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Der Zuhälter-Häuptling aus Heilbronn: Wer war Hannes Söhner?

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Er galt als Rotlicht-König von Heilbronn: Hans-Jürgen „Hannes“ Söhner baute ein Zuhälterimperium auf. Sein Aufstieg, seine Macht und sein tiefer Fall sind bis heute Stoff für Mythen und Legenden.

Hans-Jürgen "Hannes" Söhner im Hinterhof eines Bordells: Mit seinem Excalibur-Cabriolet war er in Heilbronn bekannt.
Hans-Jürgen "Hannes" Söhner im Hinterhof eines Bordells: Mit seinem Excalibur-Cabriolet war er in Heilbronn bekannt.  Foto: Archiv HSt

An bestimmten Straßenzügen stehen die Frauen nur leicht bekleidet, vielleicht in kurzen Röcken, vielleicht rauchend an einer Hauswand gelehnt. In den Bars und Hinterzimmern floriert das Geschäft mit der käuflichen Liebe. Es ist eines der wohl düstersten Kapitel Heilbronns in der Nachkriegszeit. Wer die richtigen Türen kennt, findet hier schnell, wonach er sucht.

Heute verbietet die Stadt Straßenprostitution in ganz Heilbronn. Lediglich wenige Gebäude, wie der graue Betonklotz mit der Aufschrift „H7“, erinnern noch an die zwielichtige Vergangenheit, in der mächtige Zuhälter das Sagen hatten und die Fäden weit über die Stadtgrenzen hinaus zogen.  

„Hannes“ Söhner: Vom Moped-Rocker zum „Zuhälterkönig“ von Heilbronn

Im Zentrum dieser vergangenen Ära: Hans-Jürgen „Hannes“ Söhner. Prostitution und Bandenkriminalität sind sein Geschäft. Eine fransige Lederjacke und ein Excalibur-Cabriolet sein Markenzeichen. Er ist der Häuptling der Heilbronner Unterwelt – bis er im wahrsten Sinne des Wortes tief fällt. Doch wer ist der Mann, um den sich bis heute so viele Mythen ranken?

1951 in Bad Friedrichshall geboren, erlebt Söhner eine eher unauffällige Kindheit. Mit 16 Jahren jedoch entdeckt er auf dem Moped die Freiheit – und bald auch die Grenzenlosigkeit jugendlicher Rebellion.

„Aus Jungenstreichen wurden polizeilich erfasste Straftaten“, erinnert sich ein Heilbronner Polizist viele Jahre später in einer Chronik an den „Zuhälterkönig“ von Heilbronn zurück. In dem Buch „Alltagsgeschäfte?!“ widmet er ihm sogar ein ganz eigenes Kapitel. Immer wieder kreuzen sich die Wege der Ordnungshüter und des Rotlicht-Häuptlings.

Einstieg ins Rotlichtmilieu: Wie Söhner zum „Zuhälterkönig“ von Heilbronn wurde

Söhners Geschichte ist die eines jungen Moped-Rockers, der sich vom professionellen Verbrecher zu einem der wohl „acht größten Zuhälterkönigen der gesamten Bundesrepublik“ entwickelt.

Nach den jugendlichen Kavaliersdelikten markiert eine Haftstrafe in Söhners jungen Jahren die Wende. Was genau in dieser Zeit hinter verschlossenen Türen passiert und was den jungen Mann damals so verändert, bleibt wohl bis heute ein großes Geheimnis. Sicher ist aber: Nach seiner Entlassung steigt Söhner ins Rotlichtmilieu ein – und arbeitet sich dort mit Härte und Kalkül nach oben.

Über Heilbronn hinaus: Söhner als Kopf der organisierten Kriminalität

In Heilbronn tobt in dieser Zeit – 1973 - ein Zuhälterkrieg. Söhner, der seine Rolle geschickt ausnutzt, strickt sich aus den losen Gruppierung von Bordellbetreibern sein ganz eigenes Imperium. An seiner Seite agiert stets ein starker Verbündeter. A.K. oder „Adi“ steht ihm anfangs als Vaterfigur und Mentor zur Seite, später wird er seine rechte und linke Hand. Zusammen mit „Lalajojo“ dominiert das Trio die Stadt.

Doch die Stadt wird Söhner schnell zu klein. Er expandiert nach Ludwigsburg. Göppingen und Heidenheim folgen. Bis auf den Stuttgarter Raum zieht Söhner in fast ganz Baden-Württemberg die Fäden, Konkurrenz wird immer weniger geduldet. „Bereits Anfang der Achtziger Jahre dürfte sich diese Entwicklung so weit vollzogen haben, dass die organisierte Kriminalität mit all ihren Facetten in Heilbronn zentral gelenkt wurde“, heißt es später in der Polizei-Chronik.

Konkurrenz vom Hamburger Kiez: Söhner macht Zuhälter-Krieg zur Chefsache

Das florierende Geschäft in Heilbronn bleibt nicht unbemerkt. Selbst auf dem berühmten Hamburger Kiez bekommt man Wind davon – und versucht in der Neckarstadt Fuß zu fassen. Die Stadt „lag auf einer Handelsstraße in Richtung Frankfurt und war durch seine damalige US-Garnison ein wichtiger Nachfragefaktor für Nutten und Drogen“, erinnert sich Jahre später ein Nutzer der Facebook-Gruppe „Zur Ritze Community“ zurück.

Die Hamburger Zuhälter-Größen planen eine Übernahme der Region. Fast ein bisschen stolz entsinnt sich ein Wegbegleiter von Hannes in der Reportage „Der Jammerlude“: „Hat ja überall geklappt, nur nicht in Heilbronn“. Denn Söhner macht die Abwehr des Übernahme-Versuchs zur Chefsache. Er lockt die Konkurrenz in eine Heilbronner Kneipe. Dort warten seine Männer – bewaffnet mit Knarren und einem Morgenstern. Das Ergebnis: vier platte Reifen und eine fluchtartige Abreise der Gäste von der Reeperbahn.

Prozess um eigenen Mordversuch: Hamburger Auftragskiller verschont Söhner

Die Rechnung lässt jedoch nicht lange auf sich warten: Mindestens fünf Morde können dem „St-Pauli-Killer“ Werner „Mucki“ Pinzner später nachgewiesen werden. Nicht aber der von Söhner. Denn statt zu schießen – so sagt es die Legende, die auch der Heilbronner Journalist Robert Mucha kürzlich aufgegriffen hat – nimmt Pinzner die Kugel aus dem Revolver und legt sie vor Söhner auf den Tisch. „Die sind für dich bestimmt.“ In den Erinnerungen seiner Weggefährten ist „der Hannes“ schon immer ein „Grader“ gewesen. Vielleicht hat ihm seine aufopferungsvolle und ehrliche Art auch Respekt vor dem Auftragskiller beschert. Er soll der einzige sein, den er je verschonte. 

Werner „Mucki“ Pinzner galt als der „Kiezvollstrecker“ von Hamburg. Insgesamt konnten ihm fünf Morde nachgewiesen werden. Er behauptete einmal, zu elf Morden aussagen zu wollen. Pinzner soll Söhner als einzigen Menschen jemals verschont haben. Im Jahr 1987 gab es einen Prozess gegen Pinzner, bei dem auch Söhner am Hamburger Landgericht aussagte. 

Vom „Zuhälterkönig“ zum tiefen Fall: Söhner hinterlässt Mythen und Legenden nach Tod

Doch in den späten 1980er-Jahren beginnt Söhners Macht zu bröckeln. Polizeiliche Ermittlungen, interne Konflikte und ein sich verändernder Rotlichtmarkt setzen ihm zu. Hinzu kommen Alkohol und Drogen. Es ist der 20. Juni 1996 als ein Polizist Hannes erkennt. „Mit grotesk verrenkten Gliedern“ liegt er da, “in einer Blutlache. [...] Deutlich steht der Alkoholgeruch in der Luft.“

Ein Zeuge will beobachtet haben, wie Hannes beim Klettern vom Balkon abstürzte. Eigentlich ein Manöver, das Söhner früher oft praktiziert hatte – wenn er zum Beispiel im Vollrausch seine Wohnungsschlüssel nicht finden konnte. Bis heute werfen sein Absturz und Tod viele Fragen auf. Ob das alles so stimmt, lässt sich wohl kaum noch nachprüfen. Doch hinterlässt der Häuptling eine Reihe von Mythen und Geschichte, die an ein Kapitel voller Gewalt, Machtkämpfe und krimineller Geschäfte erinnern, das Heilbronn jahrzehntelang geprägt hat.




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