"Anpacken und etwas Sinnvolles tun": Rentner setzt sich bei der Tafel für die Ärmsten ein
Kurt Scheuermann muss nicht lange nach den Gründen für sein ehrenamtliches Engagement überlegen. Der 75-jährige Metzgermeister engagiert sich seit zehn Jahren für die Tafel der Diakonie im Heilbronner Land. Hier kommt seine Geschichte.

"Wenn der Schwabe nichts zu schaffen hat, packt ihn das schlechte Gewissen. Vielleicht habe ich auch ein Helfersyndrom, ganz sicher aber einen Sprachfehler: Ich kann nämlich nicht Nein sagen." Kurt Scheuermann muss nicht lange überlegen, wenn er nach den Gründen für sein ehrenamtliches Engagement gefragt wird.
Der ebenso schlagfertige wie tatkräftige 75-Jährige "schafft" seit gut zehn Jahren für die von der Diakonie getragenen Tafeln im Heilbronner Land. Davor führte er mit seinem Bruder Otto an der Karlstraße, direkt gegenüber dem Mönchseegymnasium, die von den Eltern Hermann und Emma 1950 aufgebaute Metzgerei Scheuermann. "Mein Vater ist schon 1954 gestorben. Zunächst haben wir das Geschäft verpachtet. Dann durfte ich Ende der 70er Jahre mit einer Sondergenehmigung als 22-Jähriger die Prüfung machen und war der jüngste Metzgereimeister im Land. Damals."
Ehrenamtliches Engagement: Etwas Sinnvolles tun
Als er im Jahre 2011 Messer und Wetzstein zur Seite gelegt und sich von den Kunden verabschiedet hatte, "konnte ich nicht von 60 bis 80 Stunden pro Woche auf Null runterfahren, da wäre ich krank geworden". So ging der dynamische Rentner, der übrigens bis heute noch regelmäßig Tennis spielt, ins Kiesertrainig geht und mit Ehefrau Odile gerne Kulturveranstaltungen besucht, gezielt auf das Forum Ehrenamt zu, um "etwas Sinnvolles" zu tun.
"Ich habe gleich gesagt: Deutsch unterrichten kann ich nicht, Behördengänge mit Asylbewerbern sind nicht meine Sache und für den Hospizdienst fehlt mir das Fingerspitzengefühl. Aber ich kann richtig hinlangen, so kam ich zur Tafel", gibt der Ex-Metzger mit etwas Schalk im Nacken zu verstehen. Keine 24 Stunden nach dem Info- und Bewerbungsgespräch mit dem damaligen Chef Matthias Weiler, war ab 7 Uhr die erste Schicht angesagt.
Mit dem Tafel-Mobil auf Tour
Bis heute steuert Scheuermann zwei bis dreimal die Woche mit einem Sprinter auf einer von fünf festen Touren Lebensmittelläden, Metzger und Bäcker im Heilbronner Land an, um dort Waren abzuholen, die diese nicht mehr verkaufen, weil sie nicht mehr ganz frisch sind: Obst, Gemüse, Gebäck, Milchprodukte, verpackte Wurst bis hin zu Marmelade, respektive "Gsälz". Das meiste sei noch pfenniggut, beteuert der Fachmann, der das "MHD", also das Mindesthaltbarkeitsdatum schlichtweg "dämlich" findet, "weil dadurch Vieles viel zu früh und unnötig weggeschmissen wird".
Auch das sei mit ein Grund, warum er sich ausgerechnet bei der Tafel engagiert. Denn die von ihm gesammelten Produkte werden nach einem Frische-Test in der Tafel-Zentrale an der Heilbronner Goppeltstraße im dortigen Tafelladen sowie in drei weiteren in Neckarsulm, Bad Friedrichshall-Kochendorf und Eppingen verkauft. Die Tafel müsse kostenneutral wirtschaften, weiß der ehemalige Geschäftsmann, und verlange wegen der Fixkosten, etwa für ein Dutzend fest Angestellte, für Miete und Fahrzeuge auch einen Kaufpreis, der allerdings rund ein Viertel des normalen betrage.
Ab und an steuert Scheuermann auch die Fahrtafel an, also einen mobilen Laden, der viermal in der Woche auf vier verschiedenen Touren Orte im Umland anfährt und dort ein bis zwei Stunden Station macht.
Unterschiedliche Reaktionen
Vor Ort kommt Kurt Scheuermann gerne auch mit Kunden ins Gespräch. Da gebe es natürlich wie überall solche und solche - aber vor allem solche wie jene junge Mutter, die sich bei ihm herzlich bedankte und sagte, ihr Kind sei dank der Tafel erstmals seit Wochen wieder satt geworden. "Da ist man stolz und schämt sich gleichzeitig, weil es in einem reichen Land wie Deutschland Menschen gibt, die Hunger leiden müssen."