Doppelte Staatsbürgerschaft: Deutscher Pass für alle – eine gute Idee?
Zwei Heimatländer, im Herzen aber auch auf Papier: Die deutsche Bundesregierung beschloss, ab dem 27. Juni 2024 die doppelte Staatsbürgerschaft für alle zu gewähren. Ein Deutsch-Türke äußert sich.

Sie leben seit Jahrzehnten im Land, haben aber dennoch keinen deutschen Pass. Dieses Schicksal betrifft viele derjenigen, die in den sechziger und siebziger Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen sind - oft auch deren Nachkommen.
Der bislang geforderte Einbürgerungstest sowie das Ablegen der Staatsbürgerschaft des Herkunftslandes könnten mögliche Gründe dafür sein. Zumindest denkt das die Ampel-Regierung. Deren Lösung: Eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts.
Doppelte Staatsbürgerschaft soll Einbürgerung erleichtern – werden die Ziele mit der Reform erreicht?
Der Fachkräftemangel auf dem deutschen Arbeitsmarkt und die niedrigen Einbürgerungszahlen im EU-Vergleich sind Herausforderungen, denen mit der nun in Kraft getretenen Gesetzesreform begegnet werden soll. Sie zielt darauf ab, die Einbürgerung der hier lebenden Ausländer zu erleichtern und zu beschleunigen, um den sozialen Zusammenhalt zu stärken.
Zusätzlich soll eine doppelte Staatsbürgerschaft im Rahmen der neuen Einbürgerungsregeln qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland eine dauerhafte Bleibeperspektive bieten und ihnen damit Anreiz sein, nach Deutschland zu kommen. Ob die gewünschten Ergebnisse erreicht werden, bleibt abzuwarten.
Kritik aus der Region Heilbronn: Warum Alexander Throm nichts von der doppelten Staatsbürgerschaft hält
Regeln, die der Heilbronner Abgeordnete Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der Union, bereits im Dezember 2023 in einem Interview mit unserer Zeitung kritisierte. Er bezeichnete sie als "Staatsangehörigkeitsentwertungsgesetz". Besonders kritisch sieht Throm, dass künftig jeder die Staatsbürgerschaft erhalten darf: "Wir erwarten, dass jemand, der deutscher Staatsbürger werden möchte, sich zu unserem Land bekennt. Wenn das nicht mehr nötig ist, weil man Bürger seines Herkunftslands bleiben kann, werden Konflikte zu uns hereingetragen." Throm verwies auf bereits existierende Konflikte, die sich durch die Reform verschärfen könnten, wie etwa im Falle der Deutsch-Türken. "Die meisten die hier leben, wählen dann AKP und Erdogan."
"Sorge ist unbegründet": Das sagt ein Deutsch-Türke zur doppelten Staatsbürgerschaft
Der Neudenauer Tayfun Colak hält die Sorge des Politikers für unbegründet. "Nicht jeder wählt Parteien oder Personen, die aus der Sicht Europas kritisch sind", sagt der 31-jährige Familienvater. Die zweifache Stimmberechtigung, im In- und Ausland, könne Europa sogar zugutekommen: Menschen mit einem Verständnis für europäische Wertvorstellungen könnten entsprechende Parteien auch in ihrem Herkunftsland wählen.
Dem statistischen Bundesamt zufolge, lebten im Jahr 2023 bundesweit rund 1,4 Millionen türkische Staatsangehörige. Tayfun Colak, geboren und aufgewachsen in Deutschland, ist einer von ihnen. Die Reform findet er längst überfällig. "Warum musste man sich bis jetzt überhaupt entscheiden?", fragt er sich. "Ich fühle mich beiden Ländern zugehörig, allein schon dadurch, dass ich beide Sprachen fließend beherrsche." Laut dem statistischen Landesamt habe jeder vierte Bürger der Stadt Heilbronn einen ausländischen Pass.
Einbürgerung in Deutschland: Ein langwieriger Antrag
Colak entschied sich vor über zwei Jahren gegen die türkische und für die deutsche Staatsangehörigkeit. Seitdem wartet er auf seine Einbürgerung. Hätte er gewusst, dass Mehrstaatlichkeit schon bald möglich sein wird, hätte er gewartet, sagt er. "Ich weiß jetzt nicht, ob ich meinen Antrag auf Einbürgerung nachträglich ändern kann. Ich werde es aber versuchen."
Überreicht werden kann die Einbürgerungsurkunde bei einer öffentlichen Feier unter Verwendung der nationalen Symbole Deutschlands. Ob und wie diese Veranstaltungen stattfinden, bleibt jeder zuständigen Behörde vorbehalten.
Einwanderungsbehörden in der Region Heilbronn erwarten mehr Anträge und lange Reaktionszeiten
Ausländerämter in der Region Heilbronn-Franken stellen sich auf mehr Einbürgerungsanträge sowie längere Bearbeitungszeiten ein. Laut einer Sprecherin des Landratsamts Heilbronn, versuche die dortige Einwanderungsbehörde im Moment, Rückstände in der Bearbeitung von Anträgen mit allen verfügbaren Personalressourcen auf ein "gutes Niveau" abzuarbeiten.
Auch das städtische Ausländeramt verzeichnet gegenwärtig 500 vorliegende Anträge, die erst noch bearbeitet werden müssen. Praktische Anwendungsprobleme in den ersten Wochen nach Inkrafttreten der Reform könnten laut einer Sprecherin zu weiteren Verzögerungen führen. Ähnliche Zustände herrschen auch in der zuständigen Behörde des Landratsamts Hohenlohekreis. "Bis mit der Bearbeitung eines neu eingegangenen Einbürgerungsantrags begonnen werden kann, dauert es aktuell etwa zwölf Monate", so ein Sprecher.