Der Marktplatz der 6500-Einwohner-Kleinstadt Linz am Rhein wird im Sommer durch Versiegelung zur Hitzeinsel und dem heißesten Ort der Stadt. Dauerhaftes Grün kann dort jedoch nicht gepflanzt werden, wegen der Versorgungsleitungen, die unter der Oberfläche verlegt sind. Die Strategie dagegen: mobile Bäume. Diese sind mit Sensoren ausgestattet, die die Bodenfeuchte messen. So soll der Bauhof künftig automatisch einsehen können, wann wieder bewässert werden muss. In der griechischen Metropole Athen, die jeden Sommer von Hitzewellen heimgesucht wird, warnen Karten und Apps, die auf Echtzeitdaten basieren. Sie informieren die Bevölkerung zum Beispiel über kühle Orte, die öffentlich zugänglich sind
Gegen Hitzestress und Trockenheit: So will Heilbronn smarte Datenstadt werden
Der Bildungscampus wird zum Reallabor für smarte Logistik-Lösungen. Die Stadtverwaltung will Daten einsetzen, um eine bessere Klimaanpassung zu schaffen und den Hitzeschutz für die Bürger zu verbessern.
Mit Daten gegen den Hitzestress in Städten ankämpfen? Das geht, davon ist Sarah Kaltenegger vom Fraunhofer IAO in Stuttgart überzeugt. In einem Blog-Beitrag zu „Smart Cities“ hat die Forscherin verschiedene Anwendungsbeispiele für smarte Lösungen gegen Hitze gesammelt. In Mannheim etwa, einer der am stärksten versiegelten und heißesten Städte in Deutschland, erheben Sensoren an über 400 Messstandorten in kurzen Intervallen Daten zur Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Windrichtung und -geschwindigkeit sowie zu Niederschlag und Sonneneinstrahlung. Diese Daten fließen dann in die städtische Umweltplattform ein. Die Stadt will so Maßnahmen zur Klimafolgenanpassung besser planen und die Bewässerung von Grünflächen effizienter steuern.
Wird Heilbronn auch eine Smart City? Mit Daten gegen den Hitzestress
Smart Cities sind Städte, die Daten und moderne Technologien nutzen, um das Leben ihrer Bürger zu verbessern, die Effizienz der städtischen Infrastruktur zu erhöhen und nachhaltiger zu werden. „In einer Smart City wird intelligente Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) verwendet, um Teilhabe und Lebensqualität zu erhöhen und eine ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltige Kommune oder Region zu schaffen“, heißt es beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Vor allem in den Bereichen Verkehr und Mobilität, Energieeffizienz oder Umweltschutz und Klimafolgenanpassung werden in vielen Städten bereits Smart-City-Technologien genutzt.

Heilbronn schneidet bei Hitzecheck schlecht ab – Im Klimawäldchen sind schon Sensoren verbaut
Heilbronn schaue mit Interesse auf solche smarten Lösungen, sagt Oliver Toellner, der Leiter des Grünflächenamts. Die Stadt liegt laut dem jüngsten Hitzecheck der Deutschen Umwelthilfe DUH auf Platz 9 der am meisten von Hitze betroffenen Städte in Deutschland. An einigen Stellen, wie im Klimawäldchen, seien Sensoren in verschiedener Höhe verbaut, mit denen „repräsentative Daten“ dazu erhoben werden sollen, wann dort wieder gegossen werden muss. Die Datenübermittlung und -auswertung laufe aber noch nicht automatisiert, „so dass unsere Mitarbeiter das noch fachlich begutachten müssen“, erklärt er. Die Stadt plane, mehr Sensoren auszubringen und sei dazu mit einer Abteilung des Fraunhofer-Instituts Kodis im Austausch, so Toellner. „Aber wir sind da noch am Anfang.“
Bei der ersten Runde der Bewerbung zur „Green City Capital“ sei außerdem ein „Cool City Board“ gemeinsam mit der Programmierschule 42 konzipiert worden. Ein Ziel: Mit Hilfe des Boards, in das Daten aus der ganzen Stadt einfließen, dynamische Aussagen über Hitzerisiken und Schutzmöglichkeiten für die Bevölkerung generieren.
Auch die Daten aus dem Erdbeobachtungsprogramm Copernicus sollen künftig genutzt werden, um zum Beispiel den Versiegelungsgrad in innerstädtischen Bereichen kleinräumiger zu erfassen – und mittelfristig Aussagen darüber treffen zu können, welche positiven Effekte Entsiegelung, Begrünung oder Wasserrückhaltung haben. Sprich: Um wie viel Grad sinkt die Temperatur, wenn Flächen begrünt statt betoniert sind und Wasser dort versickern kann, statt schnell abzufließen? Heilbronn sei schließlich KI-Stadt, da liege ein stärkeres Engagement in diesem Bereich auf der Hand, sagt Toellner. Allerdings sei es auf privatem Gelände, wie dem Bildungscampus, häufig leichter, Sensoren anzubringen und großräumig Daten zu erheben.
Heilbronner Bildungscampus soll zum smarten Campus werden
Die Verantwortlichen auf dem Bildungscampus Heilbronn sind beim Einsatz solcher smarten Technologien weit vorn, wie vergangene Woche beim KI-Salon in den Räumen der Hochschule deutlich wurde. So wird zum Beispiel die Logistik auf dem Campus „bedarfsgerecht“ betrieben. Das heißt zum Beispiel: Mülleimer werden nur geleert, wenn sie tatsächlich voll sind. Wenn die Daten eine Kombination aus schlechtem Wetter und hohem Besucherandrang in der Mensa erkennen und so folgern, dass der Boden schmutzig ist, soll der Serviceroboter für die Reinigung automatisch losfahren. Der „smarte Campus“ sei auch ein Reallabor mitten im Wissensquartier im Zentrum von Heilbronn, erklären die beiden Campus-Manager Nikolaus Schlüter und Christian Harms das Projekt.
Smart City: Bedürfnisse verschiedener Gruppen mitdenken
Die Digitalisierung sei „Mittel zum Zweck“, sagt Sarah Kaltenegger. Zusätzlich bedacht werden müsse der Faktor „Governance“ – also welche Leute betrifft ein Thema, wie macht man den Prozess transparent und beteiligt sie. „Es ist wichtig, verschiedene gesellschaftliche Gruppen mitzudenken und zu berücksichtigen, was zum Beispiel Hitze für sie bedeutet“, so Kaltenegger. Ältere Menschen haben andere Bedarfe als Familien mit Kindern. Menschen in engen Wohnungen in der Innenstadt betrifft Hitze anders als Hausbesitzer am Stadtrand. All das müsse in die Betrachtung einfließen, um Wohlbefinden und Lebensqualität vor Ort zu erhöhen.