Razzia wegen illegalen Tabak-Handels in Heilbronn – "jede zehnte Zigarette gefälscht oder geschmuggelt"
Bewaffnete Polizisten und Zoll-Beamte durchsuchen am Dienstag mehrere Läden in Heilbronn. Im Verdacht: illegaler Tabakhandel. Nun erklärt ein Experte, was das Geschäft so lukrativ macht.
Der Markt für gefälschte Zigarettenprodukte ist ein extrem lukrativer. Und er findet mitten in der Republik statt – mutmaßlich sogar in Heilbronn. Am Dienstag rückten Polizei und Zoll in der Innenstadt zu einem Großeinsatz an und stellten mehrere Lebensmittelgeschäfte auf den Kopf.
Oft bauen kriminelle Organisationen Maschinen in leerstehenden Fabrikhallen in Deutschland – vor allem in Nordrhein-Westfalen – auf. Dort werden illegale Zigaretten hergestellt. Die Qualität des Tabaks ist weitaus schlechter als bei den Originalprodukten. Da die Zigaretten illegal in den Verkauf gelangen, entgehen dem Staat Steuern in Höhe von 400 Millionen Euro im Jahr.
Razzia wegen illegalem Tabakhandel in Heilbronn – europaweit jede zehnte Zigarette gefälscht
Tammo Körner beschäftigt sich bei der Philip Morris GmbH mit dem Thema Schmuggel- und Fälschungsbekämpfung. Philip Morris ist der weltweit größte privatwirtschaftliche Hersteller von Tabakprodukten. Bekannte Zigarettenmarken sind Marlboro und L&M. „In Europa wurden im Jahr 2023 etwa 52,2 Milliarden illegale Zigaretten konsumiert. In Europa ist demnach jede zehnte gerauchte Zigarette gefälscht oder geschmuggelt“, sagt Körner. Um das herauszufinden, untersuchten Experten 150.000 Zigaretten-Verpackungen, die aus Gelben Säcken herausgeholt oder auf der Straße eingesammelt wurden.
Zigarettenschachtel aus Heilbronner Laden untersucht – Verdacht auf Betrug
Entdecken Zöllner gefälschte Zigaretten, melden sie sich bei den Forensikern von Philip Morris. Die prüfen anhand der Verpackung, des Drucks oder der Falttechnik der Schachteln, ob die gefälschten Produkte schon einmal irgendwo aufgetaucht sind. Bei einem Testkauf der Heilbronner Stimme in einem Lebensmittelmarkt in der Innenstadt stellte sich heraus, dass die Zigaretten der Marke Marlboro Gold gefälscht sind.
Ein Forensiker von Philip Morris mit Sitz in der Tschechischen Republik untersuchte diese Zigaretten und die Verpackung. Er stellte fest, dass genau solche Zigaretten bereits Ende des vergangenen Jahres in der französischen Stadt Alès im Oktober sichergestellt worden seien. Der Betreiber, dessen Geschäft in Heilbronn am Dienstag durchsucht wurde, war bisher nicht zu einem Gespräch bereit. Das teilten Mitarbeiter vor Ort mit.
Illegaler Tabakhandel: Exporte nach Frankreich oder nach Großbritannien
Die Täter agieren weit über die deutschen Grenzen hinaus. Häufig werden die Zigaretten nach Frankreich oder nach Großbritannien exportiert. Dort seien die Profite deutlich höher, erklärt Körner. Das liege beispielsweise in Frankreich auch an den viel höheren Steuern, die auf Tabakprodukte erhoben werden. Das begünstige den illegalen Handel.

Über die Hintermänner ist wenig bekannt. „Bisherige Erkenntnisse zeigten, dass viele der Täter aus Osteuropa kommen. Diese organisierten, kriminellen Strukturen haben meist die Hand darauf und machen das Geschäft“, sagt Körner. Die Produktion der Zigaretten finde in Fabrikhallen statt – oft mitten in Deutschland. Das sei alles sehr professionell. Mit einer Hinterhof-Garage haben die Produktionsstätten nichts gemein. Oft werde in die Halle eine weitere Halle eingebaut. Darin befänden sich Wohncontainer und sanitäre Anlagen für die Arbeiter. Die Produktionsstätten seien oft so groß, dass ein Lkw in die Halle einfahren könne.
Verdacht auf illegalen Zigaretten-Handel in Heilbronn – Material und Rohtabak oft aus Osteuropa
Rohmaterial werde angeliefert, fertige Zigaretten abtransportiert, erklärt Körner. „Um die Maschinen bedienen zu können, die Verpackungen zu produzieren und den Tabak zu verarbeiten, benötigt man Know-how – der Grad der Professionalisierung illegaler Produktionsstätten nimmt stetig zu“, sagt der 42-Jährige. Die Materialien und der Rohtabak stammten oft aus Osteuropa. Das alles lohne sich. Das Geschäft sei höchst profitabel. Körner geht bei kleineren Maschinen von einem Gewinn von 500 000 Euro aus – pro Woche. Die Investition für Maschinen habe sich bereits nach wenigen Wochen amortisiert.
Nicht nur Tabak-Handel: Täter oft auch auf illegale Drogen spezialisiert
Die kriminellen Organisationen haben sich nicht nur auf Zigaretten fokussiert. Mittlerweile seien illegale E-Zigaretten aus China im Umlauf. „Die überschwemmen den deutschen Markt“, sagt Körner, der seit 20 Jahren bei Philip Morris arbeitet. Während für deutsche E-Zigaretten maximal etwa 1000 Züge zulässig sind, böten die chinesischen Produkte das Zwanzigfache.
Die Täter schreckten auch vor illegalen Drogen nicht zurück. In Berlin-Brandenburg seien in einer illegalen Produktionsstätte auf der einen Maschine Zigaretten, auf der anderen Maschine Amphetamine hergestellt worden. 21 Kilogramm Amphetamine, Chemikalien, 50.000 Euro Bargeld und eine scharfe Pistole seien von den Behörden sichergestellt worden.


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