenversagen im Südwesten. „Auch Anhaltspunkte für die Vernichtung von Akten vor Ablauf der einschlägigen Fristen oder aus möglicherweise sachwidrigen Erwägungen haben sich bisher nicht ergeben“, meint von Eyb.
Parteiübergreifend sind sich die Abgeordneten einig, dass viele Mitglieder der rechten Szene den Einstieg über rechtsextreme Musik fanden - und dass da gehandelt werden muss. Insbesondere der SPD-Obmann Boris Weirauch zeigt sich entsetzt darüber, wie einfach Rechtsextremisten im Südwesten nicht nur an Waffen kommen konnten, sondern sie offenkundig auch legal Besitzen dürfen. Innenminister Thomas Strobl (CDU) kündigte im April an, die Entwaffnung von Rechtsextremisten vorantreiben zu wollen. Zudem bestätigten Beamte im Ausschuss, dass es zum Teil große Probleme bei der Zusammenarbeit der Polizeien zwischen den Ländern und mit den Bundesbehörden gab.
Es bleiben sieben Monate Zeit
Bis zur parlamentarischen Sommerpause will das Gremium seine Arbeit abschließen - der Abschlussbericht soll Ende 2018 vorliegen. Nun bleiben also noch etwa sieben Monate Zeit. Für den FDP-Obmann Nico Weinmann ist vor allem die Aussage eine thüringischen Neonazis aus dem Jahr 2000 von besonderem Interesse. „Den Dreien geht es gut“, soll er behauptet haben - da war das Trio schon untergetaucht. „Wir haben dazu schon Zeugen geladen, die uns diesen Satz aber in ganz verschiedenen Versionen erzählt haben““, so Weinmann. Die Frage sei, ob auch die rechte Szene im Südwesten von der Aussage gewusst habe.