Mutmaßliche Zuhälter sollen Frauen zur Prostitution gezwungen, geschlagen und bedroht haben
Das Landgericht Heilbronn verhandelt am Montag gegen zwei bulgarische Staatsbürger. Ihnen drohen unter anderem wegen schwerer Zwangsprostitution, Menschenhandels und Körperverletzung bis zu 13 Jahre Gefängnis.

Im Prozess gegen zwei mutmaßliche Zuhälter im Heilbronner Rotlichtmilieu brauchte Staatsanwalt Fabian Graf am Montagmorgen beim Prozessauftakt vor dem Heilbronner Landgericht rund eine Stunde allein für die Anklageverlesung. Der Vorwurf lautet unter anderem mehrfache gemeinschaftliche schwere Zwangsprostitution, Menschenhandel, Körperverletzung, Bedrohung und unerlaubter Waffenbesitz.
Die 41 und 21 Jahre alten Beschuldigten sollen darüber hinaus mit Kokain gehandelt und als Schleuser in Aktion getreten sein. Die beiden bulgarischen Staatsbürger sollen die Straftaten, die sich unter anderem gegen Prostituierte und rivalisierende Zuhälter richteten, zwischen Februar 2021 und Mai 2023 begangen haben. Seitdem sitzen sie in Untersuchungshaft.
„Diese Kammer pflegt mit offenen Karten zu spielen“, sagte die Vorsitzende Richterin der 15. Großen Jugendkammer, Ursula Ziegler-Göller. Die Aktenlage spreche „sehr stark dafür, dass sich die Vorwürfe bestätigen werden“. Demnach drohten dem 41 Jahre alten Angeklagten bis zu 13 Jahre Gefängnis. Sein jüngerer Komplize müsse mit „neun Jahren plus“ rechnen. Für den Fall eines umfassenden Geständnisses stellte die Richterin den Angeklagten eine Strafmilderung von bis zu einem Drittel der Haft in Aussicht.
Vorwurf: Frauen mussten auf Heilbronner Straßenstrich in der Hafen- und in der Austraße
Seit 2021 sollen die Beschuldigten den Prostituierten mehrere 100 000 Euro abgenommen haben. Zuvor sollen sie die jungen Frauen unter falschem Vorwand nach Deutschland gelockt haben. Unter anderem hätten sie ihnen versprochen, in Heilbronn in einem Dönerladen arbeiten zu können, damit sie Geld zu ihren Familien nach Bulgarien und Ungarn schicken können. In Heilbronn seien die Opfer dann gezwungen worden, unter anderem auf dem Straßenstrich in der Hafen- und in der Austraße sowie in sogenannten Terminwohnungen als Prostituierte zu arbeiten – mitunter an sieben Tagen in der Woche.
Das eingenommene Geld mussten die Frauen offenbar abgeben. Einen Bruchteil sollen die Beschuldigten an die Familien der Opfer geschickt haben. Mit dem Geld hätten sie zwar den Lebensunterhalt der Prostituierten bezahlt. Den größten Teil der Einnahmen sollen die Angeklagten aber für sich behalten haben. Die Frauen selbst bekamen offenbar mitunter 30 Euro pro Woche.
Todesdrohungen, Schläge und weitere Misshandlungen
Eine Flucht war mutmaßlich nur schwer möglich. So habe einer der Angeklagten ab Februar 2021 eine Geschädigte zur Prostitution gezwungen, wobei er unter anderem Todesdrohungen gegen sie und ihre Familie ausgesprochen und sie mit einer Glasflasche und dem Stil eines Wischmops geschlagen haben soll, um sie gefügig zu machen. Einer anderen Frau soll der Angeklagte 2022 eine ätzende Flüssigkeit auf den Rücken geträufelt haben, so dass die Haut an verschiedenen Stellen vernarbte. Auch Faustschläge ins Gesicht und die Drohung ihre Finger zu brechen, sollten die Frauen einschüchtern. Einer Frau ist offenbar die Flucht mit Hilfe eines Freiers gelungen.
Auch gegen rivalisierende Zuhältergruppen seien die Angeklagten brutal vorgegangen. So verursachten sie unter anderem einen Unfall mit dem Fahrzeug eines mutmaßlichen rivalisierenden Zuhälters. „Ihr werdet hier nicht existieren. Ich bin hier der größte Pate“, soll der ältere Angeklagte gesagt haben. Auch einer Prostituierten anderer Zuhälter sollen die Beschuldigten aufgelauert haben. Im November 2022 haben sie laut Anklage gegen eine Zahlung von 20 000 Euro eine türkische Staatsbürgerin mittels einer Scheinehe in die Bundesrepublik eingeschleust.
Verhandlung für Rechtsgespräch unterbrochen
Ob sich die Angeklagten zur Sache äußern oder womöglich ein Geständnis ablegen, ist noch nicht klar. Pflichtverteidiger Tobias Göbel hält offenbar nicht alle Anklagepunkte für beweisbar. Die Richterin unterbrach darauf die Verhandlung für ein gut halbstündiges sogenanntes Rechtsgespräch. Das Ergebnis besprechen die Anwälte jetzt mit den Angeklagten. Danach entscheiden sie, ob sie sich zur Sache äußern.
Verhandlung vor der Jugendkammer
Der Prozess gegen die beiden Angeklagten wird vor der Jugendkammer des Heilbronner Landgerichts verhandelt. Hintergrund ist, dass der jüngere der beiden Beschuldigten zur Tatzeit anfangs erst 18 Jahre alt und damit Heranwachsender war. Das bedeutet nicht, dass automatisch Jugendstrafrecht angewandt wird. Der ältere der beiden Angeklagten ist 41 Jahre alt. Bei ihm spielt die Frage nach dem Jugendrecht keine Rolle. Trotzdem muss auch er sich vor der Jugendkammer verantworten. Im Falle einer Verurteilung droht den beiden Angeklagten die Abschiebung. Sie müssten dann zurück nach Bulgarien.
Die Verhandlung wird am Donnerstag fortgesetzt.
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