Stimme+
Heilbronn
Lesezeichen setzen Merken

Wie Avatare am Mönchsee-Gymnasium schwerkranken Kindern helfen

   | 
Lesezeit  3 Min
Erfolgreich kopiert!

Emma hat Knochenkrebs. Ein Avatar ermöglicht der Fünftklässlerin, am Unterricht des Heilbronner Mönchsee-Gymnasiums teilzunehmen. Wie läuft eine Schulstunde genau ab?

Durch den Avatar kann die schwerkranke Fünftklässlerin Emma von überall am Unterricht teilnehmen. Sie kennt ihre Mitschüler im Mönchsee-Gymnasium Heilbronn, obwohl sie selbst das Klassenzimmer noch nie betreten hat.
Durch den Avatar kann die schwerkranke Fünftklässlerin Emma von überall am Unterricht teilnehmen. Sie kennt ihre Mitschüler im Mönchsee-Gymnasium Heilbronn, obwohl sie selbst das Klassenzimmer noch nie betreten hat.  Foto: Seidel, Ralf

Vor gut drei Wochen ist das neue Schuljahr gestartet. Seit dem ersten Tag ist die zehnjährige Emma Wist im Schulalltag dabei, obwohl sie noch kein einziges Mal in ihrer neuen Schule, dem Mönchsee-Gymnasium Heilbronn, war. Sie kennt ihre neuen Mitschüler in der fünften Klasse, obwohl sie noch nie ihr Klassenzimmer betreten hat. Man sieht ihr an, ob sie fröhlich oder traurig ist, ob sie etwas sagen möchte oder lieber ihre Ruhe will. Wenn ein Mitschüler hinter ihr etwas sagt, kann sie sich umdrehen und ihn anschauen. Emma ist dabei, obwohl sie nicht da sein kann.

Diagnose Knochenkrebs – Schülerin nimmt durch Avatar trotzdem am Unterricht teil

Im Mai 2023 erhielt die Zehnjährige die Diagnose Knochenkrebs: Ein Tumor im rechten Oberschenkel. Schnell folgten Chemotherapie, Operationen, wieder Chemotherapie, noch mindestens bis Februar 2024. "Knochenkrebs ist ein sehr aggressiver Krebs, dementsprechend ist es auch eine sehr aggressive Therapie. Den Umständen entsprechend geht es ihr aber gut", erzählt ihre Mutter Janet Geltz. Nach so einer Diagnose werde man sehr schnell aus dem Leben gerissen. "Man will ja schnellstmöglich mit den entsprechenden Therapien beginnen."

 


 

Schule schafft Struktur und Normalität

Normal in die Schule zu gehen, war für Emma schnell nicht mehr möglich, trotzdem wollte sie unbedingt weiter am Unterricht teilnehmen. "Das gibt ihr Struktur und Normalität und auch das Gefühl, so zu sein wie alle anderen", erklärt ihre Mutter. Ermöglicht wurde das durch das Projekt Virtuelles Klassenzimmer der Stiftung "Große Hilfe für kleine Helden". Seit Juni 2023 hat die Stiftung eine neue Kooperation mit dem Kreismedienzentrum Heilbronn (KMZ).

Schnelle Hilfe nach ersten Gesprächen

Emma wollte trotz der Diagnose Knochenkrebs unbedingt weiter am Unterricht teilnehmen.
Emma wollte trotz der Diagnose Knochenkrebs unbedingt weiter am Unterricht teilnehmen.  Foto: Seidel, Ralf

Emmas Mutter hatte sich zuallererst an das KMZ gewandt. Dessen Leiter Jürgen Dorsch reagierte schnell: "Sowas ist eine Herzensangelegenheit, da versucht man alle Räder in Bewegung zu setzen." Nicht einmal 14 Tage dauerte es vom ersten Gespräch mit Janet Geltz bis zum Einsatz des Gerätes in der Schule.

Damals ging Emma noch in die Grundschule. Das KMZ kümmert sich um den gesamten technischen Support. Dazu zählt beispielsweise, eine stabile Ton-Bild-Verbindung zwischen Emmas Tablet zu Hause und dem Avatar im Klassenraum sicherzustellen. Bei Problemen "erreicht man immer sofort jemanden", berichtet Janet Geltz und betont, wie wertvoll die Begleitung durch das KMZ sei.

 


Mehr zum Thema

Daniel Gysin (links), Kerstin Lanig und Jürgen Dorsch: Emmas Avatar wird jeden Morgen in der Tasche ins Klassenzimmer gebracht.
 Foto: Ralf Seidel
Stimme+
Stiftung "Große Hilfe für Kleine Helden"
Lesezeichen setzen

Projekt für kranke Kinder: Avatare ermöglichen Teilnahme am Unterricht


Avatarpatinnen kümmern sich im Schulalltag um den Avatar

Montagmorgen steht für Emma und ihre Klassenkameraden Englisch auf dem Programm. Nach der großen Pause herrscht erst einmal ordentlich Gewusel, und es dauert ein bisschen, bis alle Schüler den Weg zu ihrem Platz gefunden haben. Emmas Avatar sitzt ganz vorne rechts neben ihren Freundinnen und Avatarpatinnen Emma Lientje Eckstein und Yulin Chen. Die drei Mädchen sind seit der Grundschule gute Freundinnen, jetzt übernehmen Emma und Yulin als Avatarpatinnen eine besondere Rolle. Jeden Morgen holen sie den Avatar aus dem Lehrerzimmer, nehmen ihn mit in den Unterricht und bringen ihn nach jedem Schultag wieder zurück.

Sich melden und Gefühle ausdrücken: Der Avatar macht vieles möglich

Wenn Emmas Avatar grün leuchtet, wissen ihre Klassenkameraden, dass sie etwas sagen möchte.
Wenn Emmas Avatar grün leuchtet, wissen ihre Klassenkameraden, dass sie etwas sagen möchte.  Foto: Seidel, Ralf

"Emma meldet sich!", ruft Yulin ihrer Englischlehrerin Hanna Graf zu. Die kann ihre Augen nicht überall gleichzeitig im Klassenzimmer haben, ist aber dankbar für den Hinweis und wendet sich sofort Emma zu. Wenn sie anfängt zu sprechen, leuchtet ihr Avatar grün, wenn sie nicht gestört werden will, wird er blau. Emotionen kann sie über die Augenform ihres Avatars ausdrücken.

"Jetzt ist sie fröhlich", erklärt ihre Patin Emma blitzschnell. Doch nicht nur ihre Patinnen kennen sich aus, die ganze Klasse behandelt den Avatar in der ersten Reihe wie selbstverständlich als Teil der Klassengemeinschaft. "Sie fühlt sich im Sozialen eingebunden", bestätigt ihre Mutter. "Außerdem habe ich den Eindruck, dass die Klasse sich über den Avatar identifiziert - ‚Das ist unser Avatar" sagen die Kinder oft."

 


Mehr zum Thema

An der Universität Tübingen, das zum "Cyber Valley" gehört, befassen sich Forscher bereits mit Künstlicher Intelligenz. Foto: dpa
Stimme+
Bildung
Lesezeichen setzen

Künstliche Intelligenz: Immer mehr Schulen im Raum Heilbronn setzen KI ein


Dabei sein ist wichtig: Das Lieblingsfach kann aber nicht ersetzt werden

Über den Avatar erzählt Emma, dass eigentlich Sport ihr Lieblingsfach ist - da kann auch kein Avatar Abhilfe leisten. Trotzdem hört sich ihre Stimme fröhlich an: "Es ist einfach gut, dass ich mitkriege, was im Unterricht gemacht wird", stellt sie pragmatisch fest.

Persönlich kennt die Klasse Emma noch nicht. "Aber sie hat uns einen Brief geschrieben und Fotos mitgeschickt. In gesundem Zustand und auch unter der Chemotherapie", erzählt Klassenlehrerin Janina Dexheimer. Noch war in der Hektik des neuen Schuljahres keine Zeit, aber eine Antwort an ihre Klassenkameradin zu schreiben, steht fest auf dem Programm der Klasse 5d.


Kooperation

Bereits 2011 hat die Stiftung "Große Hilfe für kleine Helden" das Projekt Virtuelles Klassenzimmer ins Leben gerufen. Ziel ist es, dass (schwer-)kranke Kinder, die nicht selbst im Klassenzimmer anwesend sein können und auch nicht gesehen werden wollen, trotzdem am Unterricht teilnehmen können - egal ob sie gerade zu Hause oder im Krankenhaus sind. Möglich wird das durch den Einsatz von Avataren, die mit im Klassenraum sind. Dadurch können die Kinder alles live sehen und hören, was im Klassenraum passiert und sich über den Avatar aktiv beteiligen.

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Neueste zuerst | Älteste zuerst | Beste Bewertung
Keine Kommentare gefunden
  Nach oben