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Schwarzfahren entkriminalisieren? Bus-Betreiber im Raum Heilbronn haben klare Meinung

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Wer schwarzfährt und die Strafe nicht bezahlt, kann dafür ins Gefängnis kommen. Ist das fair oder ist Schwarzfahren ein Kavaliersdelikt? HNV, Heilbronner Stadtwerke und ein Busunternehmen beziehen Stellung.


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In Deutschland können Menschen ins Gefängnis kommen, wenn sie für Bus oder Bahn kein Ticket gelöst haben, also schwarzgefahren sind. Denn Schwarzfahren fällt unter Paragraf 265a des Strafgesetzbuches, der das Erschleichen von Leistungen mit Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Gefängnis bestraft. Die Initiative Freiheitsfonds hat diese Regelung Anfang September ins Gedächtnis gerufen, als sie für 101 Personen die Strafe bezahlte und inhaftierte Schwarzfahrer dadurch freikamen.

Seither heißt es immer wieder: Schwarzfahren muss entkriminalisiert werden. Gegenüber der „Esslinger Zeitung“ äußerte sich sogar Paul Launer, ein Busunternehmer von der Ostalb, kritisch zu dem Gesetz, das die Gefängnisstrafen ermöglicht. Es sei ein „Irrsinn“, gegen den sich Launer zufolge viele Busunternehmer stellen sollten. In der Region Heilbronn erhält er jedoch keinen Zuspruch.

Schwarzfahren ein Kavaliersdelikt? So stehen HNV und Busunternehmer dazu

„Schwarzfahren darf gesellschaftlich nicht als Kavaliersdelikt durchgewunken werden.“ Das ist für Andreas Kühner, Geschäftsführer von Gross-Reisen, ganz klar. Schließlich fehlen den Unternehmen und dem ganzen Heilbronner-Hohenloher-Haller-Nahverkehr (HNV) dadurch Einnahmen. Schließlich werde die angebotene Leistung genutzt.

Deutschlandticket, Apps und Co. – ist Schwarzfahren überhaupt nötig?

Laut Andreas Kühner von Gross-Reisen gibt es heutzutage viele Möglichkeiten, günstig an Ticket zu kommen. Auch wenn das Deutschlandticket ab 2026 teurer werden soll, wird es noch immer bezuschusst. Außerdem gibt es gerade bei Großveranstaltungen oftmals Ticketangebote. Auch das Lösen von Tickets sei durch Apps einfacher geworden.

„Mir wäre es nicht bewusst, dass sich die Quote durch das Deutschlandticket verändert hat“, erklärt Andreas Schluchter von den Heilbronner Stadtwerken. Schwarzfahrer steigen demnach eher für einzelne Stationen ein, wohingegen eher regelmäßige ÖPNV-Nutzer ein Deutschlandticket haben. Kühner vermutet, dass viele Schwarzfahrer eher von Faulheit oder einer Mentalität von „Ich probier’s mal“ getrieben seien.

Auf Stimme-Anfrage erklärt der HNV, dass die Quote der Schwarzfahrer bei ungefähr vier Prozent liegt. Dadurch entstehe ein Schaden von rund 1,5 Millionen Euro pro Jahr. Das Vorgehen der Initiative Freiheitsfonds, bei der Schwarzfahrer aus den Gefängnissen geholt wurden, könne der HNV nicht unterstützen, „da nur Wiederholungstäter, welche nicht belehrbar sind, in diese Situation kommen“. Die Einnahmen sollen schließlich die Qualität des öffentlichen Nahverkehrs sicherstellen.

Kontrollen gegen Schwarzfahrer: Warum mancherorts die Busfahrer entscheiden

Andreas Schluchter, Leiter der kaufmännischen Verwaltung bei den Stadtwerken Heilbronn, die auch für den städtischen Busverkehr zuständig sind, stimmt den HNV-Angaben zu. Entkriminalisierung sehe er „äußerst kritisch“. Er verstehe aber auch die Sicht der Fahrgäste: „Niemand ist natürlich glücklich, wenn ein Kontrolleur kommt und feststellt, dass ich keine Fahrkarte habe.“

Doch wie wird im HNV-Gebiet überhaupt kontrolliert? Bei Gross-Reisen, deren Busse in der Region vor allem das Schozach-Bottwartal befahren, liegt die Hauptverantwortung bei den Busfahrern. Die Fahrgäste steigen alle vorne ein, zeigen ihre Monatskarten, Deutschlandtickets oder kaufen eine einzelne Fahrt beim Fahrer, erklärt Kühner.

Dadurch hätten seine Fahrer viele Erfahrungen und auch die Freiheit, Kulanz walten zu lassen – beispielsweise beim Wechsel der Monatskarten von Schülern. Der Vorteil: „Montag bis Freitag sind es meist Stammgäste.“ Die Fahrer kennen viele Personen, die regelmäßig einsteigen. 

Kontrollteams in Heilbronn – so wird gegen Schwarzfahrer vorgegangen

Doch das sind nicht die einzigen Kontrollen, die durchgeführt werden. Der HNV hat eigene geschulte Kontrollteams, die für Stichproben in die Busse zusteigen. „Das sind Situationen, in denen es eskalieren kann“, so Kühners Erfahrung. In Städten wie Heilbronn sieht das anders aus. Im Stadtverkehr gebe es nur Kontrollteams, erklärt Andreas Schluchter. „Das ist ein gewohnter Vorgang und die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kontrollteam kommt, ist höher.“ Schließlich seien in Städten mehr Gäste unterwegs und zur Zeitersparnis werden alle Türen an Bussen geöffnet.

Wann die Polizei mit Schwarzfahrern zu tun hat

Die Polizei wird nicht immer hinzugerufen, wenn Kontrolleure jemanden in Bus oder Bahn ohne gültigen Ticket erwischen. Wer sich weigert, die Personalien herauszugeben, den Ausweis nicht dabei habe oder „renitentes Verhalten“ zeige, muss mit dem Einschreiten der Beamten rechnen, erklärt die Heilbronner Polizei auf Nachfrage. „Das ist nicht die Regel“, erklärt auch Andreas Schluchter von den Stadtwerken Heilbronn.

Als „vergleichsweise gering“ bezeichnet der Polizeisprecher demnach den zeitlichen Aufwand für die Beamten. Es hänge jedoch auch von den Maßnahmen ab, die nötig seien. Vom HNV werden bis zu 60 Minuten als Zeitaufwand angegeben, wenn die Polizei zur Feststellung der Personalien hinzugerufen werden muss.

In den Stadtbahnen, die durch Heilbronn fahren, gebe es noch mehr Kontrollen als in Bussen. Denn hier seien nicht nur die eigenen Prüfteams der Stadtwerke unterwegs, sondern auch der HNV sowie die Albtal-Verkehrsgesellschaft, die für die Fahrtstrecke außerhalb der Stadt Heilbronn zuständig ist. Allerdings ist das nicht so lukrativ, wie mancher denken könnte, denn: „Je höher der Kontrolldruck ist, desto weniger nehmen wir ein.“ Wenn also mehr Kontrolleure unterwegs sind, fahren weniger Leute schwarz.


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