Markante Stadtbäume in Heilbronn – "Wir pflanzen Zukunft, die erlebbar wird"
In Heilbronn gibt es 48.000 Bäume, die im Hochsommer als "Klima-Inseln" in der überhitzten Stadt wirken. Welchen Beitrag das Grün in einer Stadt zur Erholung der Menschen leistet, erklärt der Leiter des Grünflächenamts im Interview.

Treffpunkt für das Gespräch mit Oliver Toellner ist sein Lieblingsbaum, die große Platane mitten im Campuspark.Vom früheren Buga-Planer und heutigen Leiter des Grünflächenamts der Stadt Heilbronn will die Heilbronner Stimme etwas über markante Stadtbäume und ihren Beitrag zu einem guten Klima erfahren.
Warum haben wir uns gerade hier getroffen?
Oliver Toellner: Obwohl wir in unserem Baumkataster fast alle Bäume digital abrufbar haben, macht man manchmal vor Ort persönliche Erfahrungen, wenn man so ein schönes Exemplar in seiner Größe erlebt. Hier war früher das Naturdenkmal Schaeuffelensche Insel, zuletzt heruntergekommene Sportanlagen, eine alte Minigolf-Anlage und ganz viel undurchsichtiges Gestrüpp. Wir waren auf Entdecker-Tour, haben den Park aufgeräumt, um dieses wunderbare Exemplar freizustellen.
Der Baum gefällt mir deswegen, weil er um 1850 herum gepflanzt wurde - mitten in der damals aufstrebenden Industriestadt Heilbronn. Er kann von wilden Zeiten in Heilbronn erzählen, hat zwei Kriege überlebt, und er steht prächtig da, das ist eine unserer mächtigsten Platanen mitten in der Stadt. Und ich finde, man sieht an seiner riesigen Krone ganz gut, was Bäume leisten können, wenn man ihnen nicht auf den Füßen rumsteht. Die Bodenversiegelung der Innenstadt ist das große Problem.
Wie viele Bäume gibt es in der Stadt Heilbronn?
Oliver Toellner: Wir sind bei 48.000.
Haben Sie die persönlich gezählt?
Oliver Toellner (lacht): Nein, das macht nicht der Amtsleiter, sondern wir haben ein Team bei uns und im Betriebsamt, das sich um die Pflege der Bäume kümmert. Wir besitzen ein digitales Kataster und können dort jeden Baum in seiner Vitalität herausfiltern, sogar vor Ort über Smartphone und iPad.
Welchen Beitrag leisten große, schöne Stadtbäume zu einem guten Klima?

Oliver Toellner: Es gibt da eine subjektive und eine objektive Ebene. Das Persönliche ist dieses Wohlgefühl, das man in der Nähe von Bäumen spürt, welches sicherlich kulturgeschichtlich bei uns verankert ist. Wir sind klimatisch in einer Waldregion, dieses visuelle Erbe tragen wir alle ins uns. Die Begeisterung für große Bäume, für sattes Grün. In der Zwischenzeit ist dies auch eine junge medizinische Wissenschaft. Die Frage, was bewirkt eigentlich Grün im Heilungsprozess beim Blick aus dem Klinikfenster? Ich finde im Gesundbrunnen ist noch Verbesserungspotential. Die klinische Versorgung wird optimiert, was auch sehr gut ist, aber wenn ich an das Stadtgrün rund um Neubauten der SLK-Kliniken denke, da kann man wirklich noch nachlegen.
Und das Faktische?
Oliver Toellner: Das sind die Messwerte, wir untersuchen das stadtweit durch die Klimaanalyse, oder experimentell im Kleinen mit unseren Klima-Wäldchen. Was passiert, wenn man mitten auf einer Steinwüste wie der Theresienwiese Bäume pflanzt? Die Bilder der Wärmekamera haben gezeigt, dass es bis zu elf Grad Temperatur-Unterschied sind. Wenn man an einem Juni-Vormittag zwischen 33 oder 22 Grad wählen kann, merkt man schon, dass es der wohltemperierte Bereich ist, in dem wir uns wohlfühlen, da findet Erholung statt. Es ist unser Ziel, im Stadtgrün Klima-Inseln nur fünf Minuten vom Wohnort in innerstädtischen Bereichen sicherzustellen. Es haben nicht alle Menschen den Garten vor der Tür, sondern wohnen im Hochsommer auch in der überhitzten Dachwohnung. Da muss es in einer erreichbaren Entfernung wirksamen Kühlraum geben. Hier im Campuspark bei den alten Bäumen ist der ökologische Wert relevant. Wir haben hier ein sehr schönes Fledermausvorkommen mit mehreren streng geschützte Arten.
Der Kiliansplatz mitten in Heilbronn ist ein großer, im Sommer oft sehr heißer Platz ohne Schatten. Welchen Baum würden Sie sich auf dem Kiliansplatz wünschen?
Oliver Toellner: Man träumt als Landschaftsarchitekt immer von dem hundertjährigen Baum. Das ist das Interessante an unserem Job: Wir pflanzen Zukunft, die erlebbar wird. Wenn ein Architekt ein Gebäude baut, ist es zum Zeitpunkt der Eröffnung in seinem Glanz und muss dann über Jahre aufwendig erhalten werden. Wir setzen beim Pflanzen Hoffnungen in diese kleinen Bäume. Welche Baumart sich in diesen Klimawandel-Zeiten durchsetzen wird, wissen wir nicht. Am Kiliansplatz würde ich eben nicht den einen Baum pflanzen, sondern eine Vielfalt mischen. Mit Zukunftsbäumen wie Gleditschie und Japanbaum haben wir schon auf der Buga Alleen gepflanzt. Das sind Bäume, die aus dem mediterranen Raum kommen und hier eine gute Perspektive haben.
Wie kann man Bäume auf Privatgrundstücken besser schützen, beispielsweise wenn größere Bauvorhaben anstehen?
Oliver Toellner: Wir hatten in Heilbronn bis in die 90er Jahre eine Baumschutzsatzung. Im Rahmen der dynamischen Stadtentwicklung hat man dieses Instrument durch Auflagen in der Baugenehmigung ersetzt. Im Moment ist die Diskussion im Raum, ob man die Baumschutzsatzung wieder braucht, weil man die Grenzen der Entwicklung festgestellt hat. Es gibt einfach auch ein Zuviel an Nachverdichtung in der Fläche. Wir sind uns einig darüber, dass wir die Lösung in der Klimaanpassung nicht ausschließlich über den öffentlichen Raum schaffen, sondern auch eine große Verantwortung auf privater Seite liegt. Nehmen Sie das Beispiel der Schottergärten, dort gibt es in der Zwischenzeit eine Landesverordnung, die begrünte Flächen einfordert.
Zurück zu unserer Platane, unter der wir hier sitzen. Wie viele Bäume müssten eigentlich nachgepflanzt werden, wenn so ein alter Baum gefällt werden müsste?
Oliver Toellner: Da gibt es schöne Beispielrechnungen: Das sind 10 bis 15 Kilogramm Sauerstoff täglich, dazu die Reinigung von 35.000 Kubikmetern Luft. Und natürlich für uns interessant: die CO2-Bindung. Um so einen großen Baum zu ersetzen, müssten 2500 junge Bäume gepflanzt werden, das sind zwei Fußballfelder.
Zur Person: Oliver Toellner ist "noch nicht 173 Jahre wie die Platane, aber 54". Der Leiter des Grünflächen-Amts der Stadt Heilbronn seit 2020 war zuvor Prokurist und Planungsleiter der Bundesgartenschau. Der gelernte Landschafts- und Stadtplaner ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.